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Der Flügel ist rot in Münster! Und das entlockte den Pianisten nicht selten ein freudvolles Staunen, bevor dieser „tönende Ferrari“ drei Tage lang und immer wieder neu zum vielfältigst genutzten Werkzeug exzellenter Jazzpianistik wurde beim 21. Internationalen Jazzfestival in Münster. Seit 10 Jahren nun im Theater der Städtischen Bühnen beheimatet, erfüllt die von Fritz Schmücker mutig konzipierte Gesamtschau des aktuellen Jazz in all seinen Perspektiven einen wichtigen, weit über die Region hinaus wirkenden Kulturauftrag.
Gewissen Betriebswirtschaftlern scheint dies jedoch keine 40.000 Euro mehr wert zu sein. Dies ist der Betrag, mit dem die Stadt Münster – zusätzlich zu den Sponsorengeldern – die Existenz dieses Ereignisses sichert. Würde tatsächlich der Vorschlag eines Gutachtens einer Unternehmensberatung im Auftrag der Stadt Münster ernst genommen, käme dieser Posten zusammen mit anderen auf die Streichliste – auch im malerischen Erbdrostenhof zu Münster ist es seit der Abschaffung des Barockfestes im Jahre 2006 deutlich stiller geworden... Überhaupt nicht still war es drei Tage lang im ausverkauften Münsteraner
Theater mit viel Neuem. Etwa die „Rhythmusgruppe“ des finnischen
Quartetts „Rantanplan“. Der blutjunge Felix Zenger betreibt „Beatboxing“,
erzeugt mit dem Mund perkussive Geräusche, wobei Stimme, Atemtechnik,
Zunge, Wangen und Kiefermuskulatur gleichermaßen zum Einsatz kommen.
Wie sonst Bass und Schlagzeug trieben seine aberwitzigen Beats und Scratches
das wieselflinke Spiel von Iiro Rantala voran, der seinerseits das ganze „Ferrari-Potenzial“ des
Steinways ausreizte. Trompeter Lew Soloff spielte dazu göttliche
Licks und könnte optisch einem Blues-Brothers Film entstammen. So
bekamen Coltranes „Giant Step“ oder später ein hinreißendes „Little
Wing“ seinen ganz eigenen Spaßfaktor! Was sonst noch so alles
mit der Stimme geht, zeigte Michael Schiefel in einer humoristisch-virtuosen
Solo-Performance. Live steuert der androgyn wirkende Wahl-Berliner einen
Sampler und fügt damit seine Gesangslinien zu skurrillen A-cappella-Chören
zusammen. Ironische Texte über Touristen in seiner Wahlheimat und
ein ins Schwarze treffender Stadt-Land-Vergleich offenbarten viel herzerfrischend
absurden Humor und das ging einher mit seinem kunstvollen, verblüffend
wandlungsfähigen Vocal-Jazz inklusive Scat-Gesang – eine verblüffende
Mixtur auf diesem Festival! Stefan Pieper |
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