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Brasilien ist noch lange nicht Fußballweltmeister. Doch beim 14. Würzburger Afrika Festival, das am 2. Juni nach vier Tagen herrlichen Frühsommerwetters mit der Rekord-Zahl von rund 120.000 Besuchern und einem begeisternden Konzert von Angélique Kidjo zu Ende ging, war afro-brasilianische Musik Trumpf. Neben Trendsetterin Angélique Kidjo, die die Brasil-Vibes ihrer neuen Platte Black Ivory Soul (Sony) mit rasanten älteren Tanznummern kontrastierte, surfte vor allem der 35-jährige brasilianische Diplomaten-Sohn, Ex-DJ, Sänger und Gitarrist Wagner Pá bei seinem Deutschland-Debüt ganz oben auf der neuen Brasil-Club-Welle. Völlig entspannt, mit nacktem Oberkörper, freakigen verfilzten Rasta-Haaren, dabei mit neugierigen, wachen Augen hinter dunklen Brillengläsern grenzte sich Pá im Gespräch selbstbewusst von seinem Protegé Manu Chao ab. Meine Songs sind keine Container für politische Inhalte, das ist eher das Metier von Sergeant Garcia oder Mano Chao. Ich bevorzuge eher Experimente mit den poetischen und rhythmischen Facetten der Sprache, bestimmt Wagner Pá seine immer tanzbare Patchwork-Philosophie. Pá sieht sich genauso von zeitgenössischer Club-Musik seiner Wahlheimat Barcelona beeinflusst wie von klassischen Brasil-Songwritern wie Jorge Ben. Die rhythmischen Qualitäten seiner Musik, die er in Portuñol, dem Slang der brasilianischen Immigranten von Barcelona singt, sind enorm. Neben Voodoo-Rhythmiken aus Bahía beherrscht Wagner Pá (wie der amerikanische Genre-Urvater Beck ein großartiger Stil-Mischer) auch die anderen fünf Haupt-Trends des Festivals: HipHop in seinen kubanischen und afrikanischen Varianten (am Sonntag von Havannas Eléyó oder den Prophets of da City aus Kapstadt repräsentiert), zweitens New Reggae (zwischen HipHop und New Soul mit dem heftig bejubelten deutschen Aufsteiger des Jahres, Tilmann Otto alias Gentleman), drittens Club-Soul aus Afro-Germany (mit der bezaubernden Joey Denalane), viertens Musik aus Haiti (Marlène Dorcenta) und natürlich jede Menge kubanische Musik in allen Variationen. So kamen die Veranstalter dem anhaltenden Kuba-Boom mit ihrem neuen, stets randvollen Havanna Club entgegen. Dort, im stimmungsvollen Kuba-Zelt, in der Nähe der offenen Bühne bot man jetzt eine Alternative zum Reggae-Tanztempel neben dem Zirkuszelt am anderen Ende der Global Village-Main- street. Hier sang auch die in Berlin lebende Kubanerin Addys D´Mercedes. Glamourös auch der Auftritt von Burundis Suhaeli-Pop-Köngin Khadja Nin: Die setzte im Schlussdrittel ihres bejubelten Konzertes mit ihrer aus Jazz- und Klassik-Musikern zusammengewachsenen Band auf Roots und eroberte das Publikum im Sturm. Im Interview zeigte sich Khadja Nin (wie Wagner Pá Sproß einer Diplomatenfamilie) dementsprechend als sprachgewaltige Anwältin Afrikas und bekennender Miriam Makeba-Fan. Afrika ist einer der reichsten Kontinente, aber die Leute dort sind bitterarm, da stimmt doch was nicht, sagte Nin. Nach sechs Wochen in Burundi im November/Dezember vergangenen Jahres, wo auch während der Nacht geschossen und gemordet wurde sieht Nin kaum Hoffnung für ihr seit Jahren permanent krisenge- schütteltes Land. Ich habe niemals Krieg erklärt und ich weiß auch nicht, wie man ihn stoppt, antwortete sie brüsk auf eine Frage eines französischen Journalisten, der sich hartnäckig weigerte zu kapieren, dass eine Musikerin vor ihm saß und keine Afrika-Politikerin. Reinhold Horn
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