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Horst Weber ist ein tapferes Schneiderlein. Während der 60er Jahre verschlug es den rheinischen Frohländer nach München – damals die „heimliche Hauptstadt des ambitionierten Jazz“. Das lag auch an Ernst Knauff, dem Wirt des „Domicile“ – DEM Jazzclub jener Tage. Weber – selbst in vielerlei Hinsicht ambitioniert – knüpfte schnell Kontakte, hier wie dort. Dort meint in diesem Falle – sehr hellsichtig für die damalige Zeit – Japan. Und weil Tuch und Töne sich herrlich verbinden ließen (sic!!), gehört „Live in Tokyo“ des Albert Mangelsdorff Quartetts bis heute zu den besten ENJA-Platten. Die waren zunächst alle gelb-klar, die Plaste war schwarz, aber der Bäbber – das „Label“, auf dem das bis heute wohlklingende Kürzel „European New Jazz“ stand – „Live in Tokyo“ entstand 1971, noch vor der offiziellen Installation des Labels. ENJA, das war zunächst gar nicht ausschließlich „European Jazz“, und doch – es gibt bis heute kein Äquivalent zu dieser außergewöhnlichen Labelpolitik. Erstaunlicherweise – und hier wird’s zunehmend interessanter – war etwa zur selben Zeit (es begab sich aber…), zwischen 1968 und 1972, der Bassist Manfred Eicher auf eine ähnliche Idee gekommen und hatte auch eine Plattenfirma gegründet: ECM – das stand für „European Contemporary Music“. Eicher verpflichtete den Expatriaten und Wahlmünchner zu jener Zeit, den hochbeleumundeten Mal Waldron, zur Einspielung der programmatisch ersten ECM-Platte des Mal Waldron Trios unter dem Titel „free at last“. Programmatisch insoweit, als dieses Statement den hymnischen Schluss Martin Luther Kings berühmter Rede „I have a dream“ markierte. Im Jahr 1978 dann hatte Horst Weber, der inzwischen den japanischen Kornettisten Terumasa Hino in Europa einem interessierten Publikum vorgestellt hatte, Mal Waldron (der inzwischen bei ENJA unter Vertrag war) mit Hino zum „summit“ geladen (was eine weit verbreitete Produzentenattitüde seit Berendts Festivalsummits im Rahmen der Berliner Jazztage und anderem mehr gewesen war). Mit im Boot: Steve Lacy, Cameron Brown, Makaya Ntshoko und: der Münchner Hermann Breuer – ein illustres Paket, in der Tat. Es funktionierte: „Moods“ – zunächst auf zwei LPs, 1990 dann auf einer CD re-issued und jetzt im 24-bit-System re-re-issued, also noch einmal wieder veröffentlicht – gehört zu den „Must haves“. Nicht nur, weil das in seiner Intensität atemberaubende „Sieg Haile“ wieder gehört werden kann, weil „Anxiety“ in seiner Eindringlichkeit noch gläserner, beinahe möchte man sagen: gewalttätiger, gewaltsamer klingt als noch auf der LP. Ich halte nicht viel davon, hier neuerliche technische Bearbeitungsverfahren zu diskutieren, weil die Multifunktionalität der beteiligten Komponenten zu viele Fehlerquellen, zu unterschiedlichste Modifikationen im Urteil herbeiführt. Das 24-bit-remastering-System bietet erwiesenermaßen brillantere Klangergebnisse: Die Bässe sind klarer, die Höhen klirren wie die ersehnte Kälte im hellen Sonnenlicht des noch spätsommerlichen Advents 2006. Aber mein alter Thorens-Plattenspieler, riemenbetrieben, mit dem Empire-Diamantsystem, an einem fetten Sony-Verstärker mit Dynaudio-Boxen, verbunden durch – na? jetzt hab ich die Marke vergessen, aber amtliche Kabel jedenfalls – all dies macht „Moods“ auf Vinyl wenigstens ebenso aufregend wie „Moods“ re-re-issued im 24-bit-System. Wichtig vor allem ist, dass die Platte noch immer zugänglich ist. „ Moods“ – das wissen wir inzwischen – erinnert auch an den zigarrillorauchenden Mal Waldron und die Konjunktion mit dem entsprechenden Namen dieser Rauchware. „Moods“ – Stimmungen sind es auch, die von diesem, noch auf der ersten Wiederveröffentlichung im Jahr 1990 abgedruckten, wunderlichen Foto des Ethnologen Gert Chesi erzeugt werden – neuerlich ersetzt durch wunderliche Grafiken. Die Wieder-Wiederveröffentlichung bietet zusätzlich einen – wie heißt das heute? – „Bonus Track“. Klar: „Soul eyes“ – tatsächlich eine der schönsten Balladen der Jazzgeschichte (diesmal echt und wirklich). Das alles ist natürlich alles andere als „European New Jazz“, wie wir heute um dessen Definition ringen würden, mit Begriffen wie „folklore imaginaire“ und anderem. ENJA war zunächst zwei Öltanks, jetzt ist ENJA eine hochheilige Trinität. Horst Weber hat sich länger schon zurückgezogen und dem Posaunisten Werner Aldinger das gelbe Label überantwortet. Matthias Winckelmann, aus dem Hessischen kommend, und nicht minder befeuert vom Jazz wie dereinst Horst Weber, betreibt die „amerikanische“ Linie.Sohn David Winckelmann schließlich ist es, der diese wunderbaren ollen Kamellen jetzt wieder auf den Markt bringt. Wir entdecken die Pianisten Bob Degen, Stanley Cowell, Hal Galper oder Richie Beirach wieder neu – beinahe hatten wir vergessen, dass etwa Bob Degen etliche der intensivsten Pianotrioplatten eben auf ENJA abgesondert hat, oder Hal Galper mal mit Cannonball Adderley die Souljazz-Erfolgsgeschichte weiterschrieb, die mit Bobby Timmons, Joe Zawinul, George Duke begonnen hatte, dass Frank Tusa einen wunderbar gefühlvollen Bass spielt, ebenso der Schweizer Isla Eckinger und dass wir einfach froh sein sollten, dass es diese Perlen jetzt wieder zu kaufen gibt. So. Roland HHBiswurm |
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