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Warmer Sommerregen am Ende des Tages. In der Abenddämmerung. Regen, der duftet. Nach Sommer, nach Wärme, nach Leben. Das ist die Atmosphäre, in der man Jimmy Scott genießen sollte. Oder kennen lernen muss. Das Fenster öffnen, den Wind willkommen heißen. Sich setzen, einen Bourbon gönnen und But Beautiful als Soundtrack wählen. Erst dann, in gesetzter Ruhe, in aufgeräumter Stimmung, geht Jimmy Scott im Herzen auf. Lässt den Verstand
klar denken. Hilft, differenziert zu urteilen. Unwichtiges wegzuschieben. Imposantes aufzusaugen. Wenn das geschieht,
hat man Jimmy Scott inhaliert. Und man ist ihm ausgeliefert. Es folgten weitere Highlights, doch irgendwann verschwand Jimmy Scott von der Bildfläche. Ausgebeutet von der Plattenindustrie, musste er in der Versandabteilung eines Hotels arbeiten, um seinen kranken Vater zu unterstützen. Erst 1990 tauchte Jimmy Scott wieder auf und versuchte sich an zwei Alben, bevor seine Zusammenarbeit mit Milestone und Produzent Todd Barkan begann. Mood Indigo und Over the Rainbow waren der Anfang, zwischendurch wurde er als Jazz Male Singer 2001 ausgezeichnet. But Beautiful, das Anfang April erschien, ist ein weiterer Höhepunkt der späten Werke des Jimmy Scott. Gern erinnert er sich an den Entstehungsprozess von But Beautiful. Das war eine großartige Zeit, berichtet Jimmy Scott, ich konnte endlich die Songs aufnehmen, die ich schon immer machen wollte. Noch dazu mit diesen wunderbaren Musikern. Es war ein Muss, diese Platte zu machen. In der Tat. George Mraz, Lew Soloff oder Eric Alexander sind Wunschbegleiter für eine Jazzreise dieser Art. Und Jimmy Scott war auf einer langen Reise. Hat sich seine Einstellung seit dem ersten Hit Everybody Somebodys Fool grundsätzlich verschoben? Hat er sich nach all den Jahren und bitteren Erfahrungen eine andere Meinung über Musik und die Industrie gebildet? Die Haltung und Einstellung zur Musik ist die gleiche wie früher, beteuert er, ich habe mich nur darauf verständigt, nun die Sachen zu machen, die mir schon immer zusagten. Leider klappt das mit der Industrie nicht so. Die haben eben ihre eigene Routine, ihren Stil und ihre Vorstellungen. Diesen Stil wollte ich eben nicht mit ihnen teilen. Das Verrückte daran ist, dass ich früher, als ich begonnen habe Platten aufzunehmen, diesen Stil machen wollte. Andererseits musste ich eben tun, was sie wollten, um Platten zu verkaufen. Und ich war nicht überzeugt, dass ich das als Musiker und Sänger akzeptieren muss. Die Plattenfirmen lassen dich alleine, wenn du dich ihrem Stil nicht beugst. Was hätte ich schon dagegen ausrichten können? Leider nichts. Das ist heute wie zu Jimmy Scotts frühen Hochzeiten so. Die moderne Art der Versklavung. Jimmy Scott konnte sich nicht wehren. Wobei das nicht bedeutet, er hätte nicht gekämpft. Das hat er. Leider aussichtslos. Die Krankheit seines Vaters zwang ihn in der Versandabteilung eines Hotels zu arbeiten, um seinen Vater finanziell zu unterstützen. Ein Fall, der manchen wohl aus der Bahn geworfen hätte. Jimmy Scott betrachtet diese langjährige Zwischenepoche eher ironisch und pragmatisch. Wenn eine Einnahmequelle wegbricht, musst du dir eben eine neue suchen. Du musst weiterleben, deine Miete und deine Rechnungen bezahlen. Irgendein Job musste her. Es hilft ja nichts, wenn dir deine künstlerischen Fähigkeiten nichts einbringen, um zu überleben. So bitter das im Fall des Jimmy Scott klingen mag, so Recht hat er mit der nackten Wahrheit. Was muss das für ein großartiger Tag gewesen sein, als er seinen aktuellen Produzenten Todd Barkan traf, der Jimmy Scott wieder da hinbrachte, wo er ohne Zweifel hingehört. Einer Erscheinung gleichkommend, ist dieses Treffen einzuordnen. Und Jimmy Scott kann sich sehr gut an diesen Tag entsinnen: Ein großartiger Tag. Ich liebe es mit ihm zu arbeiten. Alles ist so entspannt, so leichtgängig. Er geht auf die Belange der Künstler ein und trägt so zu einem wunderbaren Arbeitsverhältnis bei. Das ist nicht selbstverständlich. Viele Produzenten machen nur das, was die Plattenfirma von ihnen verlangt. Todd lässt mir genug Freiraum, um das auszudrücken, was mir wichtig ist. Zum Beispiel die Songs auf But Beautiful. Balladeske, aufwühlende Jazzstandards, deren Geschichte Jimmy Scott beeindruckt. Songs, die zu seiner Zeit schon groovten oder als Filmsoundtrack verwendet wurden. Die Lieder erinnern mich an diese Zeiten, in denen der Künstler selbst nie im Fernsehen zu sehen war. Man musste seine Vorstellungskraft aus dem Radio bemühen, um sich ein Bild des Künstlers zu machen. Damals hatte man auf diese Weise noch einen ganz besonderen Kontakt zu den Künstlern. Wobei das bei Jimmy Scott nicht nötig ist. Erleuchtend ist sein Gesang, seine Hingabe zum Gesang und seine Interpretation von Musik. Alles liegt in seiner Stimme. Die Nuancen bedeuten Schritte ins Herz und Wege in den Verstand. Diese bewusste Zerbrechlichkeit, mit der Jimmy Scott spielt, stürzt jeden in ein Tal der aufmerksamen Besinnungslosigkeit. Ist das Jimmy Scotts Geheimnis, erleuchten zu können? Kann sein, meint er, die Basisfrage ist jedoch, ob ich den Leuten mit meinem Gesang eine Freude mache. Wenn ich das weiß, kann ich mit dem Hörer kollaborieren. Diese Zusammenarbeit mit dem Hörer kostet natürlich eine Menge Kraft und Energie. Jimmy Scott spürt das. Das kommt sozusagen automatisch, denn man muss dem Hörer einen Teil von sich abgeben. Jimmy Scott übergibt seinen Teil selbstlos und aufopfernd. Ohne Rücksicht auf sich. But Beautiful ist ein wunderbares Ergebnis dieser annähernden Selbstaufgabe. Viel bleibt nicht übrig, was man sich von Jimmy Scott wünschen könnte. Eigentlich gar nichts. Also sollte man die Wünsche von Jimmy Scott respektieren. Einmal für ihn selbstlos sein. Wenn das möglich ist. Ich möchte einfach in einer Position bleiben, in der ich mit jungen oder älteren Künstlern etwas teilen kann. Mit diesen Leuten möchte ich die Musik wieder da hinbringen, wo sie für die Öffentlichkeit eine sehr gute Unterhaltungsmöglichkeit ist. Jungen Künstlern die Fähigkeit zu vermitteln, Musik auf die richtige Art und Weise zu begreifen, das ist mein Anliegen. Sich gegenseitig Mut zu machen und den jungen Künstlern Selbstvertrauen vermitteln. Denn letztendlich ist genug Platz für alle Künstler auf dieser Welt. Sven Ferchow |
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