|
|
|
|
Jazzzeitung
2002/02 ::: seite 5
Berichte
|
|
|
|
|
|
|
|
Big Bands waren und sind im Jazz meist kurzlebig. Da ist es schon etwas Besonderes, wenn eine solch große
Formation in Deutschland ihren 20. Geburtstag begehen kann. Genau das tut das Harald Rüschenbaum Jazz Orchestra
(HRJO) am 10. Mai 2002. Bereits am 16. Februar aber feiert es sich selber mit einem großen Jubiläumskonzert
im Prinzregententheater in München natürlich mit Stargästen wie dem Trompeter Dusko Goykovich
und Saxophonisten Don Menza. Dabei ist das eigene Jazz-Orchestra nur eine von drei Big Bands, die Rüschenbaum
leitet. Denn mittlerweile sind das Landes-Jugendjazzorchester Bayern (1993) und die Special Edition (2001) dazu gekommen.
Seit 1982 gibt es also das Harald Rüschenbaum Jazz Orchestra. Eigentlich ist es schon längst volljährig,
denn die Musiker der ersten Besetzung telefonierte Rüschenbaum bereits im November 1980 zur ersten Probe in Gerry´s
Music Corner am Feilitzschplatz in Schwabing zusammen: Thomas Zoller, Thomas Faist, Peter Tuscher, Hermann Breuer,
Frank St. Peter, Claus Reichstaller, Franz Weyerer, Gil Kaupp und Matthias Preißinger gehörten neben anderen
dazu. 24-jährig kam Harald damals von einer Studienreise aus den USA zurück, die ihn zu Kursen an die Jazzschulen
von Boston (Berklee College), Los Angeles, Indianapolis , New York und Denton (North Texas State University mit einem
Big-Band-Schwerpunkt samt 17 Big Bands) geführt hatte. Die Reise war das Geschenk seiner Eltern zum Studienabschluss
(in klassischem Orchester-Schlagzeug) am Richard-Strauss-Konservatorium in München. Zurück kam er mit anregenden
Erfahrungen und vor allem mit 22 Big-Band-Arrangements. Die Gründung der Big Band in München fand ihren
Ursprung also in Denton/Texas in einem Grundstock an Arrangements.
1981 trafen sich die Musiker alle paar Wochen, um diese 22 Big-Band-Titel einzustudieren, die für eine Band,
die gerade beginnt, viel zu schwer waren. Ich habe dann erst mal das klassische Repertoire gekauft, Count Basie
und später einige Titel von Thad Jones. Am 10. Mai 1982 startete das Harald Rüschenbaum Jazz Orchestra
offiziell mit dem ersten Auftritt in Gerry´s in der Sternstraße in München. Ein halbes
Jahr später entstand im Studio 2 des BR die erste Aufnahme, die 1983 als LP erschien. Sieben Jahre hat
sich die Band kontinuierlich weiterentwickelt. In dieser Zeit hat sie jeden Montag geprobt, weitgehend in derselben
Besetzung. Am Anfang spielte der in München lebende amerikanische Big-Band-Startrompeter Al Porcino bei Rüschenbaum,
der den Kids den big band spirit der großen Bands mitgegeben hat. Er brachte auch einige Arrangements
seiner berühmten Sammlung mit in das Orchestra. Es folgte die Zeit der Selbstfindung. Der Posaunist
und Pianist Geoff Stradling (damals in Wolfgang Schmids Head, Heart and Hands) und der Baritonsaxophonist
Thomas Zoller begannen für Rüschenbaum zu arrangieren, sodass sich allmählich ein eigenes Repertoire
entwickelte. 1985 erschien damit die zweite LP unter dem Titel Double Faces. Im gleichen Jahr erfährt
Harald Rüschenbaum als erster Jazzmusiker öffentliche Anerkennung durch die Verleihung des Kulturförderpreises
der Stadt München. Auf der dritten LP, Rondo, die 1987 zum fünfjährigen Bestehen heraus
kam, stammten dann alle Arrangements aus Zollers Feder; die Band hatte dessen musikalische Sprache zu der ihren gemacht.
Nun gehörten auch Jürgen Seefelder, Frank Loef und Peter Wölpl zur Band und bildeten mit Stradling,
Zoller und Herman Breuer den musikalisch bestimmenden Kern. Ich sah meine Aufgabe darin, die Plattform zu schaffen,
auf der wir uns treffen konnten, um Musik zu machen. Ich bin kein Schreiber und meine Stärke ist Vielseitigkeit.
Ich mag die Musik von der Tradition bis zur freien Musik. Das ist für mich auch im LandesJugendjazzorchester
wichtig: Auf der einen Seite Ellington, Basie und Fletcher Henderson, auf der anderen Seite Kenny Wheeler und Ausflüge
in sich frei entwickelnde Stücke, wo Musik im Jetzt neu entstehen kann.
In den 80er-Jahren leitete Rüschenbaum neben seinem konzertierenden Orchestra noch eine Nachwuchsschmiede: In
der Leseband wurde aus Spaß an der Freude und um zu lernen Big-Band-Repertoire einstudiert, ohne
auf Auftritte abzuzielen. An die montäglichen Zusammenkünfte des Jazz-Orchestra schloss sich am Dienstag
also das Üben mit dem Nachwuchs an.
Diese Musiker waren 1986 der Münchner Stamm der ersten Landes-Jugendjazzorchesters. An dessen Gründung
war Harald Rüschenbaum, der gern scherzhaft von der Landjugend spricht, mit Richard Wiedamann von
Anfang an beteiligt. Die befruchtende Wirkung der Landes-Jugendjazzorchester zeigt sich im Entstehen von Bands
wie dem Nürnberger Sunday Night Orchestra oder dem Summit Orchestra in Regensburg, die
sich selbstständig machten, auf hohem Niveau spielen und die wiederum befruchtend auf ihr Umfeld wirken. Inzwischen
kommen 14-jährige Instrumentalisten zu den Vorspielen wie die spielen ist unglaublich.
Aber den Stolz darauf, dass er an dieser Entwicklung nicht ganz unbeteiligt war und ist, den merkt man ihm schon an.
Das ist Maulwurfsarbeit, damit die Wurzeln gut wachsen können. Daraus kann dann ein starker Stamm entstehen.
Und da sind wir jetzt, wenn ich an Florian Trübsbach, Max Tiller, Matthias Gmelin, Victor Alcantara, die Schriefel-Brüder,
Gregor Bürger und andere denke. So weit, wie wir damals mit 23, 24 Jahren waren, sind die jetzt mit 18, 19.
Beim Jazz-Orchestra begann es um das verflixte siebte Jahr herum langsam zu bröckeln. Bandmitglieder heirateten,
bekamen Kinder und die (daraus entstehenden) ökonomischen Zwänge taten ihre Wirkung: Sie konnten nicht mehr
zu den regelmäßigen Proben kommen oder mussten bei Auftritten vertreten werden. In den kommenden sieben
Jahren erwies es sich nun als Glück für das HRJO, dass bereits Musiker da waren, mit denen der Bandleader
schon drei Jahre gearbeitet hatte. Sie ermöglichten den fliegenden Wechsel. Trotzdem ging es für Rüschenbaum
die nächsten Jahre runter mit der eigenen Band. Die Arbeit und mein Herzblut habe ich damals mehr in das
LandesJugendjazzorchester (LJJO) gesteckt. Dessen Leitung hatte er 1993 von Dusko Goykovich übernommen,
nachdem er diesem bereits seit 1986 assistiert hatte. Das LJJO wurde in den Jahren von 1989 bis 1996 für ihn
zur Hauptsache neben seinen kleinen Ensembles, mit denen er von Anfang an neben der Big Band musizierte. Das HRJO
selbst spielte in dieser Zeit relativ wenig, fand nur noch 15- bis 20-mal im Jahr zu Auftritten zusammen.
1997, zu Beginn des dritten Jahrsiebts, wurde mit der Einführung der regelmäßigen Big-Band-Montage
im Hofbräukeller aus dem Jazz-Orchestra wieder eine working band. Zu den besonderen Erfolgen der
dritten Ausgabe des Orchesters gehörte 2001 ein Konzert mit den New York Voices im Brunnenhof der
Münchner Residenz. Seit 1999 finden die Montagskonzerte nun im Jazzclub Unterfahrt statt. 18 verschiedene Programme
hat das Jazz-Orchestra dort im letzten Jahr gegeben und 180 verschiedene Arrangements gespielt. An einem der
Abende in der Unterfahrt im Mai 2001 saßen da 17 junge Musiker, alle mit diesem Blick in den Augen: Einmal
in so einer Band spielen! Das erinnerte mich an die Zeit, als ich selbst staunend in den Siebzigern mit diesem
Wunsch anderen Big Bands zuhörte. Rüschenbaum fasste einen Entschluss: Das Beste, was an Musikern
auf der Bühne sein kann, muss her. So war die Idee der Special Edition geboren. Neben seinem
Jazz-Orchestra, das auch jungen, lernenden Musikern eine Chance gibt, sollte eine Band der Superlative regelmäßig
in München zu hören sein. Hochkarätige Solisten und Spieler der besten Orchester, der Bobby Burgess
Big Band aus Stuttgart, des Sunday Night Orchestra aus Nürnberg, des Summit Orchestra aus Regensburg, zusammen
zu bringen und anerkannte Jazzgrößen mit einzubeziehen, ist das hoch gesteckte Ziel. Sebastian Strempel,
Stefan Zimmermann, Axel Schlosser, Claus Reichstaller, Johannes Herrlich, Gerhard Gschlößl, Hermann Breuer,
Christian Sommerer, Marko Lackner, Roman Schwaller, Thomas Reinbrecht, Till Martin, Michael Lutzeier, Walter Lang,
Henning Sieverts, alle ausgemachte Jazzprofis und lange Jahre Freunde, sagten zu. Für mich war das ein
wichtiger Schritt, als ich merkte, dass diese Klasse von Musikern Lust hatte, mit mir in einer gemeinsamen Band zu
arbeiten.
Godehard Lutz
Konzert
20 Jahre Harald Rüschenbaum Jazz Orchestra am 16. Februar, 20 Uhr, Prinzregententheater München
Diskografie
Double Faces, Swingtime Records, LP 1985
Rondo, Swingtime Records, LP 1988
Best of Swing, Pro Jazz 005, CD 1999
Alle direkt erhältlich über Harald Rüschenbaum
|