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Im August 2001 richtete die Jazzinitiative Berlin e.V. (JiB) den ersten
„Jazz & Blues Award Berlin“ aus. Als man mich fragte,
ob ich mit meinem Trio Night Train ins Rennen gehen wolle, war ich skeptisch,
denn auch die JiB selbst stand damals noch am Anfang ihrer Arbeit und
ihre Ziele waren und sind hoch gesteckt: der gemeinnützige Verein
aus Veranstaltern, Musikern und Enthusiasten will die Berliner Jazzvielfalt
bündeln und fördern, Musikern ein Podium bieten und zuallererst
den Rahmen schaffen, in dem ein breiteres Publikum die reichhaltige Palette
des Jazz in Berlin überhaupt erst wahrnehmen kann. Dieser Rahmen
ist der Jazz & Blues Award, der dieses Jahr in seine vierte Runde
geht – und mit ihm die JiB, die kontinuierlich arbeitet, um dieses
Berliner Jazzereignis ihren Ansprüchen gerecht werden zu lassen. So vielfältig Jazz in Berlin ist, so flexibel muss die JiB das Konzept des Awards halten: 2003 wurde der Special Award „Big Band“ eingeführt, für den sich in einer Big Band Battle vorab drei Orchester für den finalen Wettbewerb qualifizierten. Dieses Jahr werden Blues Bands um den Special Award konkurrieren – welche von den über 20 Bewerbern dann am 24. September im Palais der Kulturbrauerei vor Publikum und Juroren antreten dürfen, wird im Mai in zwei Vorausscheidungen entschieden. Alle anderen Jazzbands (aller Stilrichtungen außer Blues), die den Combo Award am 25. September gewinnen möchten, können sich noch bis 31.Mai 2004 anmelden (Details unter www.jazzinitiative-berlin.de). Der Jazzpublizist, Radiomoderator und Bundesverdienstkreuzträger Karlheinz Drechsel wird beide Abende moderieren. Aus eigener Erfahrung kann ich versichern: nicht nur für den Gewinner lohnt es sich (obwohl die Erstattung von Studio, Produktionskosten und GEMA sicher ein guter Grund ist, Ehrgeiz zu entwickeln – und nicht zu vergessen: die Ella-Statue als Siegertrophäe!). Eines der erklärten Ziele der JiB ist es, Berlin als europäische Jazzmetropole zu etablieren, denn die 90er haben die hauptstädtische Szene erheblich vitalisiert. Das sah vor der Wende noch anders aus: Die beschauliche Inselwelt Westberlins brachte in den 80ern ein sehr eigenartiges, dumpf-schwüles Jazzbiotop hervor, das (von wenigen eigenwilligen Projekten abgesehen) auf mediokrem Mainstream-Niveau köchelte. In der Hauptstadt der DDR indes war Jazz oftmals ein Forum der Intellektuellen und die totale Freiheit der Improvisation ein Ventil für in anderen Bereichen angestaute Unfreiheit – während der Rest realsozialistischer Jazzer tapfer Dixieland spielte. Solche unterschiedlichen Wahrnehmungen von Jazz führten in den ersten gemeinsamen Jam-Sessions nach der Wende zu mitunter kuriosen musikalischen Ergebnissen. Heute ist, was damals amüsant war, durchaus eine Bereicherung: die doppelte Anzahl an Clubs (trotz des viel zitierten Clubsterbens), gleich zwei Hochschulen, die Studiengänge für Jazz und Popularmusik anbieten, der Zuzug junger Studenten und etablierter Musiker aus Gesamtdeutschland und dem Ausland, kurz: die Szene lebt. Jazz in Berlin ist ein facettenreiches Kuriosum, ein musikalisches Kabinett, in dem aber, so wird oft beklagt, die Musiker aneinander vorbeispielen, mögliche Synergien, die zu kreativen Explosionen führen könnten, nicht nutzen und das Miteinander sich eher auf Konkurrenz beschränkt. Das aber liegt, so nüchtern es klingt, in der Natur der Sache. Wer Swing und Mainstream spielt, wird mit bestimmten Musikern häufig arbeiten und mit anderen niemals. Das ist kein böses Klüngeln, sondern normal. Ich habe großen Respekt vor den Musikern des experimentellen, stilübergreifenden Jazz, aber ich würde keinen von ihnen als Gastsolisten zu einem Night Train Konzert einladen. Daran hätte keiner Interesse, und das ist auch nicht schlimm. So gesehen gelten in Berlin dieselben Gesetze kreativer Osmose wie in New York: Musiker mit ähnlichen Leidenschaften und vergleichbarer Kompetenz finden sich und es bilden sich kulturelle Nischen geringer Durchlässigkeit. So einfach ist das. Jazz ist eine globale Sprache, die sich in viele Dialekte, Subcodes und Privatsprachen diversifiziert hat, so dass Verständigung in alle Richtungen schwierig ist. Und doch bildet die Summe dieser Berliner Nischen das Phänomen „Jazzszene Berlin“. Diese Summe sichtbar und die verschiedenen Dialekte hörbar zu machen
ist meines Erachtens ein großer Verdienst der JiB. Der Swingfan
muss modernen Jazz nicht notwendig hassen. Vielleicht glaubt er das nur.
Das nachhaltigste Erlebnis bei jedem der bisherigen Awards war die Begeisterungsfähigkeit
des Publikums für alle Jazzformen von Oldtime bis Modern. Da kam
an zwei Abenden hochkonzentrierter Jazzpräsentation sicher so manch
eingefleischte Geschmackssicherheit ins Wanken und verwandelte sich in
pure Neugier auf bislang ungehörte Sprachen des Jazz. Was will ein
Jazzmusiker mehr? Bernd Ratmeyer Der 4. Jazz & Blues Award Berlin 2004 findet am 24. und 25. September
im Palais der Kulturbrauerei, Knaackstr. 97, Prenzlauer Berg statt. |
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