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Jazzzeitung

2005/04  ::: seite 11

farewell

 

Inhalt 2005/04

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / News / break
no chaser:
An den jungen Kollegen (E-Mail Nr. 4)
all that jazz:
Erinnern, Vergessen
jazzfrauen-abc: Liz Fletcher
farewell:Abschied vom Hammond-Organisten Jimmy Smith


TITEL / DOSSIER


Titel: Der Song als Moderator
So sexy kann Jazz sein: Rebekka Bakken mit neuem Album
Dossier: Jedem Musiker sein Label
Jason Seizer, Hugo Siegmeth und André Nendza berichten


BERICHTE


Abdullah Ibrahim im Berliner Kammermusiksaal // Internationale Jazzwoche Burghausen 2005: Vorausblicke // Ernie Watts Quartett in der Leipziger Moritzbastei // Gonzales in Leipzig // Steve Turre Two Trombone Quintet „For Jay and Kai“ // Swing-Abend mit großer Besetzung feiert „50 Jahre Blues & Jazz in München“ // Die Punk-Jazzer von „gutbucket“ wildern in fremden Terrains


 JAZZ HEUTE

Swingen muss es unbedingt
Joe Vieras Uni-Big-Band und der Jazzclub München
DJF. Die Weichen sind gestellt
Die Deutsche Jazz Föderation: Zukunftsperspektiven


 PORTRAIT / INTERVIEW


Pat Metheny // Perkussionist, Komponist, Mallet-Spieler Kevin Norton // Zum 65. Geburtstag von Herbie Hancock


 PLAY BACK / MEDIEN


DVD.
Das legendäre Isle of Wight Konzert auf DVD
DVD. Neue DVDs mit Lester Young und Ben Webster
CD. CD-Rezensionen 2005/04
Bücher. Ashley Kahn besichtigt den Mythos Coltrane
Bücher. Studs Terkel: Giganten des Jazz, 1975
Bücher. Neuerscheinungen zu Dinah Washington, John Levy, Bob Thiele
Noten. Neue Noten für Saxophonisten und Gitarristen
Instrumente. Thomas Zoller im Gespräch über ein kleines Teil mit großer Wirkung
Medien. link-tipps


 EDUCATION

Abgehört 33. Das gewisse Etwas des Live-Konzerts
John Scofield trifft Steve Swallow und Bill Stewart im Blue Note
Es gibt kein richtig oder falsch
„Scat Max“ Neissendorfer und die Neue Jazz School München · Ein Portrait // Fortbildung // Ausbildungsstätten in Deutschland (pdf)


SERVICE


Critics Choice

Service-Pack 2005/04 als pdf-Datei (Kalender, Clubadressen, Jazz in Radio & TV (264 kb))

König der Königin

Abschied vom Hammond-Organisten Jimmy Smith

Die Orgel gilt vielen als Königin der Instrumente. Und Jimmy Smith, der am 8. Februar in Scottsdale, Arizona starb, galt als König der Orgel, jedenfalls jener Form der Orgel, die durch ihn (und durch die er) im Jazz weltweite Geltung fand, die Hammond B3.

Unzählige Musiker wie Jack McDuff oder Jimmy McGriff, Richard „Groove“ Holmes, „Baby Face“ Willette, „Big“ John Patton oder Don Patterson folgten seinen Spuren. Jimmy Smith popularisierte den Sound der Hammond-Orgel, und dies mit einer Autorität, die eine enorme Niveauvorgabe für die Nachfolger waren.

 

König und Königin: Jimmy Smith und seine Hammond. Foto: Jazz Archiv HH/Schiffler

Smith, der Charlie Parker und den souligen Vibraphonisten Milt Jackson als musikalische Väter betrachtete, erschien Mitte der 50er-Jahre zunächst als Bopper reinsten Wassers auf der Bühne der Jazzgeschichte. Das Instrument so vollkommen, virtuos und durchgehend jazzmäßig gespielt zu hören war damals so ungewöhnlich, dass man ihn „The Incredible Jimmy Smith“ nannte. So steht es auch auf vielen Alben, die zunächst beim Kultlabel Blue Note veröffentlicht wurden, das in den 60er die wichtigste Marke der soulig bluesig und gespielten Jazzorgel werden sollte. Jimmy Smith verbreitete nicht nur die Hammond-Orgel. Seine tief in den schwarzen roots, Blues und Gospel, verankerte Spielweise, wurde auch stilistisch maßgeblich für die meisten Organisten. Jimmy Smith spielte viel viel Blues: Und zwar so, wie ihn Hammond-Organisten gerne spielen, seit er zu ihrem Stammvater wurde: Vibrierend, kochend, unten blubbernd, oben schrill. Selbst wenn er „I’m your Hoochie Coochie Man“ sang, klang das nicht weniger authentisch als bei Muddy Waters.

James Oscar Smith, der wohl berühmteste Jazzorganist aller Zeiten, stammte aus einer musikalischen Familie. Im Alter von sechs Jahren trat er singend und tanzend mit seinem Vater auf, der Handwerker und Amateurpianist war. Mit neun Jahren gewann er einen Amateurwettbewerb. Seine Profi-Karriere startete er nach seiner Zeit in der Navy in Philadelphia. 1947 studierte er an der Hamilton School Kontrabass und Klavier, 1949/50 Klavier an der Horenstein School. Beides kam ihm zugute als er sich 1951, von Wild Bill Davis beeinflusst, der Orgel zuwandte. Seine ersten Sporen verdiente Smith sich in R&B-Formationen. Nach drei Jahren in der Band von Don Gardner gründete er 1955 ein Trio, zu dem für zwei Wochen John Coltrane gehörte.

Über Nacht berühmt

Seinen Durchbruch als einen der ersten großen Organisten nach Fats Waller, Milt Buckner und Wild Bill Davis hatte der 1925 im pennsylvanischen Norristown geborene Smith 1956 als fast Unbekannter im New Yorker Café Bohemia, also in jenem Lokal, wo ein Jahr zuvor Cannonball Adderley über Nacht berühmt wurde. Spielten die früheren Organisten eher orchestral, wie eine Ein-Mann-Big-Band, so brillierte Smith durch schnelle, klar artikulierte Läufe, die mit einem schneidenden Sound in jeder Besetzung durchdrangen. Zu seinen Markenzeichen gehörte auch die spannungserzeugende Mischung pianistisch kurzer und organistisch lang ausgehaltener Töne. Am meisten fiel seinerzeit wohl ein Merkmal seines Spiels auf, das man als heutiger Hörer seiner frühen Aufnahmen zunächst kaum beachtet, weil man es stillschweigend voraussetzt: seine Fußpedaltechnik. Zwar konnte man schon vor ihm mit den Pedalen Bassläufe spielen, doch man beschränkte sich in der Regel darauf, Akkorde zu spielen. Mit Jimmy Smith trat erstmals ein Organist in Erscheinung, der einen Bassisten nicht vermissen ließ. „Das Wichtigste ist, eine gute Basslinie zu halten, gerade so, wie ein Bass das tut. Ich hatte in der Schule zwei Jahre Kontrabass als Zweitfach, deshalb wusste ich, wie ein Basslinie zu laufen hat und wie man sie sogar durch das Solo scheinen lässt. Alles muss eine Geschichte erzählen, und der Bass und der Diskant müssen ineinander greifen.“ Man kann also ohne Übertreibung sagen, dass es eine Jazzorgel vor und eine seit Jimmy Smith gibt.
Auf seinen Blue-Note-Alben musizierte er mit einigen der herausragendsten Solisten der Zeit, darunter, Lee Morgan, Lou Donaldson und Curtis Fuller. Besonders gut harmonierte er mit dem Tenoristen Stanley Turrentine, der selbst mit einer großen Organistin, Shirley Scott, verheiratet war. Der für Smith typische Soul-Jazz-Stil, der oft so klang, als sei er mitten in der Nacht in einem rauchgeschwängerten Club entstanden, stand schon in den späten 50er-Jahren fest, auch wenn das Etikett Soul Jazz dafür nicht üblich war. Obwohl bei seinen frühen Aufnahmen auch Art Blakey am Schlagzeug zu hören war, wurde Donald Bailey zum typischen Drummer an seiner Seite. Wenn Bailey spielte, hörte man auch schön die von Jimmy Smith gespielten Bassnoten. Schon vor Jimmy Smith war das Trioformat mit Orgel, Gitarre und Schlagzeug, das oft mit einem Saxophon zum Quartett ergänzt wurde im Jazz typisch. Durch Smith wurde es eine allgemein vorbildliche Besetzung. Gitarristen kamen in den frühen Jahren bei Smith gut zur Geltung. Neben Eddie McFadden und Quentin Warren war es vor allem der frühe Kenny Burrell, der Smith Musik Glanzlichter aufsetzte.

Moderner Stil

Mit seinen Combo-Aufnahmen auf Blue Note hatte Smith den Stil der modernen Jazz-Orgel definiert. 1962 wechselte Jimmy Smith von Blue Note zu Verve, eine Firma, mit der er dank großer Orchesterbegleitung noch größere Breitenwirkung erzielte und durchaus auch in den Pop-Markt einbrach. Schon eine der ersten Aufnahmen für Verve, „Walk On the Wild Side“ aus dem Album „Bashin’, The Unprecitable Jimmy Smith“, wurde zu einem Hit, nicht zuletzt dank eines Arrangements des Arrangeurs Oliver Nelson, der es stets gut verstand Jazzauthentizität mit kommerziellem Kalkül zu verbinden. Ähnlich zugkräftig waren Nelsons „Hobo Flats“ und Lalo Schifrins „The Cat“ (auf gleichnamigem Verve-Album). Der neue, Bigband-Smith war nicht nach dem Geschmack aller Kritiker, doch der Vorwurf der Kommerzialitat traf daneben. Smith machte wohl aufrichtig die Musik, die ihm selbst lag. Zwischen 1962 und 1966 las man den Namen Jimmy Smith ständig auf den Bestseller-Listen. 12 seiner Alben kamen in jener Zeit in die US Top 20. Beachtlich für einen Jazzmusiker, noch dazu einen, dessen Instrument noch wenige Jahre zuvor eher belächelt worden war.

Smith war alles andere als ein musikalischer Snob. Obwohl er die Sprache des Bebop beherrschte, liebte er es kinderleichte, eingängige oder sehr beliebte Stücke zu spielen. Doch auch „Ol’ Man River“ oder „When The Saints“ klang unter seinen Fingern nicht abgedroschen. „Ich verbeuge mich vor den Massen“, sagte er einmal in einem Interview für die Zeitschrift Down Beat.

Nach Popularitätsverlusten in den 70er Jahren – die Orgel erschien plötzlich als altmodisch und selbst Smith spielte nun bisweilen Synthesizer – spielte er sich im Verlauf der 80er- und 90er-Jahre wieder nach vorne. Inzwischen war mit Talenten wie Barbara Dennerlein, Joey DeFrancesco und Dan Wall eine neue Generation herangewachsen, die der Hammondorgel neues Gewicht verschafften. Als Jimmy Smith 1995 wieder zu seinem Label Verve zurückkehrte, trat ein revitalisierter Musiker an die Öffentlichkeit, der bis zuletzt der – im doppelten Wortsinne – erste Meister der modernen Jazzorgel blieb.

Marcus A. Woelfle

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