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Jazzzeitung

2004/05  ::: seite 12

deutsche jazzförderation

 

Inhalt 2004/05

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / News / break
musiker-abc:
Ed Xiques
no chaser:
Bach for Babies
jäzzle g'macht:
Blaue Stunde
farewell: Billy May // Die Jazzzeitung verabschiedet sich von ...


TITEL / DOSSIER


Titel: Paganini, Pumps & il cannone
Stationen einer Karriere: die Jazzgeigerin Regina Carter
Dossier. Diana Krall
Jazz ist blond. Blond ist Pop
Diana Krall hat ein neues Album


BERICHTE


Big Chris Barber Band in Ingolstadt // 4. Strings on Fire Festival in Leipzig // hr Big Band im Leipziger Gewandhaus // Jazznachwuchsfestival in der Moritzbastei // Roy Hargrove & RH Factor // Viktoria Tolstoy im Birdland // Dave Holland Quintet in Unterschleißheim


 JAZZ HEUTE


The shape of jazz to come
50 Jahre JazzStudio Nürnberg
DJF: Jazz-Hauptstadt Berlin?
Jazz & Blues Award bietet dem Jazz ein Forum


 PORTRAIT / INTERVIEW


Nils Landgren feiert mit ABBA // Oli Bott // Sun Ra // David Friedman


 PLAY BACK / MEDIEN


Pirouetten um Mainstream
Ein Münchener Label geht bewusst den Weg in die Nische des Jazz
CD. CD-Rezensionen 2004/05
Bücher.
George Wein erzählt
Bücher für Auge und Ohr. Giuseppe Pinos „Love My Jazz“ als earBOOK bei edel
Noten. Inspirierende Mitspiel-CDs und mehr
Instrumente. Korg CR-4 Multitrack-Recorder
Medien. link-tipps


 EDUCATION


Abgehört. McCoy Tyner und sein Passion Dance
Sounds vom Klassiker unter den modernen Pianisten

Kurse, Fortbildungen etc.


SERVICE


Critics Choice

Service-Pack 2004/05 als pdf-Datei (kurz, aber wichtig; Clubadressen, Kalender, Jazz in Radio & TV, Jazz in Bayern und anderswo (748 kb))

Jazz-Hauptstadt Berlin?

Jazz & Blues Award bietet dem Jazz ein Forum

Im August 2001 richtete die Jazzinitiative Berlin e.V. (JiB) den ersten „Jazz & Blues Award Berlin“ aus. Als man mich fragte, ob ich mit meinem Trio Night Train ins Rennen gehen wolle, war ich skeptisch, denn auch die JiB selbst stand damals noch am Anfang ihrer Arbeit und ihre Ziele waren und sind hoch gesteckt: der gemeinnützige Verein aus Veranstaltern, Musikern und Enthusiasten will die Berliner Jazzvielfalt bündeln und fördern, Musikern ein Podium bieten und zuallererst den Rahmen schaffen, in dem ein breiteres Publikum die reichhaltige Palette des Jazz in Berlin überhaupt erst wahrnehmen kann. Dieser Rahmen ist der Jazz & Blues Award, der dieses Jahr in seine vierte Runde geht – und mit ihm die JiB, die kontinuierlich arbeitet, um dieses Berliner Jazzereignis ihren Ansprüchen gerecht werden zu lassen.

2001 gingen also an zwei Abenden 14 Bands an den Start, die von Berliner Clubs oder Vereinen nominiert wurden. Dass von all den unterschiedlichen Formationen von traditionellem bis modernem Jazz in teilweise großen Besetzungen ausgerechnet das Trio Night Train mit geradlinigem straightahead Jazz den ersten Publikumspreis abholen konnte, war das persönliche Erfolgserlebnis der Band, aber weitaus wichtiger war der überraschende Erfolg der ganzen Veranstaltung. Mit erheblichem logistischem und finanziellem Aufwand hat die JiB die Abende realisiert und Night Train eine CD-Produktion ermöglicht. So etwas ist ohne Hilfe unmöglich: neben Spenden und Vereinseinahmen sind vor allem die Berliner Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur sowie die Köstritzer-Wernesgrüner Vertriebsgesellschaft als Hauptsponsor zu nennen. Beide haben auch die letzten Veranstaltungen und damit die Siegerbands unterstützt (2002 war das die Fusion Band Gondwana, 2003 das Manfred Dierkes Trio).

So vielfältig Jazz in Berlin ist, so flexibel muss die JiB das Konzept des Awards halten: 2003 wurde der Special Award „Big Band“ eingeführt, für den sich in einer Big Band Battle vorab drei Orchester für den finalen Wettbewerb qualifizierten. Dieses Jahr werden Blues Bands um den Special Award konkurrieren – welche von den über 20 Bewerbern dann am 24. September im Palais der Kulturbrauerei vor Publikum und Juroren antreten dürfen, wird im Mai in zwei Vorausscheidungen entschieden. Alle anderen Jazzbands (aller Stilrichtungen außer Blues), die den Combo Award am 25. September gewinnen möchten, können sich noch bis 31.Mai 2004 anmelden (Details unter www.jazzinitiative-berlin.de). Der Jazzpublizist, Radiomoderator und Bundesverdienstkreuzträger Karlheinz Drechsel wird beide Abende moderieren.

Aus eigener Erfahrung kann ich versichern: nicht nur für den Gewinner lohnt es sich (obwohl die Erstattung von Studio, Produktionskosten und GEMA sicher ein guter Grund ist, Ehrgeiz zu entwickeln – und nicht zu vergessen: die Ella-Statue als Siegertrophäe!).

Eines der erklärten Ziele der JiB ist es, Berlin als europäische Jazzmetropole zu etablieren, denn die 90er haben die hauptstädtische Szene erheblich vitalisiert. Das sah vor der Wende noch anders aus: Die beschauliche Inselwelt Westberlins brachte in den 80ern ein sehr eigenartiges, dumpf-schwüles Jazzbiotop hervor, das (von wenigen eigenwilligen Projekten abgesehen) auf mediokrem Mainstream-Niveau köchelte. In der Hauptstadt der DDR indes war Jazz oftmals ein Forum der Intellektuellen und die totale Freiheit der Improvisation ein Ventil für in anderen Bereichen angestaute Unfreiheit – während der Rest realsozialistischer Jazzer tapfer Dixieland spielte. Solche unterschiedlichen Wahrnehmungen von Jazz führten in den ersten gemeinsamen Jam-Sessions nach der Wende zu mitunter kuriosen musikalischen Ergebnissen.

Heute ist, was damals amüsant war, durchaus eine Bereicherung: die doppelte Anzahl an Clubs (trotz des viel zitierten Clubsterbens), gleich zwei Hochschulen, die Studiengänge für Jazz und Popularmusik anbieten, der Zuzug junger Studenten und etablierter Musiker aus Gesamtdeutschland und dem Ausland, kurz: die Szene lebt.

Jazz in Berlin ist ein facettenreiches Kuriosum, ein musikalisches Kabinett, in dem aber, so wird oft beklagt, die Musiker aneinander vorbeispielen, mögliche Synergien, die zu kreativen Explosionen führen könnten, nicht nutzen und das Miteinander sich eher auf Konkurrenz beschränkt.

Das aber liegt, so nüchtern es klingt, in der Natur der Sache. Wer Swing und Mainstream spielt, wird mit bestimmten Musikern häufig arbeiten und mit anderen niemals. Das ist kein böses Klüngeln, sondern normal. Ich habe großen Respekt vor den Musikern des experimentellen, stilübergreifenden Jazz, aber ich würde keinen von ihnen als Gastsolisten zu einem Night Train Konzert einladen. Daran hätte keiner Interesse, und das ist auch nicht schlimm. So gesehen gelten in Berlin dieselben Gesetze kreativer Osmose wie in New York: Musiker mit ähnlichen Leidenschaften und vergleichbarer Kompetenz finden sich und es bilden sich kulturelle Nischen geringer Durchlässigkeit. So einfach ist das. Jazz ist eine globale Sprache, die sich in viele Dialekte, Subcodes und Privatsprachen diversifiziert hat, so dass Verständigung in alle Richtungen schwierig ist. Und doch bildet die Summe dieser Berliner Nischen das Phänomen „Jazzszene Berlin“.

Diese Summe sichtbar und die verschiedenen Dialekte hörbar zu machen ist meines Erachtens ein großer Verdienst der JiB. Der Swingfan muss modernen Jazz nicht notwendig hassen. Vielleicht glaubt er das nur. Das nachhaltigste Erlebnis bei jedem der bisherigen Awards war die Begeisterungsfähigkeit des Publikums für alle Jazzformen von Oldtime bis Modern. Da kam an zwei Abenden hochkonzentrierter Jazzpräsentation sicher so manch eingefleischte Geschmackssicherheit ins Wanken und verwandelte sich in pure Neugier auf bislang ungehörte Sprachen des Jazz. Was will ein Jazzmusiker mehr?
Die Night Train Fans sind uns (so hoffe ich) nicht abtrünnig geworden, haben aber vielleicht ein oder zwei neue Lieblingsbands gefunden. Das freut mich genauso wie die Kollegen. Und wenn der alljährliche Jazz & Blues Award weiterhin sein zahlreiches Publikum findet, kann das für die Musiker Berlins und die Stadt selber nur gut sein.

Bernd Ratmeyer

Der 4. Jazz & Blues Award Berlin 2004 findet am 24. und 25. September im Palais der Kulturbrauerei, Knaackstr. 97, Prenzlauer Berg statt.
Kontakt und nähere Informationen im Internet unter www.jazzinitiative-berlin.de oder bei der Jazzinitiative Berlin e.V., Treskowallee 112, 10318 Berlin.

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