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Blockflöte halten Mami und Papi meist für geeignet. Oder vielleicht Geige. Aber Schlagzeug? Auf die Idee, ihre kleine Tochter hinter Trommeln und Becken zu stecken, sind wahrscheinlich noch nicht allzu viele Eltern gekommen. Nun gut, in Terri Lyne Carringtons Fall waren die Voraussetzungen ein wenig anders: der Vater verdiente den Lebensunterhalt für seine Familie als Saxophonist. Und wie wir alle wissen, ticken Jazzmusiker nun mal einfach nicht ganz normal.
Sein Sprössling saß also schon mit zarten sieben Jahren an einer Schießbude und stellte sich mit Stöcken und Besen so geschickt an, dass bald die Kunde vom Wunderkind die Runde machte. Während Terri Lynes Schulkameradinnen mit Puppen ihre Freizeit teilten, Hula-Hoop-Reifen schwangen, sich mit Hinkelstein oder Gummitwist vergnügten, spielte die Nachwuchs-Drummerin mit Dizzy Gillespie, Oscar Peterson, Rahsaan Roland Kirk, Elvin Jones, Joe Williams, Betty Carter oder Illinois Jacquet. Als Kind ist man nicht vorbelastet, denkt nicht über technische Aspekte oder sonstige Grundlagen des Musizierens nach, sondern tut einfach, was einem Spaß macht. Von mir ist überliefert, dass ich als Kind immer gesagt haben soll: Jazz macht mich glücklich, sagt die heute 37-Jährige und rotzt ein gigantisches Taschentuch voll. Schrecklich! Ich darf gar nicht daran denken, dass ich heute Abend singen muss. Während viele Kinderstars ihr Show-Äffchen-Image nie mehr los werden, war bei Terri Lyne schon von Anfang an klar, dass sie zu Größerem bestimmt war als zur Effekthascherei. Anders wäre es wohl auch kaum zu erklären, dass das aus der Nähe von Boston stammende Fräulein Carrington mit 11 bereits ein Stipendium für Berklee erhielt und mit 16 sogar ein eigenes Quartett anführen durfte, zu dem Saxophonist George Coleman, Pianist Kenny Barron und Bassist Buster Williams, also lauter Big Names des Jazz gehörten. Ihr Kollege und Mentor Jack DeJohnette überredete sie 1983 nach New York zu gehen. Im Big Apple wurde sie auch gleich nach ihrer Ankunft zur gefragten Sidewoman. Sogar die eine oder andere Legende klopfte bei ihr an oder ließ sie vorspielen. Wayne Shorter erzählte mir 1987 einmal: Ich hatte zwei Tage für eine Schlagzeuger-Audition angesetzt und war am Ende wirklich ziemlich geschafft. Terri Lyne war die letzte, die dran war. Sie kam rein, setzte sich, haute nur einmal auf die Snare (er imitiert den Sound mit weit aufgerissenen Augen) und da wusste ich bereits: Hey, das ist genau, wonach ich gesucht habe. Auch zahllose andere Musiker fanden in Terri Lyne Carringtons Spiel die perfekte Mischung aus Power und Sensibilität. Von Pat Metheny, Stan Getz, James Moody, Dianne Reeves oder David Sanborn kamen über lange Phasen Gehaltsschecks. Dann entschloss sie sich 1989 nach Los Angeles zu gehen, wurde Stamm-Trommlerin der Show des Komikers und TV-Talkmasters Arsenio Hall und mischte auch bei anderen beliebten Fernsehproduktionen mit. Im Jahr ihrer Umsiedlung von einer Küste zur anderen nahm sie ihr erstes, mit Stars gespicktes Solo-Album Real Life Story auf. Dreizehn Jahre sollte es dauern, bis ein Nachfolgewerk in die CD-Läden gestellt wurde. Nun schmückt Jazz Is A Spirit (ACT 9408-2) die Neuheiten-Regale. Für die Aufnahmen trommelte Frau Carrington reichlich Prominenz zusammen: Malcolm-Jamal Warner (Der Theo aus der Bill Cosby Show) ist mit einem Spoken Word-Beitrag und am Bass zu hören, die Trompeter Wallace Roney und Terrence Blanchard, Saxophonist Gary Thomas, Gitarrist Kevin Eubanks, Bassist Bob Hurst und Percussionist Darryl Muyungo Jackson haben sich auf der CD ebenso verewigt wie Terri Lynes derzeitiger Arbeitgeber Herbie Hancock. Das Album bietet neben inspirierten Eigenkompositionen im stilistischen Bereich ein funkelndes Kaleidoskop moderner Jazzformen. Eigentlich mag ich es nicht, wenn Jazz als Begriff oder Stil definiert wird denn: was sagt das schon aus? Der Jazz wurde zu häufig intellektualisiert, was zwar auch seine Berechtigung hat, aber nicht, wenn es sich nur darauf beschränkt. Bei einer Podiumsdiskussion hörte ich Abbey Lincoln den Satz Jazz Is A Spirit sagen, und er leuchtete mir sofort ein. Ich finde, Gefühle sind eine starke Energieform, die sich ohne Umwege in Musik umwandeln lässt. Erst der Geist oder die Beseeltheit oder das Gefühl geben der Musik Leben. Zu viele Musiker spielen nur Noten, hinter denen nichts steckt. Auffällig ist, dass Terri Lyne Carrington auf ihrer CD nicht denselben Fehler begeht wie viele ihrer Kollegen, die sich auf eigenen Produktionen aus ihrer sonstigen Hintergrundrolle befreien und dann permanent und ohne Rücksicht auf Verluste die Sau rauslassen. Von kurzen Einlagen abgesehen, etwa einem 1984 dokumentierten, von Papa Jo Jones kommentierten Solo, zeigt sich die Schlagzeugerin äußerst gruppendienlich. Die Musik steht an erster Stelle. Das Spielen selbst soll ja nur dazu dienen, den Song oder eine Idee richtig herüberzubringen. Ich mag Interaktion lieber, als mich in den Vordergrund zu trommeln. Das Programm von Jazz Is A Spirit stellt Terri Lyne Carrington nun mit einem live bereits erprobten All Star-Personal auf deutschen Bühnen vor. Einzige Umbesetzung gegenüber der vorigen Tournee: statt Geri Allen spielt jetzt Rachel Z. Keyboards. Ansonsten ist Gary Thomas an den Saxophonen zu hören, Nguyên Lê spielt Gitarre und Carringtons Kollege aus der Hancock-Band, Matt Garrison (der Sohn von Jimmy Garrison) liefert die tiefen Töne. Ssirus W. Pakzad (auch Foto) Tourtermine
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