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Der Kreis schließt sich: Seit geraumer Zeit öffnet sich der heute 67-jährige Pianist Abdullah Ibrahim in seinem immer liedhafter, leiser und meditativer sinkenden Spiel deutlich hörbar der prägenden Musik seiner Kindheit und Jugendzeit. Nur folgerichtig setzt Abdullah Ibrahim in Trio-Besetzung beim 101. Konzert der Reihe The Art of Jazz (die er auch hier schließt sich ein Kreis 1980 auch eröffnete) in der absolut ausverkauften Tafelhalle als melodischen Dreh- und Angelpunkt seiner gemächlich prozessierenden Improvisationen einfache Gospels oder gar Weihnachtslieder.
In diese Tradition wurde der junge Ibrahim, der damals noch Dollar Brand hieß, lange vor seinem Übertritt zum Islam 1968 am Arm seiner Großmutter eingeführt. Denn die gehörte zu den Gründungsmitgliedern der ursprünglich in Philadelphia ansässigen afrikanisch-amerikanischen Episkopal-Kirche im multikulturell geprägten Kapstadt. So kann der Universalist Ibrahim, der eindrucksvoll hörbar für ein friedliches Miteinander von Christentum und Islam steht, heute zu Recht behaupten, dass bei allen Unterschieden schwarze amerikanische und afrikanische Musik quasi verheiratet sind und wusste diese These in beiden Sets eindrucksvoll zu belegen. Da flossen in beiden Teilen jeweils dreiviertelstündge Medleys ohne jede Unterbrechung oder Ansage New Orleans-Rhythmen mit marokkanischen Beats zusammen. Da gingen Big-Band-Melodien, die Ibrahim von den Ellington und Basie kopierenden Hotel-Orchestern Kapstadts in Erinnerung behalten haben mag, nahtlos in Folk-Songs seiner heiteren African Marketplace-Phase über. Ibrahims Musik setzt stark auf Wiederholung. So schwingt sie immer wieder zu dem gleichen Gospel-ähnlichen, schlichten Chorus zurück, mit dem sie ganz zu Beginn mit den allerersten Ak- korden einsetzt. Die Kunst der Wiederholung ist für den mit ähnlichen Praktiken des Zen wie Sufi-Traditionen vertrauten Abdullah Ibrahim ein Modus der allmählichen Vertiefung und Verdichtung. Parallelen zur philosophisch verwandten Minimal Music, etwa zu Steve Reich oder Philip Glass, sind da keineswegs zufällig. Aber es besteht keine Nähe zum Blues, da Ibrahim weitgehend auf schmutzige Blue Notes verzichtet. Alles wurde deutlich hör- und sichtbar mit starkem religiösen Nachdruck dargeboten: Diese vergeistigte Heiterkeit hat freilich wenig gemein mit der ganz und gar irdischen, hemmungslosen Fröhlichkeit des ländlichen afrikanischen Folk oder des klassischen Jazz. Klar, dass sich daran die Geister scheiden mussten. Reinhold Horn |
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