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Für den Gründer der Berliner Jazztage, Joachim-Ernst Berendt, war Jazz politische Musik. Von Anfang an. Von New Orleans an, von 1900 an nicht weil die Musiker es so gewollt haben fast 60 Jahre haben sie nahezu nichts davon geahnt , sondern weil ihre Musik in eine Gesellschaft hineintönte, die sich instinktiv zu ihr im Widerspruch und Widerstand fühlte und bis zu einem gewissen Grade auch weiterhin fühlt. Ob 1990 in der Auseinandersetzung mit dem neuen Kulturkonservativismus oder bereits 1953 im Streit mit Theodor W. Adorno, Berendt wollte den Jazz aus der Off-Nische herausholen und ihn auf die großen Bühnen stellen. Adorno mochte diese Musik nicht. Das hatte er bereits 1933 in der Europäischen Revue kundgetan, als er anlässlich des Nazi-Verbots, im Rundfunk Negerjazz zu übertragen, resümierte, dass der Jazz eh am Ende sei, so dass damit lediglich ein Stück schlechtes Kunstgewerbe, weder aber eine kulturbolschewistische Bedrohung, noch eine musikalische Dominanz der Negerrasse vor der nördlichen ausgemerzt würde. Als Berendt 1964 die ersten Berliner Jazztage organisierte, war er Redakteur des Südwestfunks. In Kooperation mit dem Bund, Berliner Senat, ZDF und ARD gelang es Berendt bereits zu Beginn der Jazztage eine Finanzstruktur zu entwerfen, die es sonst nur noch für die Bayreuther Festspiele gab. Damit erhielt der Jazz zum ersten Mal die gleiche Akzeptanz wie die großen klassischen Festivals. Bis heute hat sich daran nicht viel geändert, weiterhin wird das aus den Jazztagen hervorgegangene JazzFest Berlin von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten mitveranstaltet, im letzten Jahr steuerten sie 134.000 Mark zum Millionenetat bei. Der künstlerische Leiter stehe im kreativen Dialog mit den zwölf Jazzredakteuren des ARD-Gremiums, zu dem auch Deutschlandradio und Deutschlandfunk gehören, sagt der Sprecher des ARD-Jazzgremiums, Peter Kleiß, der beim Saarländischen Rundfunk für den Jazz zuständig ist. Dem ARD-Jazzgremium geht es um den Festivalevent und um senderelevantes Material, wobei die Definition der Kompatibilität von Sendeanstalt zu Sendeanstalt schwankt. Jazz muss nicht nur von der jeweiligen Wellenleitung geduldet werden, er braucht Redakteure, die Lobbyarbeit auf hohem Niveau betreiben. Entsprechend unterscheiden sich die Sendeplätze und Programme für Jazz bei den einzelnen ARD-Anstalten. Der Hessische Rundfunk veranstaltet und überträgt ein eigenes Festival, das in jüngster Zeit richtig erfolgreich ist. Beim Südwestrundfunk hingegen, dessen Vorläufer Berendt einst mitgründete, ist der Jazz im Taumel einer Senderzusammenlegung ins Abseits geraten. Ihno von Hasselt, Produktionsleiter des Berliner JazzFestes, bezeichnet das Interesse des Hörfunks am JazzFest zwar als konstant, während das Fernsehen das Sendeinteresse am JazzFest fast gänzlich verloren habe. Von Hasselt geht jedoch davon aus, dass auch die Hörfunkdirektoren ein eher mangelndes Interesse am Jazz haben und dazu tendieren, Jazz wie beim SFB - klein zu halten oder - wie beim ORB - abzubauen. In einer solchen Situation erscheinen auch noch so zaghafte Versuche als Hoffnungsschimmer: Erst kürzlich fand das erste Jazzkonzert in der Geschichte von Radio Kultur statt, das von dem von ORB und SFB gemeinsam veranstalteten Programm im Großen Sendesaal des SFB veranstaltet und live übertragen wurde. In Sparzeiten wie diesen kann der Jazz kurzfristig auch mal sendezeitmäßig zulegen, die Archive werden kräftig nach hauseigenen Big-Band-Produktionen durchforstet, die spärlichen Budgets für jazzjournalistische Beiträge gekappt. Doch die Popularität des Jazz gegenüber den vermeintlichen Quotenkillern: lange Wortstrecken und Neue Musik ist eine trügerische. Gleichwohl ist der Jazz auch zu unberechenbar, zu sperrig, zu lebensnah, um überalterte oder infolge der Gebührenverantwortung infrage gestellte Strukturen des Kulturradios zu legitimieren. Der Jazz braucht weder das museale Ambiente des erhobenen Zeigefingers, noch die seriöse Pop-Ecke als Qualitätsmaßstab. Der Jazz hat sich weiterentwickelt und ist, wie der Trompeter Lester Bowie sagte, eine experimentierfreudige und lebendige Musik geblieben. Ein engagiertes Kulturradio kann davon gar nicht genug bekommen. Christian Broecking Reaktionen |
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