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Zum zweiten Mal fand in diesem Jahr der Neue Deutsche Jazzpreis in der Alten Feuerwache Mannheim statt. Der Ausrichter, die IG Jazz Mannheim, hatte sich in diesem Jahr die Mithilfe von Wolfgang Muthspiel als Kurator gesichert. Aus über 100 Einsendungen hatten die Veranstalter vorab 13 Bands ausgewählt, aus denen Muthspiel dann die 3 heraussuchte, die schließlich auf dem zweitägigen Festival auftreten sollten.
Im letzten Jahr hat die IG Jazz in Mannheim einen Jazzpreis aus der Taufe gehoben, dem sie die Attribute „neu“ und „deutsch“ voranstellte. Vornehmlich Bands, die ihren Wirkungsbereich in Deutschland haben, sollen durch den Preis gefördert werden, und auch wenn der Preis kein ewig neuer bleiben wird, so soll beim Neuen Deutschen Jazzpreis doch das Neue, sollen die aktuellen Strömungen zeitgenössischer deutscher Jazzmusik im Zentrum des Geschehens stehen. Eigen am Konzept der IG Jazz ist die alljährliche Verpflichtung eines Kurators, der die Finalisten auswählt. Nach Alexander von Schlippenbach durfte diesmal Wolfgang Muthspiel die Aufgabe übernehmen. Die Frage, ob die Verengung der Jury auf einen einzelnen Entscheidungsträger eine zu subjektive Selektion mit sich bringt, stellt sich für Muthspiel nicht: „Subjektiv ist die Auswahl immer, ob ich nun ein Komitee wählen lasse oder eine Einzelperson. Man kann Musik nicht bewerten wie Sport, daher finde ich die Lösung mit dem Kurator sehr gut, weil so transparent wird, dass es sich bei der Auswahl um dessen persönlichen Geschmack handelt. Objektivität halte ich bei der Bewertung von Musik für unmöglich.“ Bedenken hat der Kurator eher, was die Austragung von künstlerischen Wettbewerben im Allgemeinen angeht. „Ich finde Wettbewerbe generell problematisch,“ meint Muthspiel, „denn die Dynamik von Wettbewerben kommt üblicherweise der Kreativität beim Musizieren nicht wirklich entgegen. Aber dafür, dass man mit dieser Problematik umgehen muss, ist dieser Wettbewerb gut angelegt und ich bin froh, dass die Bands sich trotz der Wettbewerbssituation frei ausdrücken konnten.“ Die Bands, die sich dieser Situation beim Neuen Deutschen Jazzpreis stellen mussten, waren das Trio des Berliner Pianisten Andreas Schmidt und die Quartette der Saxophonisten Johannes Enders und Till Martin. Gespielt wurde um zwei voneinander unabhängige Preise. Der vom Mannheimer Unternehmen MVV Energie gestiftete Hauptpreis für die beste Band war auf 10.000 Euro angesetzt, der beste Solist sollte, dank des Maritim Hotels Mannheim, 1.000 Euro mit nach Hause nehmen. Die Entscheidungsgewalt ging beim Konzert schließlich vom Kurator an das Publikum über, das nach dem Konzert mit eigenen Stimmkarten über den Wettbewerbssieger abstimmen durfte. Aber die Bands machten den Zuhörern die Entscheidung schwer. Das Niveau aller Musiker bei diesem Wettbewerb war sehr hoch und am Ende war klar, dass Muthspiel sich bei seiner Auswahl nichts vorzuwerfen hatte. Die Kompositionen von Festival-Opener Till Martin waren aus-gefeilt und spannend in ihrer Entwicklung und bei Passagen kollektiver Improvisation spürte man, dass die Musiker bereits seit mehreren Jahren zusammenspielen, auch wenn ihnen von allen am ehesten die Wettbewerbsanspannung anzumerken war. Mit heiterer Gelassenheit präsentierte dagegen das Andreas Schmidt Trio sein Programm „Hommage à Lennie Tristano“. Ein glänzend aufgelegter John Schröder am Schlagzeug und Christian Ramond am Bass konnten bei der Freiheit im Zusammenspiel, die dieses Trio etablierte, mehr Solisten als Begleiter sein, während Andreas Schmidt am Flügel zwischen Clustern und eruptiven Melodiebögen wechselte oder die Klaviersaiten gleich direkt mit der Hand bearbeitete. So führten die drei das Publikum in eine urban klingende Jazzwelt, die dem weit voraus ist, was gegenwärtig auf vielen deutschen Bühnen als aktueller Jazz angeboten wird. Ein Gewinn für das Festival und Beweis für den Mut von Kurator und Veranstaltern. Auch bei der letzten Band des Abends fiel das Niveau keinen Deut. Johannes Enders‘ Gruppe spielte zwar zum ersten Mal in dieser Besetzung live vor Publikum, bezeichnender Weise aber merkte man davon nichts. Was die Struktur der Kompositionen anging, bewegte sich das Quartett im Bereich zwischen Till Martin und Andreas Schmidt mit vielen offenen Passagen, aber immer auf Tuchfühlung mit der Form. Ausgedehnte Soli ließen keinen Zweifel an der Klasse der Musiker aufkommen und gaben den Solisten Gelegenheit, sich für den Solistenpreis zu empfehlen. Glück für Publikum und Band: Schlagzeuger Alan Jones hätte man fast die Anreise verwehrt, weil er ohne Ticket den Zug nach Mannheim bestiegen hatte. Da der Schaffner aber das „Land“ Oregon, aus dem Jones stammt, nicht kannte, sah er offenbar resigniert von einer Strafe ab und ließ den blinden Passagier weiterfahren. Ein Gewinn für das Festival, denn Jones bildete zusammen mit Bassist Henning Sieverts eine Rhythmusgruppe, die einer Magnetschwebebahn gleichkam, so sicher und exakt hielten die beiden die Band auf Kurs. Henning Sieverts übrigens war beim Neuen Deutschen Jazzpreis sicherlich der aktivste Spieler. Er gab nicht nur beim Johannes Enders Quartett den Puls vor, sondern auch bei Till Martin sowie am folgenden Abend bei Dejan Terzics Band. Dass es in Deutschland auch noch andere Bassisten gibt, merkte man erst bei der Session zum Ausklang des Konzerts im benachbarten Café der Alten Feuerwache. Dort mischten sich die Wettbewerbsmusiker mit Mannheimer Jazzern und dabei zeigte sich, dass Alan Jones nicht nur mit Sticks umgehen kann, sondern auch ein passabler Bassist ist. Nicht lumpen ließ sich daraufhin John Schröder und tauschte das Drumset mit dem Piano. Die ausgelassene Stimmung dieser Session wurde nur kurz unterbrochen, als die IG Jazz schließlich nach beendeter Stimmenauszählung die Preisträger bekannt gab. Der Gewinner des Neuen Deutschen Jazzpreises 2007 heißt Johannes Enders, der auch als Bester Solist prämiert wurde, sich diesen Titel allerdings mit Henning Sieverts teilen muss. Am folgenden Tag kamen die Beteiligten noch einmal zum Preisträgerkonzert zusammen, in dessen Rahmen auch Schlagzeuger Dejan Terzic mit seiner Band „Underground“ auftrat und auch Kurator Wolfgang Muthspiel gab sich mit seinen Triopartnern, dem erfreulich modern und innovativ aufspielenden Brüderpaar Andreas und Mathias Pichler, die Ehre. Muthspiel zeigte sich in seinem Resümee erfreut über die eigene Auswahl, die er im hohen Niveau des ganzen Festivals bestätigt sah. In der Tat gaben die Bands des Neuen Deutschen Jazzpreises 2007 ein mehr als erfreuliches Bild der deutschen Möglichkeiten im zeitgenössischen Jazzbereich ab. Den Veranstaltern ist nur zu wünschen, dass dies auch dauerhaft von einem großen Publikum erkannt und honoriert wird. Jörg Lichtinger |
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