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Endlich lockte sie wieder einmal die Münchner Szene ins Umland, die Unterschleißheimer Jazzreihe: das Dave Holland Quintet machte am 20. März im städtischen Bürgerhaus Station, mit dem einzigen Gig der kleinen Deutschland-Tour in Oberbayern. Warum gerade diese Formation des vielseitigen britischen Bassist –zuletzt sorgte er mit einem Big Band Projekt für Aufsehen – seit Jahren als beste in ihrer Kategorie gehandelt und mit Grammys und Poll Siegen geadelt wird, das wurde auch hier schnell klar. Da ist vor allem die beeindruckende Konsequenz, mit der Holland seine Vorstellung eines zugleich auf der Jazzgeschichte begründeten wie nach neuen Ufern strebenden Stils umsetzt. Eine Konsequenz, die hier aus Kontinuität erwächst: Hollands working band ist seit 1998 nahezu unverändert. Blindes Verständnis ist die Folge, Improvisation und kompositorischer Rahmen greifen derart harmonisch ineinander wie bei kaum einem anderen Ensemble.
Das in Unterschleißheim zu bestaunende Ergebnis ist fast ein Gegenmodell zu aktuellen, etwa vom Esbjörn Svensson Trio repräsentierten Strömungen, die ihre Sogwirkung aus minimalistischer Reduktion entwickeln. Die Musik dieser Band – und das umfasst den Bandleader Holland wie seine Begleiter, weil hier jeder gleichberechtigt seine Kompositionen einbringt – ist Hochdruck-Jazz am instrumentalen Limit: Sein Quintet türmt vielfältiger kaum denkbare Klanggebirge auf, die alle möglichen Stile vom Blues bis zum Free Jazz verinnerlicht haben, abrufbereit halten und reichlich Platz lassen für die traditionellen Soli. Die stärksten Momente aber haben die Fünf gemeinsam. Dann, wenn jeder seine eigenen Motive spielt, und sich doch alles auf unglaubliche Weise zusammenfügt. Diese Band ist eben ein eigenes Instrument im Ellingtonschen Sinne und viel mehr als nur die Summe ihrer Teile. Möglich wird das, weil an jedem Instrument individualistische Ausnahmekönner zueinander gefunden haben: Robin Eubank gilt derzeit wenn nicht als virtuosester, so mindestens als variabelster Posaunist der Szene; er bewies vom ersten Solo-Ton an, wie kraftvoll, ausdauernd und doch feinnervig er bläst. Gleiches gilt natürlich für Chris Potter an den Saxophonen und Steve Nelson an Vibraphon und Marimba. Nebenbei bemerkt ist es gerade die Kombination von Sopransaxophon und Vibraphon, die viel zum transparenten und unverwechselbaren Klang dieser Band beiträgt. Die einzige Unbekannte in dieser Gleichung war der junge Schlagzeuger Nate Smith, der unlängst für Billy Kilson nachgerückt ist (Kilson ist derzeit mit der Vorgruppe von Sting auf Tour). Bislang nur Insidern aufgefallen – er tourte blutjung mit Betty Carter und ist auf einem Track von Michael Jacksons „History“-CD verewigt – zog sich Smith mehr als achtbar aus der Affäre: Zwar war er nach fünf Minuten komplett durchgeschwitzt, aber er fügte sich perfekt ins Star-Ensemble ein, mal feinfühlig, mal energisch, kraftvoll und immer swingend. Neben Bekanntem von der preisgekrönten Live-CD „Extended Play“ fanden sich viele neue Nummern im Programm: die Kernstücke des demnächst bei Verve erscheinenden neuen Albums und der kommenden Europa-Tournee im Juli. Man kann sich nur wünschen, dass viele Deutschland-Termine eingeplant werden. Oliver Hochkeppel |
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