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Wohl selten ist eine Musik zu hören, die Intelligenz und Unterhaltsamkeit in derart beeindruckender und den Zuhörer mitreißender Weise miteinander verbindet wie im Falle des Moscow Art Trios. Zum Konzert in der Unterkirche der Frauenkirche konnte sich jeder von der exzellenten Qualität der Musik, von der ansteckenden Spielfreude der Musikanten und vom grenz- und stilüberschreitenden Programm der drei überzeugen. Hier floss, virtuos musiziert, Kammermusikalisches aus dem Stilreservoire des 19. Jahrhunderts, jazzige Improvisationen, vertrackte, an Bop erinnernde Themen und ganz besonders Folklore aus dem rumänischen, moldawischen, skandinavischen und russisch-sibirischen Raum zu einem begeisternden Konzerterlebnis zusammen. Bereits nach dem ersten Auftritt des Trios in Dresden, 1996 im Jazzclub Tonne, schrieb eine Dresdner Zeitung euphorisch: Unglaublich!
Seither haben sich die drei Musikanten in vielfältiger Weise perfektioniert, was aber auch bedeutet, dass einige ihrer Songs längst den Status eines Quasi-Hits erhalten haben. Das scheinbar einschränkende quasi weist hier natürlich auf ganz andere, höhere Qualitäten als die einfacher Kassenschlager hin nachzuvollziehen anhand des frappierenden Solos Misha Alperins, der im Rückgriff auf eine seiner älteren, einst für Trio arrangierten Kompositionen, Wild Village Dance, einen pianistisch-stimmlichen Solo-Parforce-Ritt mit allen rhythmisch-metrischen Finessen vollführte. Raffinierte Taktverschiebungen in höchstem Tempo, mal überholte die rechte Hand die linke, dann wieder umgekehrt, rhythmische Schein-Stolperer, darüber ein irrlichternder Falsett-Gesang, der immer mal wieder das hitverdächtige Thema durchblitzen ließ das faszinierte Publikum hielt gebannt den Atem an, um dann in eine Jubelorgie auszubrechen. Hitverdächtig im musikantisch allerbesten Sinne war auch die raffiniert auf Melodica, Ochsenhorn-Tuten (eine Art folkloristisches Rohrblattinstrument, das wie eine Blockflöte gespielt wird) und Flügelhorn dargebrachte Komposition Wedding in the wild forest, die von Anfang an zum Standardrepertoire des Moscow Art Trios gehört. Frappierend war, wie homogen die drei Musikanten drei musikalische Welten zu einem Hohelied auf Musik verschmolzen: Klassik schlechthin (Shilkloper), moldawisch beeinflusster moderner Jazz (Alperin) und uralte, lebensgierige russische Folklore (Starostin). Da stimmte sowohl rhythmisch als auch klangfarblich jede Nuance, alles war locker und wie aus dem Handgelenk durchgespielt. Als Multi-Instrumentalisten konnte jeder alles Alperin trommelte auf dem Klavierdeckel oder mit verschieden dicken Plastikschläuchen auf eine Unterlage und wummste den Rhythmus auf dem Bühnenboden, Starostin sang wie ein russischer Gott aus dem Donkosaken-Chor, bewältigte mühelos alle schamanistischen Stimmvariationen und die halsbrecherischsten Intervalle, Shilkloper quietschte melodische Floskeln auf seinen Mundstück-Resten - und Sekunden später verwandelte sich durch die warmen Sounds seines Flügel- und seines Waldhorns ein sibirischer Ritualsong in ein wehmütiges Stück klingender Romantik. Und wie rhythmisch-melodisch beweglich Shilkloper dann auch noch das Alphorn handhabte, gab dem Konzert einen zusätzlichen Höhepunkt. Hinsichtlich der Band-Biografie ist interessant, wie das Moscow Art Trio entstanden ist. Weil Arkadi Shilkloper einst als Hornist Mitglied des Orchesters des berühmten Bolschoi-Theaters und dann des Moskauer Philharmonischen Orchesters krisenbedingt nur noch schwer Arbeit fand, begann er auf dem freien Markt der Musikszene zu arbeiten, lernte dadurch Misha Alperin kennen, der sich innerhalb einiger Jazzbands mit der Synthese zwischen russischer und moldawischer Folklore und Jazz beschäftigte. Gemeinsam trafen sie auf den Folklore-Kenner Sergej Starostin das Moscow Art Trio war geboren. Mathias Bäumel |
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