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Erfolgsgeschichten beginnen oft unscheinbar: Als das sächsische Unkersdorf 650 Jahre alt war, kam die Idee auf, dem Örtchen ein paar Töne Jazz einzuhauchen. In der Folge gab es fünf Jahre lang mit wachsendem Erfolg Unkersdorfer Jazztage. Dieses Festival, geboren aus einem Konzert des Trios Klazz Brothers, ist Geschichte. Das neue Kapitel heißt Jazztage Dresden. Zwölf Novembertage im 800. Jahr dieser Stadt. Mehr als ein Dutzend Konzerte. Tausende Gäste. Fortsetzung folgt. Der Erfolg (mit-)klatschender Massen gibt den Veranstaltern recht. Wer wollte da nörgeln? Und doch scheint ein Missverständnis schon – und vor allem – beim Namen des höchst ambitioniert betriebenen Festivals vorzuliegen. Jazztage wären etwas anderes als ein reines Unterhaltungsfest. Hier scheint auf ein Konzept gesetzt, das stimmungsvoll die Hörgewohnheiten eines möglichst breiten Publikums bedient, die Gattung Jazz aber weder zu den Ursprüngen noch gar in Richtung Zukunft auszuloten sucht. Während benachbarte Festivals in Leipzig und Berlin etwa den Brückenschlag großer Namen und experimenteller Wagnisse meistern, scheint man in Dixieland-Dresden vor allem auf gute Laune aus zu sein. Also seicht. Freilich, das sei nicht verschwiegen: Im Gegensatz zur etablierten Szene sind die Jazztage an der Elbe frei von öffentlichem Zuschuss. Kilian Forster, Bassist der Klazz Brothers, kommt als künstlerischem Leiter des Festivals das Verdienst zu, neben Programmgestaltung mit der Suche nach Sponsoren und Veranstaltungsorten organisatorisch die Hauptlast gemeistert zu haben. Ganz „nebenbei“ wirkte er auch noch aktiv in mindestens vier Konzerten mit. Zum Auftakt gab es in der eindrucksvoll modernen Räumlichkeit eines Autowerks mit mauer Akustik das Programm „Mozart meets Cuba“. Musik wie für die Hotelbar, weichgespülte Themen des Salzburger Meisters, von einem Hauch Karibik umweht. Schwerlastiger eine weitere Variante des berühmtesten Händel-Oratoriums, diesmal als „Messias Superstar“ apostrophiert und reichlich brachial. Klassikeradaptionen von Bach bis zu den Beatles gaben den Ton an, Crossover schien das Motto zu sein. Überaus witzig gelang dies mit Global Kryner, einem spielwütigen Ensemble aus Österreich, das beste Blasmusiktraditionen in jazzigen Brass umsetzt und dabei weder Rock und Pop noch die gute alte Operette verschont. Auf Stimmenfang a capella waren Vocal Sampling aus Kuba sowie die britischen Swingle Sisters aus und überzeugten mit Mundfertigkeit. Der Brasilianer Edson Cordeiro brillierte als Stimmakrobat. Latin Jazz nebst Grenzüberschreitungen zum Tango durch Quadro Nuevo trafen den Publikumsgeschmack. Erstaunlich mager besucht war Altmeister Klaus Doldinger, der nicht nur seinen 70. Geburtstag und das 35-jährige Bestehen von Passport zelebrierte, sondern darüber hinaus den Bogen zu arabischen und nordafrikanischen Traditionen schlug. Von Barbara Dennerlein waren gewiss keine Überraschungen zu erwarten, mit Faszination jedoch widmet sie sich wieder und wieder eigenen Kompositionen für Hammondorgel. Wunderbar originäre Werke trug auch die deutsch-tansanische Sängerin Lyambiko mit ihrem exzellenten Trio vor, hier hat sich jemand wirklich reichlich jung zu einem tollen Unikat gemausert. Eigenständig auch Jocelyn B. Smith, die allerdings ihr Konzert zu einer brüskierend missionierenden Gebetsstunde umfunktionierte. Wächst mit zunehmendem Alter auch der Bekehrungsdrang? Die Dresdner Jazztage 2007 werden zwei Tage kürzer sein. So viel war rasch gelernt. Ob dann auch das Profil an Schärfe gewinnt, bleibt abzuwarten. Auf die gelungenen nächtlichen Sessions aber sollte nicht verzichtet werden! Michael Ernst |
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