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Unwillkürlich ist die wieder da, die Erinnerung an die Faszination beim ersten Hören des ganz anderen Miles Davis, Ende 1969, nach Erscheinen des Albums „In A Silent Way“. Unfassbar dass eine solche Musik möglich war, die den poetischen, schwebenden Trompetenklang, wie er mit „Kind of Blue“ zehn Jahre zuvor zum ersten Mal in perfekter Weise erleben ließ. Nun erstreckte er sich ungestört von den üblichen Jazz-Rahmenbedingungen über die ganze Aufnahme, noch dazu begleitet von einem elektronischen rhythmischen Gewebe, das man aus der zur selben Zeit entstehenden amerikanischen Pop Musik kannte, die ebenfalls die Grenzen des bisher Gehörten zu sprengen begann. Die folgende Doppel-LP „Bitches Brew“ brachte das neue Konzept zu seiner ersten Vollendung. Dass Miles Davis mit dieser Musik auch die großen Bühnen, zum Beispiel die beiden Fillmores im Osten wie im Westen der USA füllte, brachte die Kritiker und „Neider“ wie zum Beispiel Stanley Crouch auf den Plan, die ihn mehr oder weniger als Verräter einstuften, was aber seiner Popularität keinen Abbruch tat. Eines dieser überwältigenden Großereignisse war das Open Air Festival auf der Isle of Wight am 29. August 1970, mit einem ähnlichen Konzept wie Woodstock ein Jahr zuvor, aber mit dem Unterschied, dass dieses Mal nach Joni Mitchel die Miles Davis Group mit Chick Corea, Keith Jarrett, Gary Bartz, Dave Holland, Jack DeJohnette und Airto Moreira die Bühne betraten. Die 38 Minuten des Auftritts mit dem vielsagenden Titel „Call
it Anything“ – eine Antwort von Miles auf die Frage, was er
denn spiele – stehen im Zentrum der gerade erschienenen DVD bei
„eagle In der dem Konzert vorgeschalteten Dokumentation zu dem Konzert erklärt Jarrett von der Trance, in die er sich versetzt fühlte, wie er nichts als Kraft beisteuerte und Davis Trompete in einem Kontext erlebte, für den sie eigentlich nicht gedacht war. Regisseur Murray Lerner holt weit aus und lässt viele Wegbereiter, Bewunderer und Freunde von Miles Davis rekonstruieren, wie es zu der Wende in seinem musikalischen Leben kam. Carlos Santana spinnt den roten Faden durch die Geschichte, den Herbie Hancock mit einer „So What“ Aufnahme des ebenfalls legendären Quintetts der 60er-Jahre mit ihm und Wayne Shorter einleitet. James Mtume, Pete Cosey, Bob Belden, Joni Mitchel, Gary Bartz, Dave Liebman, Dave Holland, Jack DeJohnette, Airto Moreira, alle kommen zu Wort und erzählen die Geschichte von dem Boxer Miles Davis, seiner Verehrung für Jack Johnson, die kurze Ehe mit Bette Mabry und die Geschichten um Jimi Hendrix, der ihn ganz offensichtlich inspiriert hatte. Gray Bartz, bei dem Konzertmitschnitt ganz groß, trifft die Wahrheit, wenn er erklärt, dass sich nicht Miles Davis geändert hatte, sondern die Umgebung um ihn herum. Wenn man Davis kurz vor seinem Tod auf seiner letzten Europa Tournee erlebt hatte, bestätigte sich dieser Hinweis, er spielte immer noch „Kind of Blue“ und dieses Mal noch viel direkter, für alle Ewigkeit. Das Publikum auf der Isle of Wight war gebannt, keine kritischen Reaktionen wie bei Joni Mitchel kurz zuvor. Leben kam in die riesige Menge erst wieder als der letzte Ton verklungen war. Die DVD nach dem beim New York Film Festival 2004 bringt ihn unweigerlich wieder zurück, den Electric Miles, auch wenn, wie bei derartigen Produktionen häufig fest zu stellen, das Drumherum überflüssig ist, zum Beispiel die kurzen „Tribute-Einspielungen“ einiger Musiker, mit dem unvermeidlichen Herbie Hancock am Ende. Ein Gewinn ist dabei lediglich der Auftritt Airto Moreiras. Wegen der 38 Minuten Konzertmitschnitt bleibt aber der Tipp: höchst empfehlenswert! Hans-Jürgen von Osterhausen DVD-Tipp
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