Anzeige |
|
|
Anzeige |
|
Wann war Jazz relevant in den Medien – von den Fachmagazinen einmal abgesehen? Beispiele aus jüngerer Zeit kann man an einer Hand abzählen. Im Sommer 2009 zum Beispiel schlugen die Wogen hoch bei den Mitgliedern der Bundeskonferenz Jazz. Thomas Steinfeld, Feuilletonchef der Süddeutschen Zeitung, hatte in einer Glosse die „Wahlprüfsteine Jazz“ der Bundeskonferenz aufs Korn genommen. Sinngemäß konstatiert Steinfeld, dass die Deutschen auch im Bereich des modernen Jazz Weltmeister im Vereine gründen und Gartenzwerge aufstellen seien.
Oder jetzt kürzlich in der ZEIT Online: Ausgelöst durch einen Artikel über die Serie Young German Jazz des Labels ACT, wehrten sich Berliner Musiker dagegen, von einem Leitmedium wie der ZEIT einfach komplett übersehen zu werden. Ein Garant dafür, dass Jazz in den Medien wahrgenommen wird, bleibt nach wie vor ein Konzert von Keith Jarrett, bei dem jemand hustet und der Meister wie erwartet den Huster und das gesamte Publikum durch Musikentzug abstraft. Kein Leitmedium titelte jemals über einen Jazz-Konzerhausskandal: Es gab nie einen, denn es gibt kein Jazz-Konzerthaus. Den genannten Beispielen ist gemeinsam, dass in ihnen das Thema Jazz nur durch Zufall oder Verkettung unglücklicher Umstände zur Sprache kommt. Was ist los? Ist Jazz tot? Ist Jazz eine Minderheitenmusik? Ist Jazz zu intellektuell, zu komplex? Oder wird Jazz einfach nur missverstanden? Wer kennt Jazz?Branford Marsalis hat alle diese Fragen in eine gepackt: „Kann eine Musik wichtig sein, die die meis-ten Menschen nicht kennen?“ Wie man Jazzmusik wieder bekannter machen könnte, wie man sie heute vermitteln soll (und ob!) waren die Leitfragen des 12. Darmstädter Jazzforums, das sich das Thema Vermittlung in Schule und durch Medien auf’s Panier geschrieben hatte. Fragen übrigens, die man jederzeit auch über eine vergleichbare Veranstaltung aus dem Bereich der E-Musik hätte stellen können. Wolfram Knauer und Arndt Weidler hatten wieder einmal eine illustre Schar an Fachleuten eingeladen: Walter Turkenburg etwa stellte schulisches und außerschulisches Lernen in Kontrast zueinander und betonte die Wichtigkeit der „Straße“ für die Lebendigkeit eines Musikstils. Sigi Busch ging mit dem Jazz-Unterricht ins World Wide Web. Bert Gerhardt und Jürgen Terhag stellten die ernüchternde Realität des Lerninhaltes Jazz im Schulleben dar. Was die Gefahren der Didaktisierung des Jazz betrifft, waren sich Terhag und Turkenburg einig – Terhag ging weiter und empfahl den Jazzern mehr selbstbewusste Verortung im gattungsübergreifenden Populären. Es sei zudem höchste Zeit für die Integration von „Jugend jazzt“ in den Wettbewerb „Jugend musiziert“. Von Wehmut geprägt Der Tag zwei gehörte den Jazzkritikern und war von Wehmut geprägt.
Wie schön schwingte der Jazz in den vergangenen Jahrzehnten und
wie schön schrieben Großkritiker wie Wilhelm E. Liefland,
Joachim-Ernst Berendt, Peter Niklas Wilson und Baldur Bockhoff über
die große Kunst der improvisierten Musik. War mit diesen auch die
Jazzkritik gestorben? Gibt es heute nur noch Feuilletonchefs, die mit
Rock und Pop sozialisiert sind und Jazz gar nicht mehr wahrnehmen? Womit
wir wieder bei Thomas Steinfeld von der Süddeutschen Zeitung wären,
der allerdings in seinen Seiten dem Jazz durchaus mehr Raum einräumt,
als er Baldur Bockhoff in den goldenen 80ern jemals zur Verfügung
stand. Julia Hülsmann, Angelika Niescier, Beat Keller und Nils Wülker gestalteten mit ihren Formationen sowohl Konzertprogramm als auch die Workshops des Darmstädter Jazzforums und diskutierten das Thema Jazzkritik aus ihrer Sicht. Nils Wülker brachte es auf den Punkt: „Ich will meine Musik teilen. Ob mir 50 oder 500 Leute zuhören, ist mir nicht egal. Ich sehe es deshalb als meine Pflicht an, ‚meine‘ Generation zu erreichen.“ Den Musikern bleibt die Aufgabe, die Musik zu spielen, für die sie brennen. Um diesen Job kann man sie eigentlich nur beneiden. Gleichzeitig ist die beste Methode, neue Hörer zu erreichen und auf ernsthafte – oder auch nicht stattfindende – Kritik zu antworten, authentischer Jazz von Künstlern, die für ihre Musik brennen. Andreas Kolb
|
|