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Da ist ein Ton, so hauchzart wie ein teures Parfüm. Kaum zu merken, und gerade deshalb bleibt der Ton im Ohr haften, erzeugt Aufmerksamkeit. Vor allem, weil dessen Quelle eine Posaune ist. Posaune? Ja, Glenn Ferris hat dem singenden Rind (so die Übersetzung vom lateinischen bucina) eine sehr kultivierte Stimme verliehen. Der 52-jährige US-Amerikaner gehört zur Elite der Jazzsolisten dieses nicht sehr populären Instruments. Schon im Alter von acht Jahren hat sich der in Los Angeles geborene Glenn Ferris für die Posaune begeistert. Und zwar während eines Konzertbesuchs beim LA Philharmonic Orchestra. Zunächst studierte er das klassische Repertoire. Nachdem er 1964 den Trompeter, Komponisten, Arrangeur und Bandleader Don Ellis kennen gelernt hatte, wechselte er zum Jazz. Als Glenn Ferris knapp 16 Jahre alt war, heuerte ihn Don Ellis für seine experimentierfreudige Big Band an. Dort lernte er nicht nur provozierende ungerade Metren sowie ambitionierte Verbindungen von Neuer Musik und Improvisationen kennen, sondern entwickelte sich auch zum herausragenden Solisten. Don Ellis schrieb über ihn: Glenn Ferris ist ein verblüffender Posaunist, der sowohl mit seiner Frisur als auch mit seinem Spiel auffällt.
Jedoch hatte er vor diesem Wochenende (des Konzerts im Fillmore West) seine Haare abrasiert, so dass wir ihn nur an seinem Spiel erkannten. Das war in den 70er-Jahren noch skurril extrovertiert, wie auf der Eigenkomposition Ferris Wheel des Albums The Don Ellis Band Goes Underground zu hören ist. Glenn Ferris Vitalität passte so gut zum Hexengebräu (Miles Davis) der JazzRock-Fusion, dass viele Prominente der Szene ihn engagierten, etwa Frank Zappa fürs Grand Wazoo Orchestra oder Billy Cobham für seine Band. Doch 1980 kehrte er den USA den Rücken und siedelte nach Frankreich über. Dort schloss er sich einerseits der amerikanischen Diaspora an, unter anderem arbeitete er mit Steve Lacy, andererseits fand er Kontakt zu europäischen Jazzern, von denen Louis Sclavis, Michel Portal und Joachim Kühn zu erwähnen sind. Zwar war Glenn Ferris viel beschäftigt, doch die Existenz als freier Musiker war auf Dauer wohl nicht sicher genug. Als Professor für Kurse zur Einführung in den Jazz am I. M. F. P. (Institut Musical de Formation Professionelle) in Nimes (1983 bis 1988) und danach am Conservatoire de Paris hatte er ein regelmäßiges Einkommen. In Frankreich änderte sich auch sein Stil, die Posaune zu spielen. Hier fand er zu einem geschmeidigen Klang, profilierte sich als Komponist und gründete zwei Trios. Mit dem Bassisten Bruno Rousselet und dem Cellisten Vincent Segal eine sehr extravagante Formation. Die Musik dafür schreibt Glenn Ferris zumeist selbst. Es sind sehr persönliche, aufs Wesentliche konzentrierte Arrangements, die die Gleichberechtigung jedes einzelnen Musikers garantieren. Und es ist eine tonale Musik, bluesig, swingend, also jazzgestützt und in hohem Maße interaktiv, aber stets Ausschau haltend nach anderen Gefilden. Gerade Vincent Segal rutscht schon mal in Klänge Neuer Musik, etwa beim Cello-Hürdenlauf von After Affair (auf face lift). Bruno Rousselet orientiert sich sehr am grummelnden Stil Charlie Hadens, wobei er auch Unisono-Passagen mit seinen Kollegen nicht schmäht. Und Glenn Ferris ordnet sich ganz selbstverständlich ins Trio ein, übernimmt, neben der Hauptrolle, auch Ostinato-Verstärkungen und Begleitfunktionen. harakteristisch für ihn ist jedoch diese reservierte, ganz auf den Augenblick konzentrierte Haltung, eine poetische
Rhetorik auf der Posaune, die sich den Saiteninstrumenten anpassen kann und doch selbstbewusst singt.
Hans-Dieter Grünefeld CD-Tipps
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