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Alter ist weder ein Verdienst noch eine Schande. Verdienst ist allenfalls, was aus den Jahren geworden ist. So ist ein runder Geburtstag allemal ein Anlass zur Zwischenbilanz. Eine solche bemisst sich an der zu Grunde gelegten Bewertungsskala. Zuweilen bleibt diese dem oberflächlichen Blick verborgen, der vielleicht und in unseren Tagen umso mehr die große Welt, die Big Deals, den quantitativen Erfolg sucht. Für Franz Dannerbauer, dessen Geburtstag sich am 2. Juli zum fünfzigsten Mal jährt, treffen andere Kriterien zu: Konsequenz, Beharrlichkeit und Stehvermögen, ein wacher kritischer Blick für die politischen Zusammenhänge des Lebens und ein hohes Maß an innerer Freiheit zeichnen den Bassisten aus, der seit 1980 mit seiner Music Liberation Unit den Geist des großen Inspirators Charles Mingus nach Oberbayern verpflanzte und auf diesem festen Wurzelstock sein eigenes uvre begründete. Zählbares Ergebnis bisher: zwei LPs in den 80ern, drei CDs in den 90ern, allesamt in der Gunst der Kritik ebenso hoch eingeschätzt wie sein zur Jahrtausendwende erschienenes Video Melodien der Berge, das jüngst auf Videofestspielen in Wien gezeigt wurde und zumindest gute Chancen auf eine bundesweite Ausstrahlung im Fernsehen hat (Rezension JZ 1-01). Die Eingangssequenz ist vielleicht programmatisch für Dannerbauers Schaffen: Zu einem einsamen Bass-Intro geht der Mann seinen Weg über die leicht verschneiten sanft hügeligen Wiesen des oberbayerischen Voralpenlandes, sichtlich dort daheim und erdverwurzelt. In Bayern bei Ebersberg lebt er bewusst auf dem Land und in der Landschaft, an der er hängt in einem alten Bauernhaus, wo er seine Ruhe hat, arbeiten kann, wann er will, keine Nachbarn in ihrer wohlverdienten Ruhe stört und seinem Sohn ein intaktes Umfeld bieten kann. Die Idylle scheint stimmig, aber in der Luft liegt eine Spannung, die im Film förmlich explodiert in einen glasklaren Bläsersatz hinein: Boogie For You. Franz Dannerbauer liebt die Gegensätze, die Komplexität, das Unerwartete. Seine Kompositionen bauen weite Bögen, die erst durchmessen werden wollen, bevor sie sich erschließen in ihren vielgestaltigen Stimmungswechseln. Das Leben ist eben doch kein langer ruhiger Fluss und so spiegeln die häufig autobiografisch aufzufassenden Kompositionen Dannerbauers Tempowechsel, Dynamik, zuweilen Dramatik und Krise. Unüberhörbar setzt die Dannerbauersche Liberation Unit ein kritisches Gegengewicht zu einer allzu stimmigen Auffassung der Gegebenheiten, dessen Format weit über regionale Kuscheligkeit hinausweist und so weit jenseits möglichen Schubladendenkens liegt, dass man schon eine eigene Schublade schreinern müsste für den Kategorienschrank. Franz Dannerbauer ist ein Unikum und besitzt nicht nur für die bayerische Jazzszene eine echte Alleinstellung. Tobias Böcker
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