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Zum Auftakt der zahlreichen kleinen österreichischen Festivals der etwas anderen Musik verwandelte sich die Marktgemeinde Ulrichsberg im Mühlviertel zum verlängerten Himmelfahrtswochenende (vom 9. bis 11. Mai) wieder in ein Mekka für die Fans von Improvisation und Freejazz. Einmal mehr konnte das Ulrichsberger Kaleidophon auch in seiner nunmehr 17. Ausgabe ein lebendiges Bild der kreativen Gegenwartsmusik vermitteln. Die extremen Ränder (Neue Musik, New Electronica) traten diesmal etwas zurück zu Gunsten der vielfältigen Spielformen des Freejazz, denen allein schon Altmeister Cecil Taylor entsprechend programmliches Gewicht zuordnete. Der 73-jährige amerikanische Pianist betrat das Podium gemeinsam mit seinem Wunschpartner, dem britischen Drummer Tony Oxley. Über 90 Minuten lang beackerte Taylor den Flügel, pflügte sich mit Fingern, Fäusten und Ellenbogen durch die Klaviatur des klanggewaltigen Bösendorfer-Imperial und entfachte ein Feuerwerk musikalischer Ideen. Im Blick blieb stets der musikalische Gedankenaustausch mit den nicht minder virtuosen Klangexperimenten des Tony Oxley.
Aufmerksamen Beobachtern dürfte nicht entgangen sein, dass sich Cecil Taylor einzelne Notenblätter aufs Instrument legte. Doch selbst für blattfeste Klaviervirtuosen wäre das, was Taylor aus diesen Vorlagen entwarf, nicht reproduzierbar, zumal noch nicht einmal lesbar. Tony Oxley hat für unser Konzert so etwas wie eine Organisationsform zusammengestellt, klärt Cecil Taylor im Interview auf: Sicherlich könnte ich alles, was ich heute gespielt habe, auch Ton für Ton wiederholen, doch darum geht es nicht. Diese Aufzeichnungen sind vielleicht eher wie ein Gefäß zu verstehen, das es für uns beide musikalisch zu füllen gilt . Wer am Nachmittag den Soundcheck der beiden Musiker gehört hat, wird die Ideen, die hinter dieser Musik standen, am Abend wiedererkannt haben. Freilich, in der eigentlichen Konzertatmosphäre erfuhr die Emphase noch einmal deutliche Steigerungen. Doch auch die wundersamen Wandlungen von explosiven Ausbrüchen hin zu einer feinsinnig-subtilen Klangmystik zum Ende der Darbietung war schon am Nachmittag vorgezeichnet. Die immense Vitalität und der fantasievolle Ideenreichtum dieser beiden Ausnahmemusiker dürfte alle Kritiker verstummen lassen, die den Free Jazz einst totgesagt haben. Schon zum Auftakt des dreitägigen Festivals hatten Veryan Weston (Klavier), John Edwards (Bass) und Mark Sanders (Percussion) auf das längst nicht erschlossene Potenzial des Freejazz hingewiesen. In der seit Bill Evans quasi schon als klassisch anzusehenden Jazz-Klavier-Trio-Tradition beschritten Weston, Edwards und Sanders neue Wege der klangintensiven Kommunikation. Ebenfalls rein akustisch instrumental suchte auch der junge Norweger Frode Gjerstadt (Altsaxophon und Klarinette) im Trio mit Øyvind Storsund (Bass) und Paal Nilssen-Love (Schlagzeug) die musikalische Auseinandersetzung im Spannungsfeld zwischen der europäischen Improvisationsmusik und afro-amerikanischer Freejazz-Bewegung. Bemerkenswerterweise gelang dies auch jenseits aller von Skandinaviern sonst so vertrauten Gefilde nordisch-unterkühlter Melancholie. Emotionale Expressivität im Wechselspiel von Aktion und Re-Aktion erlebte man im Trio von Urs Leimgruber (Sopran- und Tenorsaxophon), Jacques Demierre (Klavier) und Barre Phillips (Kontrabass). Die Elektronik wurde auch bei diesem Festival keineswegs gänzlich ausgespart, sie fand sich allerdings in das instrumentale Spiel integriert. Die Briten Lol Coxhill, Mike Cooper und Roger Turner beispielsweise, die unter dem Bandnamen The Recedents antraten, führten die Knisterkiste und elektronische Sounds mit rein akustischen Klängen (Sopransaxophon, Stimme und Schlagwerk) zusammen. Auch Wolfgang Reisinger baute die Elektronik in seine Schlagzeugperformance ein. Reisinger entwarf einen vielschichtigen Klangteppich, den Dave Liebmann mit seinen leidenschaftlichen Melodiebögen von Sopran- und Tenorsaxophon, Flöte und Klavier zu durchdringen suchte. Am anderen Extrem, der Neuen Musik, stand der griechische Cellist Nikos Veliotis, der das Obertonspektum seines Instrumentes ausreizte ein Hörerlebnis, das allerdings geteilten Publikumszuspruch erfuhr. In seiner Struktur vielleicht noch etwas leichter nachzuvollziehen schien das kammermusikalische Labyrinth von Joe Maneri, dessen Reeds von aufgespaltenen Streicherklängen Barre Phillips (Kontrabass) und Sohn Mat (Viola) umgarnt wurden. Als Special Guest geleitete Joe Maneri zuvor die amerikanische Poetin und Sängerin Trudy Morse auf die Bühne. Zur Klavierbegleitung von Joe Maneri bot Morse eine exquisit-poetische Vokaleinlage, die das ohnehin sehr attraktive Festivalprogramm zusätzlich bereicherte. Wolfgang Seemann |
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