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Er ist ein Weltbürger. Ein Schweizer, der nicht nur viel gereist ist, sondern auch viel erfahren hat. Der sich von der Neugier antreiben lässt und der bei allem Drang zum Machen eine beständige Lernfähigkeit offenbart. Wann immer ich George Gruntz erlebt habe in seiner Tätigkeit als Künstlerischer Leiter des Jazzfestes Berlin oder als Bandleader , stets strahlte er jene Synthese von Freundlichkeit, Offenheit und Entschlusskraft aus, die zu seinem Erfolgsrezept zählt. Gruntz hat Charisma und verbreitet eine Aura um sich, ohne selbstgefällig daherzukommen. Sehr schnell steht er im Mittelpunkt jeglichen Gespräches. Aber er reißt es nicht an sich. Was er zu sagen hat beruht auf Wissen, auf zurückgezogener, intensiver Arbeit am Schreibtisch und auf der jahrzehntelangen Erfahrung im Scheinwerferlicht. Er fühlt sich in kleinen Clubs ebenso wohl wie auf den großen Bühnen. Was George Gruntz sagt, schreibt und spielt, basiert auf jahrzehntelangem Umgang mit Musik in all ihren Facetten. Und George Gruntz sagt, schreibt, spielt mit Eleganz, ja mit Charme.
Seine Laufbahn begann er mit viel Talent und auch mit ein wenig Glück. Von 1954 an gewann George Gruntz mehrfach erste Preise bei den Züricher Jazzfestivals. 1958 spielte er, damals noch Amateur-Musik, mit Louis Armstrong. Im gleichen Jahr trat er als Pianist der International Youth Band beim Newport Festival in den USA auf. George Gruntz ist aufs Engste mit der Tradition des modernen Jazz verbunden und hat doch immer über die Bindungen der Konvention hinaus gedacht, den Jazz in einem erweiterten Koordinatensystem gesehen bzw. in dieses eingebracht. In den 60er-Jahren spielte er an der Seite von Musikern wie Dexter Gordon, Chet Baker, Johnny Griffin, Art Farmer sowie mit der European Rhythm Machine um Phil Woods. Gleichzeitig arbeitete er mit Jazz-Innovatoren wie Don Cherry und Roland Kirk, mit Komponisten der Neuen Musik wie Rolf Liebermann und Hans Werner Henze zusammen. In den 60er-Jahren begann George Gruntz an einer Symbiose von Jazz und europäischen Musiktraditionen unter dem Titel Jazz Goes Baroque zu arbeiten. Beflügelt vom dialogischen Denken, brachte er traditionelle Basler Trommler und Pfeifer wie auch schottische Highland-Bands mit Jazzmusikern zusammen. Zu den Glanzstücken von George Gruntz zählte die von ihm initiierte und mitgestaltete Begegnung von Musik der Beduinen mit dem Jazz in Tunesien: Noon In Tunisia. Rückblickend betont Gruntz: Das Weltmusikalische meiner Erfahrungen in Nordafrika beschränkt sich darauf, dass ein brauchbares Ergebnis nur deshalb erreicht wurde, weil wir gar nicht erst versuchten zu glauben, es müsse in Tunesien zu einer neuen Akkulturation kommen. Sonst wären wir eben dort gelandet, wo in vielen unnötigen Versuchen mit der Universalität musikalischer Sprachen sich die Ergebnisse auf Trivialität reduziert hätten. Und auf die Chancen eingehend, bilanziert Gruntz: Jazz ist Weltmusik, oder bescheidener, eine erste Form von möglicher Weltmusik. Als Kosmopolit hat Gruntz das Theater angezogen und das Theater ihn. Von Anfang der 70er-Jahre an wirkte er als musikalischer Direktor des Zürcher Schauspielhauses. Neben zahlreichen Musiken für Theater- und Filmproduktionen schrieb er Jazz-Opern und -Oratorien. Die Pariser Oper gab The World Jazz Opera in Auftrag, die später unter der Intendanz von Rolf Liebermann in Hamburg uraufgeführt wurde. Für die Cosmopolitan Greetings schuf Allen Ginsberg das Libretto, die Regie übernahm Robert Wilson. Für den Steirischen Herbst schrieb George Gruntz das Oratorium The Holy Grail of Jazz & Joy, bei deren Premiere Bobby McFerrin mitwirkte. George Gruntz hat immer wieder nach Öffnungen des Jazz gesucht und Neues ausprobiert. Dazu zählen ungewöhnliche Konzeptionen und Instrumentalkombinationen wie die Piano Conclave mit mehreren Pianisten oder die Percussion Profiles. Zum Zentrum der musikalischen Labor-Versuche mit lustbetontem Musizieren wurde für George Gruntz die von ihm 1972 mitbegründete Concert Big Band. Was heute so fulminant, so vielschichtig und so originell klingt, ist im Laufe der Jahre gewachsen. Am Anfang wollte George Gruntz, erfahren mit unterschiedlichsten musikalischen Abenteuern, nicht so recht anbeißen. Für ihn, den nach Neuem suchenden Pianisten, Keyboarder, Komponisten und Improvisator, bedeutete Big Band wohl zunächst allzu starke Bindung an die Tradition. Aus einer Laune heraus, entstand der Plan, alle guten und befreundeten Musiker für eine Probenphase zusammenzubringen. Das geschah Ostern 1972. George Gruntz nennt es heute Serious Fun. Die Geister, die er rief, haben ihn seither herausgefordert und beflügelt. The Band, einmal in die Welt gesetzt, entfaltete ihr Eigenleben. Sie bezieht sich auf die Geschichte des Jazz und reibt sich zugleich an ihr, um neue Funken zu schlagen. George Gruntz lässt sich vom Kreativitätspotential der Big Band inspirieren und stellt zugleich deren Klischees in Frage. Er bringt sich als Pianist und Bandleader selbst ein, und er weiß - da scheint die Tradition von Duke Ellington durch - seine Kompositionen und Arrangements den Musikern der Band auf den Leib zu schneidern. So, wie sich das Repertoire im Laufe der Jahre verändert und erweitert hat, ist auch die Besetzung immer wieder neu komponiert worden. Dabei hat George Gruntz mit dem Personen-Ensemble, ähnlich der Arbeit eines Dramatikers, ständig neue, produktive Spannungen aufgebaut. Das Verzeichnis derer, die in den verschiedenen Ausgaben der George Gruntz Concert Jazz Band mitgewirkt haben, liest sich wie ein internationales Whos who? erstklassiger Solisten. Das Spektrum reicht von lebenden Legenden bis zu hoch begabten Newcomern und präsentiert ausgeprägte, mitunter gar auseinander strebende Personalstile, die George Gruntz auf geniale Weise zu integrieren versteht. Alle bedeutenden Namen, die in der Band gespielt haben, aufzuführen, würde Seiten füllen. Hier seien wenigstens ein paar genannt: Joe Henderson, Woody Shaw, Elvin Jones, Bennie Wallace, Lee Konitz, John Scofield, Dino Saluzzi... George Gruntz hat im Labyrinth der Klänge eigene Fäden ausgelegt. Die unermessliche Flut musikalischer Materialien ließ ihn weder kopf- noch mutlos werden, verleitete ihn auch nicht dazu, auf Modewellen zu reiten. Für die Band schöpft er geschichts- und traditionsbewusst aus dem Fundus der Erfahrung, erfindet er Formen, die die Solisten kollektiv miteinander vernetzen und der Freiheit einen Bezugsrahmen geben. Die Big Band als produktive Provokation, als eine Einrichtung, die Neutöner mit der Kraft der Tradition und Konservative mit dem Klang der Überraschung konfrontiert. Das ökonomische und organisatorische Dirigieren einer Sache, die stets von neuem unmöglich erscheint und dann doch jedes Mal federnd in Bewegung gesetzt wird, kommt noch hinzu. So etwas hält nur einer durch, der davon besessen ist. George Gruntz, dessen Schaffen sich vom Solokonzert bis zur Big Band, vom Trio bis zur Jazz-Oper, von der Adaption argentinischer Tangos bis zur Aufführung von Third-Stream-Kompositionen Rolf Liebermanns spannt, weiß um eine Sache, die er selbst einmal als den Kreativitäts-Imperativ im Jazz beschrieben hat. Er ist ein Kosmopolit und ein Global Player im grenzenlosen Reich des Jazz, der seine Wurzeln in der europäischen Musikkultur ebenso wenig verleugnet wie die früh in ihm aufgeflammte Faszination für etwas, das oft mit swing beschrieben und zum Glück nie endgültig definiert wurde. Diese einmalige Chance und zugleich diese mannigfaltige Möglichkeit des Jazz, mit anderen Terrains der Musik korrespondieren zu können, hat George Gruntz immer wieder erkannt. Der neuesten Produktion mit der Concert Big Band gab George Gruntz den Titel Global Excellence. Musikalische Themen erinnern an Orte, an denen die Band gespielt hat, an Tourneen, die sie rund um die Welt geführt haben. Inspirationen aus Ägypten, Spanien, Tennessee/USA, Russland, aus der Türkei, China, Japan und good old Switzerland. Beruf: Musiker, George Gruntz, geboren am 24. Juni 1932 in Basel, Weltbürger und musikalischer Ambassador im Sinne des Jazz als einer möglichen Weltmusik. Bert Noglik Mit freundlicher Genehmigung von Triangel |
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