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Jazzzeitung
2007/01 ::: seite 20
rezensionen
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Randy Brecker w/Michael Brecker, Some Skunk
Funk
BHM DVD 01
2003
hat sich die WDR Big-Band Köln für ihr Konzert auf den Leverkusener
Jazztagen eine Gästeschar mit klangvollen Namen gesichert. Neben
dem Stargast Randy Brecker stieß bei einigen Songs auch sein Bruder
Michael ins Tenor-Horn. Eine Wiedervereinigung der Brecker Brothers nach
Jahren, lediglich für eine einzige Show, mit einem Programm bestehend
aus alten und neuen Songs aus der Feder der beiden Brüder. Das allein
schon wäre einen DVD-Mitschnitt Wert. Aber damit ist das Starkontingent
des Konzerts in Leverkusen noch nicht erschöpft, denn fast die ganze
Rhythmusgruppe bestand aus Gästen, wie Peter Erskine (dr), Marcio
Doctor (perc), Jim Beard (key) und Will Lee (b). Leiten durfte diese
verstärkte WDR Big Band Vince Mendoza, der auch alle Arrangements
der Stücke beisteuerte. Munition genug für ein außergewöhnliches
Konzert.
Die exzellente Besetzung und Routine der gut aufeinander eingespielten WDR
Big-Band bietet dann auch eine phantastische Grundlage für ein solistisches
Feuerwerk der Breckers. Obwohl die Dichte der Musik bei den bewegteren Stücken
wie „Some Skunk Funk“ sehr groß ist, klingt sie trotzdem
immer homogen und gut. Darin zeigt sich die enorme Qualität von Vince
Mendozas Arrangements, der vor dem Konzert keine Möglichkeit hatte, mit
Band oder Solisten zu arbeiten. Auch steckt in der gesamten Aufnahme eine immense
Energie, die vielleicht auf die Aufregung der Akteure angesichts dieser einmaligen
Gelegenheit zurückzuführen ist. Besonders eindringlich sind die Arrangements
der Balladen „And Then She Wept“ und „Levitate“ mit
wunderschönen Soli von Randy Brecker. Eine traurige Brisanz erhält
die Dokumentation des Konzerts deshalb, weil sie den mittlerweile schwer erkrankten
Michael Brecker in einer erstklassigen Form zeigt, wenige Monate, bevor bei
ihm die seltene Krankheit MDS diagnostiziert wurde.
„Some Skunk Funk“ ist eine DVD, die weniger durch aufwändige
Extras besticht, als durch die unmittelbare Qualität und den zeitgeschichtlichen
Hintergrund der Darbietung. Ein absolutes Highlight des aktuellen Jazzgeschehens,
nicht nur in Deutschland.
Jörg Lichtinger
Various Artists: Jazz Shots from the West Coast,
Vol.2 EFORFILMS 2869056
Eine
interessante Zusammenstellung mit viel guter Musik: drei Titel mit Wes
Montgomery, zwei mit Gerry Mulligan und Bob Brookmeyer, drei mit Shorty
Rogers (hervorragend das Rhythmusteam mit Lou Levy, Gary Peacock und
Larry Bunker), einer mit Paul Desmond, zwei mit Lester Young (aus dem
Kurzfilm „Jammin the Blues“) und drei mit Teddy Edwards,
die beweisen, dass er zu den großen Tenoristen gehörte und
leider immer unterbewertet blieb.
Joe Viera
Irène Schweizer, A film by Gitta Gsell
Reck Filmproduktion Zürich - Vertrieb Intakt Records, 2006
Die
Improvisierte Musik ist in die Jahre gekommen, denkt man, wenn man die
beiden Dokumente zum 65. von Irène Schweizer und zum 70. von Misha
Mengelberg in Händen hält.
Dass da circa 45 Jahre zusammen gekommen sind, liegt auf der Hand, aber die
Musik geht weiter, über alle Hindernisse hinweg.
Iréne Schweizer, die Gastwirtstochter aus Schaffhausen, wird mit circa
zwölf Jahren zuhause bei Tanzveranstaltungen infiziert, lebt seitdem für
die Musik, den Jazz. Um das Klavier, ihr Instrument geht es ihr nicht, sondern
um die Musik, die sie damit macht. Die Dinge, die ihr wichtig sind, arbeitet
der Film sehr anschaulich heraus, nicht die Technik in der Musik, sondern die
Emotion. Mag sein, dass sie in jüngeren Jahren als Mitbegründerin
des europäischen Free Jazz noch anders gedacht hat, als sie noch mit allen
möglichen Körperteilen spielte, heute bewegt sie in erster Linie
die Poesie in der Musik. Beeinflusst hat sie vor allem die afrikanische Musik,
die Begegnung Ende der 50er Jahre in Zürich mit den südafrikanischen
Exilanten, Dollar Brand oder Louis Moholo, mit dem sie seit den 70er Jahren
im Duo durch Europa spielt und 2003 seine Heimat besucht hat. Die Emanzipation
als Frau in der reinen Männerwelt, die die Musik darstellt, war und ist
ihr ein großes Anliegen, prägt ihre Musik in einem unvergleichlichen
perkussiven Spiel. Mit dabei war sie bei dem Aufbegehren der 68er Zeit, hat
die Frauenemanzipationsbewegung in der Schweiz mit begründet und unterstützt.
Musikalisch zeigt der Film vor allem das legendäre Trio „les Diaboliques“ mit
Maggie Nichols und Joelle Leandre.
Viele bekannte Beispiele, Duos mit Pierre Favre, Co Streiff oder Han Bennink
oder das großartige Trio mit Hamid Drake und Fred Anderson in Willisau
2003, das man wie auch ein Konzert mit Han Bennink im Moods in Zürich
in voller Länge erleben kann, machen den Film zu einem großartigen
Musik-Filmdokument.
Immer wieder taucht die Präsens von Intakt Records in Person von Rosemarie
Meier und Patrick Landolt auf, kein Wunder, beginnt doch mit Irène Schweizer
die Existenz dieses heute nicht mehr weg zu denkenden Labels in der internationalen
Improvisierten Musik.
Hans-Jürgen von Osterhause |