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Merkwürdig, dass das alles erst jetzt passiert. Jazz gibt es seit mehr als hundert, die Bundesrepublik seit bald sechzig Jahren und Musikförderung in Deutschland fast seit eh und je. Aber allzu weit sollte man jetzt nicht ausholen, es gibt schließlich etwas zu tun. Damit es endlich losgehen kann, lag jetzt im Deutschen Bundestag ein Antrag der Arbeitsgruppe Kultur und Medien vor, der sich systematisch und innovativ mit der Förderung von Jazz und populärer Musik befasst und der Bundesregierung Vorschläge unterbreitet, die dazu beitragen könnten, die Musikförderung im Lande auf neue Füße zu stellen Jazz und populäre Musik: Das „und“ zwischen beiden Sparten signalisiert einen Paradigmenwechsel. Bis dato wurden der Jazz und seine verschiedenen Spiel- und Erscheinungsformen als zu beiden Seiten, also zum „E“ und zum „U“ in der Musik, nicht zugehörige Musikform geführt. So dass er in puncto Förderung immer durch alle Raster fiel und hin und her geschoben wurde. Institutionen, die beispielsweise dem Auswärtigen Amt zugeordnet sind, nahmen sich der Jazzförderung an – legendär in der Szene sind seit Jahrzehnten die so genannten „Goethe-Tourneen“ –, während Institutionen, die mit Kultur- und Musikförderung betraut waren, sich für den Jazz nicht recht zuständig fühlten. Dass bundesweit gut 80 Prozent der öffentlichen Musikförderung der so genannten E-Musik zugutekommen, hat tiefe Gräben und beträchtlichen Futterneid entstehen lassen und niemandem genützt. Der Kulturausschuss des Bundestages schlägt nun in seinem Papier eine neue Markierung vor: Jazz wird als dritte Musikgattung neben Popmusik und E-Musik definiert. Das demonstriert die klare Absicht, der Musikförderung eine verbesserte Systematik zu geben. Es geht also nicht schlicht um die landläufige Forderung nach mehr Geld vom Staat. Um die Förderung des Jazz und der populären Musik steht es vor allem deshalb nicht zum Besten, weil der Markt nicht alles Wichtige zufriedenstellend regelt. Das ist im Kulturbetrieb nicht neu, und darum ist der Hinweis, dass Kultur die Förderung der öffentlichen Hand brauche, keine revolutionäre Forderung. Selbst im Falle der so genannten populären Musik gibt es erheblichen Förderungsbedarf, wenn man einmal von wenigen marktgängigen Spitzenerzeugnissen absieht, deren Gewinne privatisiert bleiben, weil der Markt keine Mischkalkulation und keine sinnvolle Umverteilung kennt. So finden tausende von deutschen Pop- und Rockbands kaum Übungsräume und keine qualitativ hochwertigen Spielorte, an denen sie ihrem Publikum halbwegs zwanglos begegnen können. Das gilt in verstärktem Maße für den Jazz. Spielstätten, die regelmäßig und unter gemäßigt kommerziellen Bedingungen Begegnungen von Musikern miteinander und mit einem geneigten Publikum ermöglichen, existieren kaum. Die Nachwuchsförderung geschieht inzwischen recht rege und halbwegs flächendeckend meist über die Musikschulen, und etliche Hochschulen haben Jazz-Studiengänge eingerichtet. Aber wohin soll das alles führen, wenn nach der Ausbildung keine Perspektive einer beruflichen Praxis existiert? Die Chancen öffentlichen Auftretens zu verbessern, wäre wahrscheinlich die beste Möglichkeit, Musik und Musiker zu fördern. Insofern wäre es sinnvoll, die Unterstützung von geeigneten Spielstätten zu einem zentralen Anliegen von Musikförderung zu machen. Und genau das ist die wichtigste Forderung in dem insgesamt nicht uninteressanten Katalog des Kulturausschusses, der damit endlich einen handlungsrelevanten Begriff von Kulturwirtschaft zum Ausgangspunkt nimmt. Konsequent folgt daraus die weitere Forderung einer Unterstützung der international wirksamen Präsentation von deutschem Jazz und deutscher Popularmusik, das heißt: Förderung von Tourneen, Unterstützung bei Produktion und Vertrieb von Tonträgern. All das gibt es bereits in Deutschland, aber zufällig, auf rein lokaler Ebene, und ohne dass irgendeine Art von Rechtsanspruch entstanden wäre; es gibt kein System und keine allgemeine Zugänglichkeit zu den fördernden Maßnahmen, und häufig erscheint Musikern die Erschließung von Fördermöglichkeiten als eigene Kulturtechnik. Was für Erfolge eine grundlegende Verbesserung der Förderungsstrukturen haben kann, zeigt das Beispiel Norwegen: Es gibt derzeit wohl kein internationales Festival, auf dem nicht Musiker dieses kleinen Landes eine tragende Rolle spielen. Ein neues System also, eine bessere Koordination der Fördermaßnahmen und ein grundsätzliches Umdenken – das sollte sich doch schnell umsetzen lassen? Hans-Jürgen Linke |
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