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Jazz in ehrwürdigen Opernhäusern ist mittlerweile nichts Neues mehr. Vor mehr als sechs Jahren aber war die Idee von Jazztrompeter Johannes Faber, im Münchner Staatstheater am Gärtnerplatz eine Reihe mit Jazzkonzerten zu starten, durchaus ein Novum. Ein riskantes Experiment geradezu, denn ein Theater will ausgelastet sein, um die hohen Betriebskosten eines so großen Hauses zu decken und ob der Jazz als vor sich hin kränkelnde Ex-Popularmusik diese Besucherzahlen liefern konnte, wusste im Jahr 2000 noch niemand. Heute ist die Reihe Jazz im Gärtnerplatz fester Bestandteil des Münchner Kulturangebots und erfährt großen Zuspruch durch ein Publikum, das sich sonst selten auf Jazzkonzerten blicken lässt. Zum Auftakt der siebten Spielzeit im Zeichen des Jazz sah Johannes Faber bei der Begrüßung allerdings weniger Jazzfreunde als sonst im Parkett sitzen und auch die Ränge waren spärlich gefüllt. Vielleicht lag das am Programm des Abends: drei Pianisten, die nacheinander ihre Solo-CDs vorstellen würden. Zugegeben, die Aussicht auf knappe drei Stunden Solopiano wirft die Frage auf, wer bereit ist, sich das anzutun, aber die Auswahl der Künstler sprach doch für sich. Neben dem neuen Liebling der deutschen Jazzkritik Michael Wollny wartete mit Joachim Kühn einer der wenigen international bekannten Jazzmusiker auf das Münchner Publikum und der in Deutschland relativ unbekannte Kubaner Ramón Valle versprach, dem Abend eine exotische Note beizusteuern. Den Anfang machte der „junge Wilde“ Wollny, der auch gleich zeigte, was Solo-jazzpiano bedeuten kann. Bewaffnet mit einem kleinen Stapel Notenblätter, die irgendwie den Eindruck vermittelten, es stünde gar nichts drauf, griff der 27-Jährige in die Tasten und spielte einige Stücke, die dem Zuhörer nur eine vage Chance zur Verfolgung einer Struktur ließen. Aber es machte Spaß zuzusehen, wie respektlos und ungezwungen sich dieser junge Mann in Turnschuhen seinen musikalischen Weg bahnte. Der führte ihn nur nicht von Thema zu Thema, sondern von Momenten, in denen die Pianistenhände in wildem Affekt auf die Tasten einhämmerten, zu Momenten, in denen dieselben Pianistenhände dem Klavier melancholische Klänge entlockten. Wer sich anfangs gefragt hatte, was Wollny mit dem leeren Weinglas vorhatte, das er neben dem Flügel abgestellt hatte, wurde endlich aufgeklärt, als dieses, auf den Klaviersaiten hin und her geschoben, seinem scheppernden musikalischen Zweck zugeführt wurde. Nach diesem Vortrag mit avantgardistischen Zügen wurde das Publikum von Ramón Valle wieder an der Hand genommen und in die vergleichsweise strukturierte musikalische Welt des kubanischen Komponisten Ernesto Lecuona entführt, dessen Kompositionen Valle zum Inhalt seiner CD „Memorias“ gemacht hat. Nachdem der etwas klein geratene Kubaner mit viel Mühe und mehreren Testanläufen den Klavierhocker in die richtige Betriebshöhe gebracht hatte, zeigte er viel Einfühlungsvermögen und Können bei der Interpretation von Lecuonas Stücken, die zum Teil sehr lyrisch angelegt waren und durch interessante harmonische Wendungen überraschten. Nach der Pause setzte sich dann der Grandseigneur des deutschen Modern Jazzpianos Joachim Kühn an den Flügel. An optischer Wildheit übertraf der „alte Hase“ Kühn den „jungen Wilden“ Wollny noch bei weitem mit seinem unbändigen grauen Haarschopf und dem doch recht grimmig wirkenden Gesichtsausdruck beim energischen Griff in die Tasten. Mit dem Erkennen einer Liedstruktur hatte der geneigte Konzertbesucher es wieder ähnlich schwer wie bei Wollnys Vortrag. Rhythmische Ausbrüche mit kurzen Glissandi wechselten mit behutsamen Momenten, in denen Kühn, in Konzentration versunken, fast über dem Flügel zusammenzusacken drohte, bis ihn dann ein weiterer Vulkanausbruch wieder aufrichtete und sein wallendes Haar zum Fliegen brachte. Erstaunlicherweise kam dabei nie das Gefühl auf, hier seien der künstlerischen Willkür Tür und Tor geöffnet. Es war, als befände sich Kühn auf einer Schiene, deren unabänderlicher Verlauf ihn geradewegs zum Ziel führte. Als er dann schließlich aufstand, das Mikro ergriff und ein paar Schritte auf das Publikum zutrat, kam doch noch einmal kurz die Angst auf, der Mann mit dem grimmigen Gesicht könne sich zu etwas Unüberlegtem hinreißen lassen. Zur großen Erleichterung begrüßte er aber nur Johannes Faber, der wie üblich beim letzten Stück des Abends mit seiner Trompete einsteigen sollte. Und der kam gehörig ins Schwitzen. Kühn stimmte ein Stück an, dessen Thema nicht nur schwer zu spielen, sondern auch noch sehr schnell war. Als Faber nach einigen, zum Vergnügen des Publikums sichtbar mühsamen Versuchen, endlich erfolgreich war, beendeten die beiden einen sehr unterhaltsamen, wenn auch streckenweise schwer verdaulichen Pianoabend im Staatstheater, dem zu wünschen ist, dass bei den nächsten Konzerten dieser spannenden Reihe wieder mehr Besucher den Weg zum Gärtnerplatz finden werden. Viel versprechend ist allerdings das nächste Jazzhighlight im Gärtnerplatz, ein Konzert mit Peter Herbolzheimers „Rhythm Combination & Brass“. Die Band zählt zum Besten, was Deutschland in den letzten 20 Jahren an orchestralem Jazz aufgeboten hat und Herbolzheimer, der im vergangenen Jahr seinen 70. Geburtstag feierte, ist als Arrangeur immer noch der erste Mann im Staate, wenn es darum geht, Jazz mit anderen Stilistiken überzeugend zu verschmelzen. Ein großer Fang für das Staatstheater am Gärtnerplatz und ein „must see“ für all jene, die einer Big Band auch dann etwas abgewinnen können, wenn sie nicht Swing spielt. Jörg Lichtinger |
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