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Ihre Musik changiert irgendwo zwischen den Stühlen von Jazz, Volksmusik und improvisierter neuer Musik: Iva Bittova war zu Gast im Museum Ostdeutsche Galerie Regensburg in der Reihe jazz and more hear east. Und mit ihr zusammen ihre Instrumente: Kehlkopf, Stimme, Violine, Leier, Kinderspielzeug, Tröte. Eine Kammermusik für eine Solistin, die sich im Ausstellungsraum bewegte, mit ihren von den Scheinwerfern an die Wand projizierten Schatten genauso selbstverständlich unterhielt wie mit den an der Wand angebrachten Assemblagen des Schweizer Künstlers Daniel Spoerri. Beim Musizieren steht sie nicht still, sondern agiert wie eine Schauspielerin oder eine Vertreterin des modernen Tanzes. Ihr fällt das alles scheinbar wie von selbst zu und damit den Zuschauern, die übrigens bis ins Treppenhaus hinaus ihren Platz finden mussten.
Es darf zur Beschreibung ihrer Kunst der etwas kuriose Vergleich mit dem experimentellen Komponisten Helmut Lachenmann herangezogen werden: Sie ist der volksmusikalische Lachenmann. Unter Verwendung volksmusikalischer Idiome setzt sie gegebenenfalls alle Künste moderner Klangerzeugung ein, spielt die Violine hinter dem Steg, schrabbt mit dem Bogen auf dem Boden der Violine oder schleift ihn über die Saiten des Griffbretts. All diese Mittel setzt sie sehr zielgerichtet ein, weder rein als Kunst- noch als Effektmittel. Ebenso geht sie mit rockmusikalischen und Jazz-Idiomen um. Sie tauchen auf und sie verschwinden wieder, so wie sie benötigt werden. Berührungsängste in diese Richtungen scheint sie einfach nicht zu kennen. Im Gegenteil: Diese Vielsprachigkeit ihrer Musik, ihres Auftretens, ihrer Bewegungen ist Resultat einer langen Beschäftigung und Arbeit in den verschiedenen Sphären. Das schönste daran: ihr Musizieren wirkt voller Vergnügen und Freude an den großen wie kleinen Dingen des Lebens und der Musik. Ein theatralischer Kampf mit einer Biene oder Fliege gehört genauso dazu wie der Eindruck in ihrem ersten Stück, als es gerade so klang, als ob in ihrem Munde ein Vogel sich eingenistet habe. Überhaupt beherrscht sie in ihrer Stimme so viele Facetten vom Gesang bist zum Schrei, vom Hauchen bis zum Juchzen. All das im Bodensatz mährischer oder osteuropäischer Volksmusiktradition. Momente faszinierender Stille im Publikum. Bei fast jedem Stück setzte sie einen Schlussgag, der den Übergang von dieser einnehmenden Kunstdarbietung geschickt aufzulösen vermochte. Da macht man große Augen und große Ohren, spitzt letztere bis in den leisesten Laut an, lässt sich mitreißen von mancher musikalischer Melancholie und hinreißen von ihrem musikalischen Kammermusiktheater. Hear East ist das Motto der von Michael Scheiner geleiteten Reihe. Ja, diese Region Europas birgt musikalische Schätze ganz eigener Art, Iva Bittova ist ihrer ein ganz besonderer. Martin Hufner |
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