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Der Auftritt „sitzt“. Mit zwei Arrangements von Bill Holman und Clare Fischer gelingt der Band ein respektables Entree. Die Musik swingt und offenbart Energie. Jörg Joachim Keller beweist, dass er das Kollektiv im Griff hat, ohne den Spielraum der Solisten zu beschneiden. Mehr noch: aus der Spannung zwischen individuellen Höhenflügen und orchestralem Klang erwachsen Eigenart und Dynamik des Geschehens. Das freilich zählt zum Geheimnis aller guten Big Bands. Und die des hr kann sich zeigen und hören lassen. Das ehemalige „Tanzorchester des Hessischen Rundfunks“, das einst Hans Joachim Kulenkampffs Eurovisions-Sendung „Einer wird gewinnen“ begleitete, hat sich zu einer modernen Big Band gemausert, die sich hinter ihren verbliebenen ARD-Verwandten nicht im mindesten zu verstecken braucht. Verglichen mit der NDR Bigband, die zwei Wochen zuvor im Gewandhaus gastierte, präsentierte sich die Band aus der Main-Metropole weniger als Solisten-Ensemble, dafür mit einem prominenten Gast: dem erst 33-jährigen und bereits international hoch geschätzten Tenorsaxophonisten Chris Potter. Wie er, nur von Piano, Bass und Schlagzeug begleitet, „Soul Eyes“ und „Willow Weep For Me“ ausgestaltete, machte erlebbar, in welchem Maße es ihm gelungen ist, die Jazztradition zu assimilieren, ohne sich dem Tross der Epigonen anzuschließen. Wer vermutete, die Band hätte sich mit einem Star dekorieren wollen, wurde positiv überrascht: zum einen durch Potters sympathische Bescheidenheit, vor allem aber, weil die Verbindung des Solisten mit der Band auf kollektiven Arbeitsprozessen basiert. So gelangten Stücke von Chris Potter zur Aufführung, die er für die hr Band und sogar speziell für deren Auftritt in Leipzig geschrieben hatte. Die Erfahrungen des amerikanischen Tenorsaxophonisten mit dem Großformat basieren vor allem auf seiner Mitwirkung in der Big Band von Dave Holland. Für diese entstand eine Komposition, die nun auch live in Leipzig zu hören war: „Seven Eleven“, eine Widmung an Miles Davis. In diesem Assoziationsfeld leuchtet noch einmal die NDR Bigband auf, die die einst von Gil Evans für Miles Davis arrangierten Suite „Porgy and Bess“ neu interpretierte. Beide Programme brachten eine zeitgenössische Klangsprache des orchestralen Jazz zu Gehör, die Erfahrungen mit der Moderne integriert, ohne das Erbe des Big-Band-Jazz über Bord zu werfen. Ließ der Trompeter Reiner Winterschladen mit der NDR Band an einen Akteur in einem Shakespeareschen Drama denken, so glich Chris Potter eher einem freundlichen Traveller. Auf seinem aktuellen Album „Traveling Mercies“ huldigt er dem Stilpluralismus, mit der hr Band trat er den Beweis dafür an, dass Big-Band-Jazz keineswegs Retrospektive zu bedeuten braucht. Bert Noglik
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