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10 Jahre und kein bisschen weise! Der Turm Jazzclub in der Moritzburg in Halle (Saale) wagt sie immer noch, die Experimente. Doch steigende Besucherzahlen zeigen, dass das Konzept stimmt. Doch von Anfang an: Im Februar 1992 startete der einstige Universitäts-Studentenclub Turm eine genrespezifische Veranstaltungsreihe mit wöchentlichen Konzerten. Von Anfang an hielt man im Turm Jazzclub nicht viel von Schubladen. Neben Jazz in verschiedensten Spielarten waren und sind deshalb regelmäßig auch Weltmusik, Funk, Avantgardistisches, Minimal Music, Electronica und NuJazz zu hören. Inzwischen können die Veranstalter auf über 400 Konzerte mit gut 1.500 Künstlern aus aller Welt zurückblicken, zu denen so namhafte Musiker wie Charlie Mariano, Barbara Dennerlein, Klaus Doldinger, Albert Mangelsdorff und auch Medeski Martin & Wood, Marc Ribot, James Blood Ulmer, Oliver Lake, Mike Stern oder Maria João gehörten. Darüberhinaus organisiert der Turm Jazzclub unter der künstlerischen Leitung von Steffen Wilde als alljährlichen Höhepunkt seiner Arbeit das dreitägige Internationale Moritzburg Jazzfestival, das größte Open-Air-Ereignis seiner Art in Sachsen-Anhalt.
Nun also der 10. Jazzclub-Geburtstag. Das runde Jubiläum wurde mit drei Konzerten gefeiert, die symbolisch das breite Spektrum vertraten, für das der Turm Jazzclub bei seinem Publikum bekannt und beliebt ist. Den Anfang machte Gutbucket, eine junge Band aus der New Yorker Talentschmiede Knitting Factory, der der Ruf einer außerordentlichen Live-Band vorauseilte. Gutbuckets rhythmusreicher, mitunter kantig-punkiger Impro-Jazz gewinnt vor allem durch die Show des Quartetts. Ken Thomson, Saxophonist und Zentralfigur der Band kann nicht still halten. Er springt und hechtet über die Bühne, rempelt den Gitarristen an, der seinerseits nicht müde wird zurückzuschubsen. Also ist der Bassist dran, aber der führt gerade ein Tänzchen mit seinem Stickbass auf. Schlagwerkender Ruhepol ist Paul Chuffo, doch über seiner soliden Rhythmusarbeit vergisst er durchaus nicht den Spass und lässt sich an den Becken auch gern mal von Thomson unterstützen. An Bewegung auf der Bühne mangelt es nie. Trotz allen Klamauks aber bietet Gutbucket hohe musikalische Qualität mit Stücken voll packender Themen und komplizierter rhythmischer Wechsel, und geradezu erstklassig wurde es dann bei der eigens für den Jazzclub-Geburtstag arrangierten Live-Begleitung eines Wallace & Gromit-Cartoons auf Großleinwand. Jemand sollte Nick Park, dem Erfinder der Knetfiguren, sagen, dass es da in Manhattan vier Musiker gibt, die seine kongenialen Soundtrack-Partner werden könnten. Zum zweiten Geburtstagskonzert führte Gitarrist Eivind Aarset sein Trio Electronique Noire auf die Bühne und entführte das Publikum in sphärische Klangräume, die so faszinierend derzeit vor allem aus Skandinavien kommen. Aarset zeigte, dass er neben dem norwegischen Startrompeter Nils Petter Molvaer, dessen Band er angehört, einer der wichtigsten Impulsgeber für die Verbindung von Ambient Sounds mit europäischer Clubkultur ist. Das Abschlusskonzert bestritt Hamid Baroudi. Der ehemalige Frontmann der Dissidenten hat mit seiner eigenen Band eine World Music-Formation hinter sich, die den Brückenschlag von anspruchsvoller Weltmusik zur Partylaune bestens beherrscht. Baroudi selbst nahm sicherlich nicht nur den Clubgeburtstag zum Anlass, die Zuhörer immer wieder zum Tanzen aufzufordern. Sein funky Worldbeat ist einfach prädestiniert dafür, sich dazu zu bewegen. Am Ende hatte er auch den letzten Besucher im ausverkauften Turm soweit, so dass niemand mehr stillstand. Die im Turm Jazzclub auftretenden Musiker sind regelmäßig begeistert vom Halleschen Publikum und dem Club in der Moritzburg und schicken mehrfach nach ihren Tourneen Dankschreiben für die gute Betreuung und Atmosphäre, die sie hier erfuhren. Wenn man Besucher und Künstler solcherart hinter sich weiß, kann man sicherlich einigermaßen entspannt den nächsten zehn Jahren entgegensehen. Roger Barz |
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