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Ella ist inzwischen sechs Monate alt. Wer Ella ist? Ella ist die Tochter von Petra, meiner hübschen Nachbarin. Die beiden haben nicht nur mich adoptiert, sondern auch meinen besten Freund: den Jazz. Manchmal ist es mir fast peinlich, wie Petra alles um sich versammelt, das nur irgendwie an Jazz erinnert. Sie blickt in diese seltsamen Versandkataloge und schon beginnt das Designer-Zeug ins Haus zu flattern. Beim Frühstück sitzen wir am Campingtisch „Summertime”, unter einer Küchenlampe namens „Sun Ra”, und die Teller mit den blaugelben Saxofon-Ornamenten heißen aus unerfindlichem Grund „Miles”. Abends trinke ich aus einem Trompetenglas namens „Satchmo” eine schreckliche Bierlimo, die “Bebop” heißt. Klar, dass sich Glas und Inhalt nicht recht vertragen. Jetzt will Petra sogar Jazz spielen lernen. Als Kind hatte sie ein paar Klavierstunden, nun hat sie ein kleines Digitalpiano. Es heißt tatsächlich „Tatum”. Am liebsten spielen wir fünfhändig, wobei Petra mit einer Hand ihre Tochter auf dem Schoß hält; Ella kann mit ihren Fäusten schon ganz schön reinballern. Manchmal fühle ich mich fast wie Friedemann Bach: Der hatte mal zwei ausnehmend geile Klavierschülerinnen, für die schrieb er ein Stück für sechs Hände und übernahm selbst die beiden äußersten Stimmen, eine Schülerin in jedem Arm. Verbindliche Regeln fürs mehrhändige Spiel scheint es ja nicht zu geben. Außer vielleicht: Man sollte sich wie bei allen schönen Dingen des Lebens auf ein gemeinsames Tempo einigen. „Petra, du bist zu langsam.” – „Wieso? Du hast doch den Takt vorgegeben.” – „Aber du hältst ihn nicht.” – „Ich finde, du bist schneller geworden.” Kürzlich stritten wir darüber, ob wir eigentlich überhaupt zusammenspielen oder nur zusammen spielen. Die aktuelle Rechtschreibung weiß da zu unterscheiden. Zu Recht. Rainer Wein |
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