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Warum gründet ein erfolgreicher Geschäftsmann, der in allseits schwierigen Zeiten genug um die Ohren haben dürfte, ausgerechnet ein neues Jazzlabel? Die Frage richtet sich an den 49-jährigen Ralph Bürklin, Geschäftsführer der im März 2003 gegründeten Firma Pirouet, die seitdem mit bereits sieben Produktionen auf den Markt gekommen ist und so auch schon „ein bisschen was herzuzeigen hat“, wie Bürklin meint. Die Idee habe schon lange in ihm rumort, bekennt der Leiter eines Großhandelsunternehmens, der sich die Freizeit ansonsten mit dem Saxophon vertreibt. „Der Wunsch war eigentlich immer schon da, mal was auf die Beine zu stellen, was den eigenen Jazzideen entspricht. Da liegt der Gedanke eines Labels natürlich nahe, wenn man ein Programm nach seinen eigenen Vorstellungen formen will.“ Ein wesentlicher Impuls zur Tat war die Begegnung mit Jason Seizer, einem „besonders geschmackvollen Musiker, der gleichzeitig auch über kaufmännische Erfahrung verfügt: Der ideale Partner.“ Das kaufmännische Element steht jedoch nicht im Vordergrund, in erster Linie geht es darum, die eigenen Jazzwünsche zu verwirklichen. Die Hoffnung darauf, dass ein langer Atem sich irgendwann nicht nur qualitativ, sondern vielleicht auch wirtschaftlich auszahlt, vergleicht Bürklin mit anderen Sammlerobsessionen: „Man muss die blaue Mauritius sammeln solange sie noch ein gültiges Postwertzeichen ist. Niemand kann so genau sagen, was letztlich draus wird, was man gesammelt hat. Man kann auch nicht spekulieren. Man muss einfach die Dinge sammeln, die einem gefallen, und einen langen Atem haben. Die großen Labels verdienen heute unter anderem an den Dingen, die sie vor fünfzig Jahren aufgenommen haben. Die haben übrigens sicher auch viel Geld in Flops investiert. Man muss einfach Geduld haben und auf die Qualität des eigenen Urteils vertrauen.“ Das bezieht sich auch auf die Musiker, mit denen Pirouet zusammen arbeitet, denen man im Übrigen möglichst faire Bedingungen bieten will. „Es gibt keinen Plan, berühmt und reich zu werden; es geht darum, den Jazz der momentanen Zeit aufzunehmen und zu sammeln, und die Künstler, die gerade so arrivieren, zu bemerken, ihnen eine Chance zu geben und mit ihnen eine Chance wahrzunehmen.“ Denn Chancen sieht Bürklin durchaus, gerade in Zeiten, in denen die größeren Labels sich vom Jazz entfernen: „Die Chance liegt in der Nische, die uns die Großen im Moment einräumen, sie liegt auch im antizyklischen Verhalten.“ Andererseits dürfe man sich nicht überschätzen, müsse man „klein kochen“. Ausgangsbasis ist daher zunächst die regionale Szene. „Vielleicht wird es ja so wie mit der Bonanza-Karte ...“ formuliert Bürklin Zuversicht. Pirouet kann dabei durchaus auf Internationales verweisen. Der ersten CD – Walter Langs Lotus Blossom mit Aya Murodate – gelang bereits ein Brückenschlag von der Isar an den Fujiyama, die Kooperation von Jason Seizer mit Marc Copland lässt die Weltstadt mit Herz und New York nun schon auf zwei überaus beachtlichen CDs zusammenrücken: „Fair Way“ und – jüngstes Produkt aus dem Hause Pirouet – „Serendipity“. In der Firmenidentität legt das junge Label, das auch über ein eigenes Studio in München verfügt, Wert nicht nur auf eine ästhetische Präsentation der CDs, sondern auch auf eine recht große musikalische Bandbreite. Das Spektrum beginnt mit den von Thomas Stabenow komponierten und jeweils in zwei Versionen – klassisch und jazzig – vorgetragenen „12 Miniatures For Clarinet & Piano“ mit Roberto di Gioia und John Ruocco, setzt sich fort im kammermusikalischen Zusammenklang von Jazz- und Streichquartett auf Peter Peukers „Skylark“, lässt das Tenorsaxophon von Domenic Landolf straight ahead seiner „Wanderlust“ frönen, verschmäht auch nicht die stärker Groove-orientierten Gitarrenklänge von Peter O’Maras „Mirage“ mit Henning Sieverts und Adam Nussbaum. „Die sieben CDs, die wir jetzt draußen haben, umfassen andererseits das, was im Rahmen unserer Toleranzgrenzen liegt. Wir würden nicht weiter in Richtung klassische Musik gehen, wir würden auch nicht weiter gehen wollen, als wir mit Walter Lang und Aya Murodate gegangen sind. Es gibt andererseits viele tolle Musiker, die uns interessieren. Drei Platten haben wir schon wieder im Kasten.” Tobias Böcker |
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