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„Als ich in Genua mit Paganinis berühmter Violine probte, wurde ich von zwei Carabinieri überwacht. Sie begleiteten mich fast überall hin“, erinnert sich die Jazz-Geigerin Regina Carter an ihr erstes Live-Konzert im Palazzo Tursi. Alpträume habe sie 2001 vor dem Galakonzert gehabt, mit ihren extrahohen Pumps im Abendkleid und mit der kostbaren Violine auf die Nase zu fallen und sie zu ruinieren.
Als Regina Carter ein Jahr später mit den Aufnahmen zu ihrer Classic Crossover-CD „Paganini: After a Dream“ (Verve) begann, wurde Paganinis in den oberen Lagen unschlagbare „il cannone“ mit einer Polizeieskorte durch die engen Straßen Genuas ins Aufnahmestudio eskortiert. In Genua ließ man Regina Carter nach langem bürokratischen Hickhack nicht eher an die wertvolle Violine ran, bis sie nachweisen konnte, dass sie eine lange klassische Ausbildung in ihrer Heimatstadt Detroit längst absolviert hatte. Inzwischen ist man in Italien schon etwas lockerer. Vergangenes Jahr, als „Paganini: After A Dream“ weltweit erschien, durfte Carter die berühmte Geige immerhin unter gelockert strengen Sicherheitsvorkehrungen mit zu einem Konzert in ihrer Wahlheimat New York nehmen. Neben klassischen Stücken aus der Feder von Fauré („Pavanne“ oder „Après un rêve“) und Ravel finden sich auf der Paganini-Scheibe mit „Oblivion“ von Astor Piazzolla oder Filmmusik von Ennio Morricone auch neue Standards gehobener U-Musik. „Ich wollte eben keine Klassik mehr spielen, ich sehe dieses Album eher als eine Art Phantasie, als Improvisation einer Jazz-Musikerin“, deutet Regina Carter diese träumerische Platte, die durchaus Parallelen zur imaginären Folklore moderner europäischer Jazzmusiker wie Louis Sclavis oder Michel Godard zeigt. In New York lebt Regina Carter (übrigens die Halbschwester des auch in Nürnberg mehrfach gefeierten Jazzsaxophonisten James Carter) seit 1992. Dort ersetzte sie den großartigen Billy Bang im avantgardistischen String Trio of New York (um James Emery und John Lindberg), spielte etwa in Cassandra Wilsons „Travellin´ Miles“-Tourband und arbeitete mit der Black Rock Coalition um Living Colour-Gitarrist Vernon Reid. „Als das String Trio of New York von mir forderte, mich komplett auf sie zu konzentrieren, zog ich es vor, intensiv meine Solokarriere voranzutreiben“, begründet Carter ihren Ausstieg beim String Trio of New York nach sechs Jahren. Mit großem Erfolg seither. Nach „Rhythms of the Heart“(1998) und ein Jahr vor „Firefall“ (2001), ihrem hochgelobten Duo-Album mit dem legendären Jazz-Pianisten Kenny Barron, veröffentlichte Regina Carter ihr bislang stärkstes Werk: Das Soul-Album „Motor City Moments“: Dies ist Hommage und Beschwörung ihrer seit langen Jahren arg in der Krise steckenden Heimatstadt Detroit. Wie sieht es eigentlich die Künstlerin, dass die Bevölkerung in der einstigen Automobil-Hochburg mit 2,1 Millionen Einwohner 1950 auf heute nur noch rund 970.000 Einwohner schrumpfte, in Downtown 40 Prozent der Geschäftshäuser leer stehen, und während der 90er die höchste Mordrate der USA hatte? „Detroit war eine der schrumpfenden Städte mit argen Problemen, aber das teilt sie mit anderen Großstädten nicht nur in den USA“, verteidigt Carter ihre Heimatstadt. „Deshalb habe ich „Motor City Moments“ als warme, positive Platte konzipiert, die daran erinnert, welche lebendige, vibrierende Stadt Detroit war, als ich dort aufgewachsen bin. Also bevor die Autoindustrie und die Musikbranche (Motown!) die Stadt verlassen haben. „Doch der Wind in Detroit hat sich in den letzen beiden Jahren gedreht, die Leute kommen wieder zurück in die Stadt“, freut sich Regina Carter. Die Winter in Detroit erinnern Carter jedenfalls an die bayerischen Winter in München, wo die Künstlerin in den 80ern für zwei Jahre lebte. „Meine Ballade ‚Forever February‘ auf ‚Motor City Moments‘ könnte auch in Deutschland entstanden sein“, sagt Carter. Und fügt hinzu: „Die Winter sind in Deutschland ähnlich lang und melancholisch wie in Detroit.“ Reinhold Horn CD-Tipp
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