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Nach konservativen Projekten wie Gershwin´s World (1998) ist der 61-jährige (Jazz-)Pianist und High Tech-Freak Herbie Hancock einmal mehr auf der Überholspur. Nicht nur das! Mit seinem aktuellen Album und dem Bandprojekt Future 2 Future (Sony) bildet der smarte Afroamerikaner und bekennende Buddhist, der in den 60ern bei Miles Davis berühmt wurde, die Speerspitze der derzeit megatrendigen New Soul oder Techno/Dance-Bewegung? Sein neues Album bietet witzige und sehr soulige Musik für ein Tanzpublikum, das nicht nur gerne Bauchnabel und Muckis zeigt, sondern auch gerne den Kopf bewegt. Während seiner Dezembertour sprach Reinhold Horn für die Jazzzeitung mit dem ewig jungen Ausnahmepianisten. Jazzzeitung: Ihr neues Album bedeutet einen mutigen Schritt Richtung Club-Kultur und Dancefloor?
Herbie Hancock: Das kann man wohl sagen. Für mich bedeutet Future 2 Future einen Riesensprung nach vorne. Ich glaube nicht, dass man ein Album wie dieses schon mal irgendwo gehört hat. Die Idee dazu kommt übrigens von meinem Produzenten Bill Laswell. Jazzzeitung: Die führenden Köpfe der aus dem HipHop entstandenen momentan ultrahippen Ambient House-Szene wie A Guy Called Gerald oder Carl Craig spielen auf diesem Album. Wie kam es dazu? Hancock: Bill Laswell stellte den Kontakt her. Er sagte mir, dass ich großen Einfluss auf diese Szene hätte vor allem dank meiner Sextettplatten der frühen 70er, etwa Sextant oder Dedication. Und er hielt es zu Recht für eine spannende Idee ich bin 30 Jahre älter als diese Leute für beide Seiten, gemeinsam an einem Projekt zu arbeiten. Jazzzeitung: Wie darf man sich ihre Zusammenarbeit mit Bill Laswell vorstellen? Haben Sie das Material für die neue Scheibe gemeinsam geschrieben? Hancock: Nein, Bill Laswell produziert immer schon einen Teil des Materials vorab. Als ich ins Studio kam hatte er bereits Carl Craig oder Rob Swift auf Band und vernetzte sie dann mit meiner spontanen Reaktion auf ihre Parts. An diesem Punkt gewannen die Aufnahmen eine unglaubliche Dynamik. Jazzzeitung: Mit Gigi, Dana Brayant, Imani Uzumi und nicht zuletzt Chaka Khan haben Sie hervorragende Sängerinnen auf Future 2 Future. Allerdings nicht in Ihrer Tourband? Hancock: Wer soll das bezahlen? Man kann nicht all diese großartigen Leute mit auf Tour nehmen. Aber das Publikum muss nicht auf Gesang verzichten: Meine Schlagzeugerin Terry Lyne Carrington wird etwa The Essence von der neuen Scheibe singen. Und aus dem Sampler wird die Stimme der großartigen äthiopischen Sängerin Gigi kommen. Oder wir benutzen die Samples als Basis für spontan improvisierte Gesangseinlagen... Jazzzeitung: Future 2 Future ist eine der ersten Produkte Ihrer neuen Firma Transparent Music (www.transparent music.com)? Hancock: Genau. Transparent Music ist nicht eigentlich eine Plattenfirma, sie steht eher für
eine Art Lifestyle. Ein Lifestyle, der auf Qualitätsmusik Wert legt. Und die wird sich nicht wie üblich
an dem Geschmack 25-Jähriger und Jüngerer nachhecheln, sondern versucht auch ältere Hörer anzusprechen.
Damit meine ich auch die RocknRoll-Generation, die ist ja noch nicht gestorben: Die interessiert sich
doch noch sehr für Musik, trotz Familie, trotz Job. Ich finde es wirklich idiotisch, dass sich die meisten Plattenfirmen
auf diese spezielle demografische Gruppe der Jungen kapriziert, und die Älteren einfach im Regen stehen lässt.
Jazzzeitung: Aber wie wollen Sie diese Älteren, durch Job und Familie in ihrer Neugierde und Konsumfreude eingeschränkten Hörer in der Branche allgemein als Schläfer gescholten aufwecken? Hancock: Nun, wir werden die Möglichkeiten des Internets ausgiebig nutzen. Und etwa American Airlines-Gäste erwartet ein zweistündiges Programm von Transparent Music. Und in Flugzeugen reisen ja auch viel ältere Leute. Jazzzeitung: Apropos Flugreisen? Haben Sie nach dem 11. September Angst davor? Hancock: Nein. Ich weiß, dass einige Künstler jetzt Angst davor haben in ein Flugzeug zu steigen. Ich halte Flugreisen allerdings nach wie vor für die sicherste Art zu reisen. Jazzzeitung: Sie sind seit 29 Jahren praktizierender Buddhist und haben einmal gesagt, dass Sie durch den Buddhismus gelernt haben zu begreifen, dass alles mit allem zusammenhängt und damit kein Ereignis unabhängig vom Ganzen passiert. Inwiefern hat diese Philosophie nun Einfluss auf Future 2 Future, denn das ist ja von der Substanz her Weltmusik? Hancock: Ich habe gelernt, dass ich zwar den Beruf eines Musikers ausübe, aber kein Musiker bin. Was ich bin, ist ein menschliches Wesen. Die Erkenntnis dieses fundamentalen Unterschieds veränderte nicht nur meine Perspektive auf die Musik. Auf Future 2 Future findet man viel Spoken Word, also Poesie und Grundsätzliches über Weisheit. Ein derart erweiterter Blickwinkel ist Künstlern fremd, die sich nur um Musik kümmern. Der Buddhismus hilft mir weniger rechthaberisch zu sein. Und hilft mir entschlossener meine Zukunft zu gestalten und bewahrt mich vor allen Dingen davon, mich allzu sehr auf die negativen Aspekte des Lebens zu konzentrieren. Reinhold Horn
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