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Ein Neobop-Feuerwerk der Extraklasse lieferten Irvin Mayfield und seine Band im Neuburger Birdland ab. Die fünf Youngster legten einen mitreißenden Gig voller Spielfreude und Leidenschaft ins Gewölbe des Jazzkellers, aus dem sie das Publikum erst nach mehreren Zugaben entließ. Irvin Mayfield, der Primus inter Pares, Ziehsohn von Wynton Marsalis, ist ein Trompeter von selten gesehener Brillanz. Auf insgesamt acht CDs hat er sich bislang unter eigenem Namen oder als Leader der kultverdächtigen Los Hombres Calientes verewigt. Nach diversen punktuellen Gigs in Deutschland das erste Mal 1992 im zarten Alter von 14, im Jahr 2000 wurde er bei den Ingolstädter Jazztagen schier bejubelt kam es nun im Rahmen der Rising Star-Serie zu einer ausgedehnten Tour durch die Clubs der Republik. Allein die minutenlangen Linien, die Irvin Mayfield mithilfe perfekter Zirkularatmung ohne abzusetzen in atemberaubendem Tempo aufbaut, erregen Erstaunen und Begeisterung. Der junge Mann jagt in phänomenalem Tempo und mit elefantösem Gedächtnis durch seine Soli. Immer am Rand der Extreme entlang legt er die Themen auseinander in einem Parforceritt, der den gestreckten Galopp ebenso kennt wie er halsbrecherische Wendungen scheinbar mühelos zu vollziehen scheint. Seine Linien sind von schier unglaublicher Dichte und Intensität, bestechen nicht allein durch Artikulation und innovatorische Kraft, sondern durch reife musikalische Persönlichkeit. Da mag man dem phänomenalen jüngsten Professor der University of New Orleans seine erst 24 Lenze kaum glauben. Die technische Perfektion ist für Mayfield nirgends Selbstzweck, sie steht im Dienst der Auseinandersetzung mit großen Emotionen: Seine Kompositionen über die großen Liebespaare der Literaturgeschichte von David & Bathsheba bis zu Othello & Desdemona sind unterlegt mit Reflexionen über Illusion, Obsession und das Ende der Liebe: The Denial. Verblendung und Betrug, Zärtlichkeit und Eifersucht, Verwirrung und Leid, Bitternis, Blues und die zage Hoffnung auf Erlösung strömen aus Mayfields Trompete mit einem hohen Maß an tief empfundener Authentizität und einer gehörigen Portion Understatement: Nähe und Distanz, Emotion und Intellekt zugleich. Mit Aaron Fletcher an Sopran- und Altsaxophon, Dick Johnson am Piano, Edwin Livinston am Bass und dem unwiderstehlichen Jaz The Animal Sawyer am Schlagzeug kann das Irvin Mayfield Quintet als Creme de la Creme unter den Newcomerbands gelten: Jung, smart, hip und in jeder Hinsicht perfekt. Keiner der fünf ist älter als 25 Jahre, keiner steht dem anderen irgendwie nach. Jeder kann zu jedem Zeitpunkt die Führungsrolle übernehmen in einem vollkommen harmonierenden Team, ergreift sie auch in organisch atmendem Wechsel und empathischem Mitwirken am Ganzen, dessen Vision strahlend hell inmitten des Raumes steht. Sie wissen, was sie können, und sie haben Freude an dem, was sie tun. Keine Sekunde lässt die Spannung nach an diesem Faschingsfreitag in Neuburg, in den unversehens neben hippem Neobop auch ein Hauch von New Orleanser Mardi Gras hineinweht. Da kann über die Neobop-Bewegung gelästert werden wie will, an den Thesen des Marsalis-getränkten Traditionalismus gerüttelt werden wie immer notwendig wenn die Tradition in den Händen derart smarter Youngster zum Leben erweckt wird, bleibt unmissverständlich: Sinn der Tradition ist es nicht, die Asche zu bewahren, sondern die Flamme weiterzutragen. Da fallen Tradition und Fortschritt dann fast in eins, zumal das Irvin Mayfield Quintet jeden Anflug traditionalistischer Glätte mit ganzen Energieschüben kontert. Das kann zwar keinen Alleinvertretungsanspruch auf das 21. Jahrhundert erheben, aber es ist ganz sicher eine feste Bank für die Zukunft des Jazz. Tobias Böcker |
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