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Man hat oft versucht, Miles einsam-verhangenen Trompetenklang zu kopieren. Eine ganze Schar Musiker lebt heute davon. Eine schöne Beschreibung dieses Sounds stammt von einem kleinen Mädchen: Er klingt wie ein kleiner Junge, den man ausgesperrt hat und der versucht wieder hineinzukommen. Zu diesem coolen, oft mit einem Dämpfer, später auch elektrisch verfremdeten Sound kam der prinzipiell melancholische Gestus seiner lyrischen Improvisationen, die sich stets auf das Essenzielle beschränkten. Miles Davis hat wie kein Zweiter den Lauf der Jazzgeschichte über Jahrzehnte hinweg entscheidend beeinflusst: Ab 1948 ebnete er dem Cool Jazz den Weg (The Birth Of The Cool); ab 1954 verhalf er trotz seines essenziell coolen Trompetensounds dem Bop (Walkin) wieder zu mehr Gewicht; Ende der 50er-Jahre trug er entscheidend zur Entwicklung des modalen Jazz bei (Kind Of Blue); Ende der 60er-Jahre gab er den entscheidenden Anstoß zum Jazzrock (Bitches Brew); in seinen letzten Jahren war er wegweisend für die Jazz/Pop-Verbindungen der 90erJahre. Auch in den zwischen diesen bestimmenden Eckdaten liegenden Phasen war der Mann mit dem richtigen Riecher für Trends ein Orientierungspunkt für unzählige Musiker. Davis (der selbst dem weitsichtigen Bebopper Charlie Parker seinen Durchbruch verdankte, der den blutjungen Zahnarztsohn mit dem entgegengesetzten Stil 1945 in sein Quintett aufnahm) hatte einen genialen Spürsinn für viel versprechende musikalische Partner. Seine Mitstreiter der späten 50er-Jahre etwa John Coltrane, Red Garland, Paul Chambers, Philly Joe Jones, Cannonball Adderley verdanken Davis vielleicht nicht ihre Entdeckung, aber doch gewaltige Entwicklungsschübe. Marcus A. Woelfle |
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