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Kein Vergleich mit elitären Jazz Festivals in Europa. Nichts für deutsche Puristen. Vielmehr ein riesiges Volksfest mit Fun and Food, auf dem dennoch die Musik die Hauptrolle spielt, auf elf Bühnen gleichzeitig, mit Cajun and Zydeco, Gospel und Blues, Klezmer und Indianertänzen und selbstredend mit Jazz aller möglichen Stilrichtungen, von klassischem New Orleans und Dixieland über satte Big-BandPower, Bebop und Hardbop bis zu Mainstream in moderneren Versionen. Das alles und viel mehr bietet das New Orleans Jazz and Heritage Festival, das an zwei Wochenenden Ende April, Anfang Mai in diesem Jahr zum 33. Mal in der Geburtsstadt des Jazz stattfand. The day was hot, but the music was hotter, schrieb die lokale Tageszeitung The Times-Picayune über den Auftakt. Die strahlende Sonne, die das Thermometer auf 85 bis 90 Grad Fahrenheit (entspricht etwa 30 Grad Celsius) klettern ließ, heizte die Stimmung der beide Wochenenden zusammengerechnet halben Million Besucher der Fair Grounds, der 130 Jahre alten Rennbahn vor den Toren der Stadt, zeitweise bis zum Siedepunkt auf. In den fünf Großzelten war es nicht weniger, nur anders heiß als in der prallen Sonne vor den Open Air Stages.
Doch wenden wir uns dem Jazz zu. Der Fan hatte wegen der gleichzeitigen Auftritte attraktiver Bands oft die Qual
der Wahl, so am ersten Samstag zwischen Lenny Kravitz, dem Wayne Shorter Quartett oder auch Sam Butera, dem alten
Weggefährten von Louis Prima. Für die tausende von Fans, die am Nachmittag des ersten Sonntag sich vor der
Congo Square Stage drängten oder auf dem Rasen niedergelassen hatten, um den local hero Wynton Marsalis
mit seinem Sextett zu hören und zu sehen, war der gleichzeitige Auftritt der Heath Brothers (Tenorist Jimmy,
Bassist Percy und Drummer Albert) keine Alternative, und dennoch war auch das Jazz Tent, in dem die Brüder mit
ihrem Quintett gepflegten Be- und Hardbop spielten, proppenvoll. Ja, und dann hieß es schon wieder, sich einen Platz im Jazz Tent zu ergattern, um nicht den Auftritt des Count Basie Orchesters zu verpassen, das mit einem zurzeit beliebten Tribute to Ella, diesmal der eigentlich als Country-Sängerin bekannten Patti Austin, angekündigt war. Nicht schlecht, aber der erste Teil des Konzerts ohne Patti war der eindrucksvollere: angetrieben von dem unermüdlichen, explosiven Drummer Butch Miles, der noch bei Count gespielt hatte, und geleitet von Counts zeitweiligem Lead- und Solo-Posaunisten Grover Mitchell legte die Band einen Power House Auftritt par excellence hin, mit unübertroffener Perfektion, vollendetem Timing und ausgezeichneten Solisten. Wer nicht den ganzen Tag auf den Fair Grounds verbringen und einen Stadtbummel einlegen wollte, brauchte auf Musik, insbesondere Jazz nicht zu verzichten. Buchstäblich an jeder Ecke, in fast jedem Café und in vielen Kneipen und Restaurants spielten kleinere Bands, zumeist Traditional oder Mainstream, überwiegend auf gutem Niveau. Oder plötzlich stand man am Jackson Square vor einer HighSchool-Big-Band mit perfekten Swing-Arrangements. Oder der Konzertpavillon am Mississippi Embankment wurde von einer an die hundert junge Musiker umfassenden High-School-Brass-Band besetzt, die aus Georgia zum Festival angereist war und hier für ihren Auftritt am nächsten Tag auf den Fair Grounds probte, zur Freude der Spaziergänger und Passanten. Und dann konnte es auch passieren, dass einen die Neugier in den New Orleans Jazz National Historical Park trieb, der einmal ein Park werden soll und vorerst nur aus einem kleinen Konzertsaal besteht, und man sieht zu, wie gerade ein kleiner Junge auf den Klaviersessel klettert, um begleitet von Bass und Schlagzeug ein swingendes Satin Doll hinzulegen, eigene Kompositionen nachzulegen, kurz: ein komplettes Konzert zu bestreiten. Der neunjährige Matt Savage, in Boston Klassik und Jazz studierend, von Dave Brubeck mit Lobesworten bedacht, ist eine Art Wunderkind des Jazz, der mit seinen beiden väterlich besorgten professionellen Sidemen bereits Tourneen bestreitet und sogar schon zwei CDs veröffentlicht hat. Man kann nur hoffen, dass dieses Talent nicht zu frühzeitig verheizt wird, dann könnte die Jazz-Welt in vielleicht zehn Jahren einen großen Pianisten gewonnen haben. Fazit: New Orleans in den Tagen des Jazz and Heritage Festivals bietet etwas anstrengend und für den Fan aus Europa alles in allem auch nicht gerade billig real great music in einem unvergleichlichen Fluidum. Dietrich Schlegel |
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