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Im Jubiläumsbuch zum 25-jährigen Bestehen in diesem Jahr wird dem Jazz-Festival Viersen eine „eigenwillige Programmstruktur“ und eine „spezielle Stimmung“ bescheinigt. Tatsächlich hat das alljährlich um seine Existenz kämpfende und dank großzügiger Sponsoren bislang am Leben erhaltene Ereignis am Niederrhein all das bewahrt, was woanders so nicht zu finden ist. „Von Beginn an“, sagt Ali Haurand, Initiator und künstlerischer Leiter des Festivals, „habe ich in Viersen die Jazzmusik präsentiert, wie sie seit den vierziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts in Erscheinung getreten ist: vom Modern Jazz über Bebop bis zum Free Jazz alles, was die Moderne zu bieten hatte“. Ein spezielles Kinderprogramm zum Abschluss des Festivals am Sonntag ist seit wenigen Jahren recht erfolgreich: Diesmal kamen über 800 Interessierte.
Die Viersener Jubiläumsausgabe, die Ende September über die Bühnen der nüchternen Festhalle lief, hat sich dem Pop geöffnet und damit 1.000 Besucher mehr als im Vorjahr angelockt. Auch wenn die Sängerinnen Angela Luis und Lisa Bassenge mit ihren harmlosen Songs im Pop-Gewand weniger Beachtung fanden, so ließ es Trombone Shorty ordentlich krachen. Allein sein Eröffnungskonzert, lange vorher ausgebucht, hatte fast die Hälfte aller Festival-Besucher angezogen: 1.800. Über die musikalische Essenz des Konzerts schweigt des Rezensenten Höflichkeit und lässt die Lokal-Zeitung zu Wort kommen: „Mit Black American Music, poppigen Soul-Nummern und knackigen Funk-Rhythmen brachten Trombone Shorty und Band das Auditorium im Nu zum kollektiven Mitgrooven.“ Desgleichen war selbstredend auch zu mitternächtlicher Stunde bei Nils Landgrens Funk Unit angebracht, weniger bei den Bigbands, die Gewohntes boten, dies immerhin mit frischen Farbtupfern. Gast Eddie Daniels fügte mit klassischem Klangideal auf der Klarinette der von Michael Abene geleiteten WDR Big Band satte Klangfarben hinzu. Spannender aber die „City Grooves“, die Maria Baptist dem Bujazzo auf den Leib schrieb. Die Vielfalt der Städte-Porträts kam dank pulsierender Bläsersätze mit luftigen Klaviersoli der Leiterin bestens an. Großorchestrale Ausstrahlung, die zudem recht frisch wirkte, hatte das European Jazz Ensemble auch im 35. Jahr seines Bestehens. Das mit der Geschichte des Viersener Festivals eng verknüpfte Oktett verfügt über hervorragende Solisten wie Matthias Schriefl (tp), Alan Skidmore (ts), Jiri Stivin (fl) oder Rob van den Broeck – von spiritus rector Ali Haurand ganz zu schweigen. Als Enttäuschung muss der als Haupt-Act gehandelte Curtis Stigers verbucht werden, als außerordentlicher Höhepunkt das Pablo Held Trio. Die drei Youngsters, die Ende 2005 in Köln während des Studiums zusammenfanden, bilden als Brüder im Geiste ein gleichberechtigtes Trio, in dem es keine Begleiter und keine Solisten gibt. Es macht seinen Reiz aus, dass die pianis-tischen Vorgaben Pablo Helds, so es welche gibt, nie schlicht kommentiert werden. Der Bassist Robert Landfermann bringt sich mit tiefen, brummigen Con-Arco-Tönen ein, die ins Geräuschhafte gleiten, zupft auch eigene Melodien. Schlagzeuger Jonas Burgwinkel ist viel mit Akzenten zur Stelle, lässt die Becken scheppern und flirren, nur selten donnert die Basstrommel. Durchgehender Beat ist von gestern, eine Set-List ebenso. So weist Viersen den Weg in die Zukunft. Reiner Kobe |
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