Anzeige |
|
|
Anzeige |
|
Ende der 40er-Jahre schrieb Duke Ellington seinen Titel Come Sunday. Zu einer Zeit, in der die Swing-Clubs im Nachkriegseuropa wie Pilze aus dem Boden schossen. Und der Zeitgeist trieb der Clubszene jede Menge Fans zu. Wenn allerdings heute Szenekultur initiiert wird, ist das meist eine Sache haarscharfer finanzieller Kalkulation, immer knapp am Abgrund. Wie etwa bei dem Projekt Come Sunday, dem jährlichen Jour Fixe, den das Münchner Kulturreferat als Tagesworkshop im Münchner Kulturzentrum Einstein veranstaltet. Und wenn es so liefe, wie es nach dem derzeitigen Stand aussieht, hätte Come Sunday am 5. Mai tatsächlich das letzte Mal stattgefunden. Entweder werden die Einstein-Keller zugemacht, oder es gibt ein tragfähiges Konzept, resümiert Münchens ungeliebte Kulturreferentin Lydia Hartl, die von der bisherigen soziokulturellen Mischnutzung im Einstein wenig beeindruckt ist.
Christoph Höfig, ihr Mitarbeiter vom Fachgebiet Jazz, hält immerhin die Fahne hoch für die freie Musikszene, die hier einen einzigartigen Ort zum Arbeiten, Proben und Konzertieren gefunden habe. Die Eindrücke, die man als Zuhörer des Come Sunday-Workshops bekommen konnte, geben ihm da zweifelsohne Recht. Denn das diesmal eingeladene 17-köpfige Italian Instabile Orchestra sorgte in vier Konzerten zwischen 11 und 21 Uhr für spannende Jazzexkursionen auf hohem Niveau. Und wenn es in der Musikwelt irgendwelche Klischees über Italien gibt (und davon gibt es sicher nicht zu wenige), dann räumte dieses erfrischend witzige Musikerkollektiv damit einmal gründlich auf. Im Italian Instabile Orchestra scheint alles Platz zu haben: die traurige Melodie von Violinist Renato Geremia, zu der Posaunist Sebi Tramontana leise grummelt und palavert. Das klingt wie Filmmusik zu einem Streifen, in dem ein von seiner Frau verlassener Zampano einsam die Straße herunter trottet. Doch schon ist Gianluigi Trovesi mit einem schrillen Klarinettensolo zur Stelle, um solche Art von Rezeption zu unterbrechen. Das Programm ist instabile, nichts ist beständig, alles möglich. Es ist faszinierend, wie rasant und clownesk diese seit zwölf Jahren bestehende Formation Stilistik, Klangfarbe und Ausdruckshaltung zu wechseln vermag. Da gebärden sich die Italiener als glamouröse Umzugskapelle im New-Orleans-Stil, bevor sie in bizarr-anarchische Freejazz-Exkurse ausbrechen. Aber bei allem kreativen Chaos ist doch immer der kollektive Geist zu spüren und die tiefe humane Idee des Jazz. So klang der fulminante Konzerttag mit einer afrikanischen Hymne aus. Und der Blick in die voll besetzten Reihen der Echtzeithalle zeigte, dass sich Come Sunday mittlerweile in der europäischen Jazzszene einen Namen geschaffen hat. Es wäre eine Schande für die Münchner Kulturszene, wenn es in Zukunft für solche Projekte kein Einstein mehr gäbe! Noch ist ein dementsprechender Beschluss des Stadtrats für die Zukunft nicht gefallen. Und Lydia Hartl hat immerhin die Idee, dem Gremium noch vor der Sommerpause ein qualitätsorientiertes Förderungsmodell vorzuschlagen, das der mittellosen freien Musikszene im Einstein unter bestimmten Voraussetzungen Starthilfen verspricht. Oberbürgermeister Christian Ude ist ihr gewogen. Und auch die Stadtkämmerei, die das Geld zu geben hat, zieht mit, unter dem Vorbehalt, dass Hartl den Stadtrat bei der nächsten Kulturausschusssitzung zu überzeugen vermag. Das aber wird kein Leichtes sein, denn die parteilose Hartl hat in den Reihen der regierenden SPD genügend Antipoden, die das Einstein lieber als Lokalität aparter Events sehen möchten, denn als progressiv-kreativen Szenetreff. Ulrich Möller-Arnsberg |
|