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Zusammen mit Benny Carter (geb. 1907) und Lionel Hampton (geb. 1908) gehört Artie Shaw zu den letzten Überlebenden der Swing-Ära. Anders als seine bis in die jüngste Zeit aktiven Kollegen zog sich der 1910 in einfachste Verhältnisse hineingeborene Shaw vor fast einem halben Jahrhundert aus dem Musikgeschäft zurück. Damit er vor eventuellen Comeback-Versuchungen gefeit war, legte er dabei auch für immer die Klarinette aus der Hand, die er virtuos und beseelt spielte wie kein Zweiter. Nicht etwa, dass er von der Musik genug hatte ganz im Gegenteil. Aber der geschäftliche, genauer: kommerzielle Aspekt widerte den intellektuellen Antipoden Benny Goodmans zunehmend an. Hier finden wir den ersten Widerspruch in seiner an Ungereimtheiten nicht armen Karriere: Der Name Shaw besaß zwar seit dem Verkaufsschlager Begin The Beguine (1938) eine enorme Zugkraft und setzte durch Plattenverkäufe, Radioübertragungen oder Tourneen Unsummen um. Gleichzeitig verachtete Shaw die Massen, die ihn zum Millionär machten, für ihre musikalische Anspruchslosigkeit und ihr geringes Unterscheidungsvermögen. Wahrscheinlich aus ähnlichen Motiven ließ sich Shaw im Laufe seines langen Lebens von acht Ehefrauen scheiden, darunter immerhin Ava Gardner und Lana Turner. Etwa ebenso oft löste er seine Big Bands auf der Höhe ihres Erfolgs auf. Er entfloh den Starruhm, aber eben diese Fluchtbewegungen erzeugten mehr Publicity, als wenn er sich weiter im Scheinwerferlicht gesonnt hätte. Shaw ist ein unersättlicher Leser seine Kenntnisse quer durch die Weltliteratur waren schon früher so legendär wie seine Klarinettenkünste. Also reizte es ihn, selbst zur Feder (und später zum Wordprozessor) zu greifen: 1952 erschien The Trouble with Cinderella, eine Mischung von Autobiografie, Roman, Essay und Gesellschaftsanalyse; das zum zweiten Lebensinhalt gewordene Nachfolgewerk war schon vor Jahren über die 1.000-Seiten-Marke hinaus angeschwollen. Immerhin hat sich Shaw in den 80er-Jahren noch einmal zur Leitung einer Big Band hinreißen lassen die einzige musikalische Aktivität, die er in seinem bei BMG vorgelegten, klingenden Selbstportrait nicht berücksichtigt hat. In dieser erheblichen Erweiterung der für die CD Personal Best vorgenommenen Auswahl kommen neben Studioaufnahmen für Brunswick (193637), RCA Victor (193845) und Musicraft (1945/46) eine Reihe späterer Titel vor, an denen Shaw die Rechte besitzt. Sie gehören zu den musikalisch ergiebigsten eine feurige, schon vom Mambofieber erfasste, Bop-orientierte Big Band von 1949/50 und die letzten, in ihrer Zurückhaltung auf Jimmy Giuffre vorausweisenden Dokumente der Gramercy Five von 1953/54, entweder ein Quintett mit Gitarre und Rhythmusgruppe, oder ein Sextett mit zusätzlichem Vibraphon, das schon in den Vierzigern durch ein Cembalo anstelle des Klaviers aufhorchen ließ. Wem das zu intim klingt, der findet unter den 95 Titeln 20 mit satter, hollywoodesk anmutender Streicherbesetzung und ein Dutzend fabelhafter Live-Mitschnitte vom Ende der 30er- Jahre, welche die Studioversionen in den Schatten stellen und die Stimmung der Swing-Ära auf ihrem Siedepunkt einfangen. Trotz der Materialfülle spiegelt die sechsstündige Auswahl aus achtzehn Jahren deutlich Shaws Vorlieben wider sie berücksichtigt auffallend wenige Gesangstitel und Tagesschlager, umso mehr den Arrangeur, Gelegenheitskomponisten und Starsolisten Shaw, neben dem nur noch der Glanz der Swing-Trompeter Billy Butterfield, Hot Lips Page und Roy Eldridge bestehen kann. Der einzige Schwachpunkt dieser Edition betrifft die äußere Präsentation: Die zu groß dimensionierte Box passt in kein handelsübliches Regal, man bekommt die CDs kaum aus den unansehnlichen Papphüllen, nirgends findet sich eine kompakte Übersicht über die enthaltenen Titel, und die umfängliche, mit Shaws eigenen Kommentaren versehene Begleitbroschüre klappt andauernd von selber zu. Mátyás Kiss CD-Tipp
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