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Christian Broecking stellt im Untertitel seines Beitrags (Jazz Zeitung 6/02, Seite 19) den verständlichen, doch vergeblichen Wunschgedanken auf: Jazz im Radio braucht Lobbyarbeit und Engagement. Wer über Jahrzehnte hin die Musikentwicklung im Rundfunk beobachtet hat, wird feststellen müssen und das ganz objektiv betrachtet: Jazz im Radio ist schlicht und ergreifend an seinen Verfechtern und seinen Jazz-Redakteuren in den Funkhäusern gescheitert. Christian Broecking zeigt auf den Ansatz in den 50er-Jahren: Joachim-Ernst Berendt wollte den Jazz aus der Off-Nische herausholen und ihn auf die großen Bühnen stellen. Im Zuge dieses zweifelsfrei anerkennenswerten Bemühens, das in den Jahren nach dem Nazi-Terror sicherlich auch unumgänglich war, kam es jedoch man kann es so sagen zu einem regelrecht unterwürfigen Bestreben, den Jazz als eine absolut mit der klassischen Musik gleichzusetzende Kunst abseits jeglichen Entertainments darzustellen (Jazz und Alte Musik). Damit schoben Berendt und seine Kollegen den damals zeitgenössischen Jazz auf ein immer elitäreres Gleis, drängten daneben rigoros den einst und auch damals noch lebendig-originär-traditionellen Jazz als primitive, nur noch geschichtlich und als abgeschlossen zu akzeptierende Vorstufe ein (ganz explizit Berendt in seinen Sendungen und in zahllosen Büchern). Sie taten den ursprünglichen und begeisternden Swing (Harry James, Benny Goodman, Lionel Hampton) als Tanzmusik ab und ließen somit die in den 50er-Jahren aufkommende angejazzte Top-Unterhaltungsmusik (Billy May, Sinatra etc.) als Kommerz nicht gelten, setzten dagegen auch vehement ihren Einfluss ein. Die Jazz-Historie mutierte daneben ganz schnell zur Selbstbedienungshalde für den Kommerz, im Rock-Pop-Bereich besonders deutlich zu spüren, und ernsthaft-aktive Jazz-Musik-Pflege wurde (und wird heute noch) von den Experten verächtlich gemacht was bei einer Fülle von wahrlich Unzulänglichem durchaus auch angebracht ist doch man befasste sich einfach nicht mehr damit, nahm wahre Könnerschaft nicht mehr zur Kenntnis, wenn sie denn nichts Neues mehr brachten (eine Einstellung, die übrigens die gesamte Klassik verdammen würde). Dabei sahen und sehen es solche Jazz-Verfechter nicht, dass genau diese Klänge, wie auch die bis in die Hit-Paraden eindringenden Semi-Jazz-Erfolge (Petite Fleur, Hallo, kleines Fräulein, Hello Dolly, Blueberry Hill), also Jazz for the people, eine weitaus erfolgreichere Werbung für diese Musik und ihre breitere Anerkennung als eigenständig-klassische Musikform waren, als die vornehmlich hochgejubelten und heute längst vergessenen Avantgarde-Versuche in pseudo-kammermusikalischen oder rein experimentellen Bereichen das, was von den Jazz-Redakteuren auch heute noch und nahezu ausschließlich als allgemein gültig für Jazz offeriert wird und das schlichtweg im Rundfunk-Tagesprogramm nicht angenommen wird. An dieser Haltung sind auch die lobenswerten Versuche mit reinen Jazz-Sendern gescheitert und als Beteiligter weiß ich, wovon ich rede: am puristischen Gehabe der Experten und Fans denn nur die hatten etwa in München und Hamburg die Energie und den sie treibenden Wunsch zu solchem Vorhaben. Doch dabei trat zwangsläufig der eingesogene Vorsatz in Kraft, mit vorgeblich absoluter musikalischer Qualität die Zuhörer mit der eigenen Erkenntnis zu belehren und zu beglücken. Bloß nichts Kommerzielles, nur die reine Jazz-Lehre hatte zu gelten und die Fraktionen unterschiedlicher Erkenntnisstände beharkten sich noch gegenseitig. Wer jetzt (in Hamburg und anderswo im Kabel zu empfangen) das Berliner Jazz-Radio hört, wird auch feststellen, dass dort eine auf absolut hohem Niveau stehende, durchgängig swingend-melodische Musik dargeboten wird (Hausnummer Pablo, Verve & Co.), doch dass dann spätestens nach einer Stunde, bei einigermaßen normal empfindender Menschen der dringende Wunsch entsteht: Bitte, bitte, einmal etwas anderes, einmal nur, was immer es auch ist. In der Folge bewirkte dieses jahrzehntelang anhaltende Agieren, dass der Jazz in seinen ursprünglichen vielfältigen Formen, wie er live heute noch ein weltweites und auch junges Publikum findet, im öffentlich-rechtlichen Rundfunk Deutschlands nicht mehr oder bestenfalls in homöopathischen Dosierungen verabreicht wird und zeitgenössische improvisierte Musik bestenfalls zu später Nachtstunde abseits jeder Messbarkeit. Namen wie Armstrong und Ellington sind inzwischen nur noch Aushängeschildchen, mit denen selbstverliebte Neutöner ihre nicht über den Tag hinausreichenden Experimente vielfach gebührenfinanziert am Zuhörer vorbei produzieren, und wie hier im Norden geschehen, Konzertbesucher wegen falscher Versprechungen (Tribut To Armstrong / Ellington) regelrecht vertreiben. Auch in anderen Ländern hat der Debilen-Pop gute Musik beiderseits der Klassik im Rundfunk verdrängt, hier aber besonders durchgreifend; so genannte Jazz-Specials haben immer noch Schulfunkcharakter, denen jegliche Freude abgeht und nicht nur im kommerziellen Klassik Radio längst anders verfahren wird. Es zeigte und zeigt sich in den Funkhäusern ganz eindeutig die Unfähigkeit der Jazz-Redakteure, mit dem swingenden Musikerbe dieses Genres verantwortlich und somit auch erfolgreich umzugehen. Immer noch wird mit den didaktischen Aspekten der 50er-Jahre und immer bierernst agiert, völlig publikumsferne Klänge werden vehement als heute allein gültig für den Jazz offeriert, und mit jedem experimentellen Versuch unter dieser Bezeichnung werden die Hörer vergrault und die Intendanten zu Recht abgeschreckt und das ungeachtet der Tatsache, dass etwa die Phono-Kaufhauskette World of Music (WOM) rund zehn Prozent ihres Umsatzes mit genau jenen Klängen macht, die ein im Rundfunk immer ignoriertes Potenzial der Hörer bevorzugt, nämlich mit den swingenden Klängen von Louis Armstrong, über Chris Barber, Oscar Peterson, Django Reinhardt bis zu Joja Wendt. In eigentlich bemerkenswerter Ausnahme hat sich jetzt das nordwest radio aus Bremen (ARD) in der Musik sowie in der Präsentation der Beiträge wieder erwachsenen Hörern zugewandt. Dort erklingt im Tagesprogramm Musik von Louis Armstrong, Ella Fitzgerald, George Shearing, Mel Tormé, John Pizzarelli, Blossom Dearie, Till Brönner, Klassik, purer Swing, Chansons alles in perfekter, hörerfreundlicher Mischung. Gerhard Klußmeier, Hamburg |
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