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15 Jahre sind vergangen seit Siegfried Loch sich seinen Lebenstraum eines eigenen Jazzlabels erfüllt hat. Mit Jazzpaña feierte das Label ACT 1992 einen mehr als gelungenen Einstand, der prompt mit zwei Grammy-Nominierungen belohnt wurde. Vor kurzem beging man in der ACT-Villa in München dieses Jubiläum und der geladene Autor konnte bei näherem Hinsehen auffallend viele junge Gesichter ausmachen, die nicht so recht zu den versammelten Gästen aus der Medien- und Musikbranche passen wollten. Als der Hausherr vier von ihnen dann mit fast väterlichem Stolz zur Session bat, war klar um wen es sich handelte. Vertreter einer bedrohten Art. Mitglieder einer neuen kreativen und eigenständigen Generation von Jazzmusikern, deren Förderung Siegfried Loch als Herzensangelegenheit begreift und die er unter dem Namen „Young German Jazz“ der Welt präsentieren möchte. Jung, talentiert, deutsch sucht Veranstalter. So könnte eine Kontaktanzeige betitelt sein, mit der ACT für seine Künstler wirbt. Eigentlich müsste die Berücksichtigung deutscher Bands für deutsche Konzertveranstalter etwas völlig Selbstverständliches sein. In anderen europäischen Ländern wie Frankreich, Italien, England oder den skandinavischen Ländern wären Festivals undenkbar, bei denen nicht mindestens ein Drittel des Programms aus lokalen Bands besteht. In Deutschland sind die Veranstalter jedoch sehr zurückhaltend, was die Buchung heimischer Künstler angeht. Nicht sehr schmeichelhaft für den deutschen Kulturanspruch, wie Siegfried Loch findet. Er sitzt in seinem Büro in der Münchner ACT-Villa, vor einem sich türmenden Haufen Korrespondenz und einem ebenso großen Stapel CDs und ist verärgert. Gerade ist wieder das Programm eines deutschen Jazzfestivals per E-Mail angekommen. International ist es, mit großen Namen. Aber deutsche Namen? Bis auf wenige Ausnahmen, Fehlanzeige! „Das ist exemplarisch für die hiesige Festivallandschaft“, wettert Loch. „Es ist mir ein Anliegen, der jungen deutschen Jazzszene im Rahmen meiner Möglichkeiten zu helfen, und ich würde mir wünschen, dass andere, die sich professionell mit Jazz beschäftigen, ähnlich denken und handeln würden. Das ist aber leider nicht so, weil es insbesondere deutsche Konzertveranstalter versäumen, jungen deutschen Jazzmusikern eine faire Chance zu geben, um sich dem internationalen Vergleich mit ihren Kollegen zu stellen. Es ist nicht zu erwarten, dass ausländische Veranstalter an unsere Künstler herantreten, wenn sie sehen, dass die nicht einmal von den deutschen Veranstaltern eingeladen werden.“ Ein paar rühmliche Ausnahmen gäbe es schon, meint er dann, aber im Großen und Ganzen fehlt nach wie vor die Bereitschaft, deutsche Bands auf deutsche Festivalbühnen zu holen. Vor zwei Jahren hat sich Loch entschlossen, mit seinem Label etwas für junge deutsche Bands zu tun und rief die Reihe „Young German Jazz“ ins Leben, um innovativen deutschen Künstlern eine Plattform zu geben, von der sie im Idealfall auch eine internationale Karriere starten können. Seit Januar 2005 sind acht CDs in diesem Rahmen erschienen, darunter zwei Veröffentlichungen des Trios [em], das die deutsche Jazzkritik seitdem zu höchstem Lob anspornt. Auch Trompeter Matthias Schriefl und die Brüder Julian und Roman Wasserfuhr sind mit im Programm sowie die Band Jazzindeed und die Projekte Germany 12 Points (Daerr, Sieverts, Jütte) und Berlin Calling (Daerr, Erdmann). Auch die beiden Sänger Michael Schiefel und Torsten Goods, eigentlich in der Rubrik „Vocal Jazz“ geführt, gehören zur Nachwuchsgruppe bei ACT. Einige der CDs sind stark von den zum Teil recht experimentellen Eigenkompositionen
der Musiker geprägt, wie bei [em], Schriefel, Daerr oder Erdmann.
Die Wasserfuhrs hingegen orientieren sich noch stärker an traditionellen
Stilistiken und Jazzindeed, Germany 12 Points und die „Allstar“-Formation
Young Friends orientieren sich gar an traditionellem deutschen Liedgut,
UFA-Schlagern oder der Neuen Deutschen Welle. Für Siegfried Loch
kein qualitativer Absturz, sondern lediglich Ausdruck einer Generation
von Jazzmusikern, die zum Teil ganz verschiedene Einflüsse in ihr
Spiel mit einbringt. „ Young German Jazz“ ist für ACT kein lukratives Geschäft, sondern eine gezielte Form der Förderung. Keine der bisher unter diesem Namen firmierenden Bands trägt sich bislang selbst. Die Kosten werden von erfolgreicheren ACT-Künstlern wie Nils Landgren oder Rigmor Gustafsson aufgefangen. Ein Engagement, das den finanziellen Aufwand wert ist, meint Loch und spricht von Verantwortungsgefühl gegenüber der lokalen Szene, das er bereits seit Anfang seiner Produzentenkarriere gespürt hat. Der Stolz ist ihm anzumerken, wenn er von seiner allerersten Platte erzählt, die er 1962 produziert hat, die erste LP des damals völlig unbekannten Klaus Doldinger Quartetts mit dem schönen Titel „Jazz Made In Germany“. Davon, dass sich einige der „Young-German-Jazz“-Künstler auf Dauer durchsetzen, ist Siegfried Loch überzeugt und um Nachschub an Talenten ist er auch nicht verlegen. „Die neunte ,Young-German-Jazz’-CD wird von MAX.BAB sein. Ein Teil der Stücke ist schon aufgenommen und die Veröffentlichung ist für den Herbst geplant. Ich möchte die Reihe natürlich fortsetzen und vor allem erreichen, dass mehr ‚Young German Jazz’ auf deutschen Bühnen zu sehen sein wird. Im letzten Jahr haben wir ein Konzert mit drei unserer Bands in Hamburg veranstaltet. Daraus ist eine Reihe geworden, die jetzt in Kooperation mit NDR und WDR stattfindet. Es werden dort nicht immer nur ACT-Künstler präsentiert, aber das ist mir egal, solange die Idee erhalten bleibt, damit ‚Young German Jazz’ zu fördern.“ Jörg Lichtinger
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