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Was die jungen Geigerinnen in der klassischen Musik sind, sind im Jazz die jungen Sängerinnen. Jedes neue Gesicht erzeugt erst einmal skeptische Neugier. Bei der Deutsch-Brasilianerin Yara Linss weicht die Skepsis jedoch rasch der Begeisterung, denn sie ist eine Klasse für sich: Sie kann in drei Sprachen und einem weiten stilistischen Spektrum singen, schreibt gute Melodien und entwickelt originelle Konzepte. Auf ein Vorbild oder eine Rolle festlegen lässt sie sich nicht. Ihr glockenheller Sopran kann mädchenhaft-zerbrechlich, unwiderstehlich-leidenschaftlich oder auch energisch-expressiv klingen. In ihrem Repertoire sind durchkomponierte und exquisit arrangierte Kunstlieder ebenso zu finden wie kraftvoller Jazz, melancholische Chansons und zeitgenössischer Bossa Nova. Die Musik von Yara Linss mit dem Etikett „Brazil-Jazz“ zu versehen, greift zwar viel zu kurz, doch Brasilien hat für sie eine zentrale Bedeutung. Geboren wurde Yara Linss, die Tochter einer Brasilianerin und eines Deutschen, 1980 in São Paolo. Als sie vier Jahre alt war, zogen die Eltern nach Deutschland. Yara wuchs in Ulm auf, nahm dort Geigenunterricht, sang bei den Ulmer Spatzen, einem Kinder- und Jugendchor, und sammelte erste Orchestererfahrungen. Das Sprungbrett zur Profimusikerin war die Dinkelsbühler Berufsfachschule für Musik. „Obwohl ich die klassische Musik sehr liebe, wurde ich weder mit Opernarien noch mit dem Liedgesang glücklich“, erinnert sie sich. Die „Befreiung der Stimme“ brachte die Musik, die ihre Mutter schon immer im Plattenschrank hatte: der Bossa Nova, die Eleganz und Leichtigkeit der Songs von Elis Regina oder Astrud Gilberto, die nun zu ihren Vorbildern wurden. „Bei diesen Liedern musste ich mich endlich nicht mehr verbiegen, sondern konnte meinen eigenen Weg finden“, sagt Linss. 2003 begann sie mit dem Jazz-Studium in Maastricht und wechselte nach einem Jahr an die Nürnberger Musikhochschule, in der so exzellente Musiker wie Steffen Schorn oder Paolo Morello zu ihren Lehrern zählten. Hier wurde ihr klar, dass „Musik keine stilistischen Grenzen haben, sondern sich in Auseinandersetzung mit unterschiedlichsten Musikrichtungen frei entwickeln soll“. Sie begann zu komponieren und machte in der Jazzszene der Frankenmetropole rasch auf sich aufmerksam. 2006 veröffentlichte sie ihre erste CD „Yara Linns & Band“, und ein Jahr später kam ein Konzert, das für sie den „Durchbruch“ bedeutete: Beim Stimmenfang-Festival in Nürnberg war der Stargast, die Portugiesin Maria João erkrankt, Linns sprang ein und wurde vom Publikum begeistert gefeiert. Auch die öffentliche Anerkennung ließ nicht lange auf sich warten: 2008 erhielt die junge Sängerin für die „frei schwebende Songpoesie zwischen Bossa Nova und improvisiertem Vocal Jazz“ das Kulturstipendium der Stadt Nürnberg, 2009 gewann sie den Bruno-Rother-Wettbewerb der Musikhochschule Nürnberg sowie den bayerischen Part des Weltmusik-Awards „Creole“. Zu neuen musikalischen Ufern brach Yara Linns kurz darauf mit ihrem Projekt „Poems“, der Vertonung von Gedichten, auf. Mit von der Partie waren der exzellente Pianist Peter Fulda, Andreas Blüml an der Gitarre, Alex Bayer am Bass, Werner Treiber am Schlagzeug und der Saxophonist Joachim Leonhardt. Aus 30 Lyrikbänden hatte sie Gedichte ausgewählt, die sie besonders berührten. Der Bogen spannt sich von Heinrich Heine über Else Lasker-Schüler, „eine meiner Lieblingsdichterinnen“, bis zu James Joyce, Dorothy Parker sowie zeitgenössischen brasilianischen Poeten. Sie vertonte jedoch nicht Wort für Wort, sondern setzte den Tonfall und die Stimmung der Gedichte in Musik um, mit immer neuen Wendungen, Farben und Schattierungen. „Die Lyrik und die Komposition sollten in meinen Songs eine Einheit und ein klangliches Gesamtbild“ bilden, resümiert Linss. Die Presse war voll des Lobes über dieses Projekt, dessen Realisierung über
ein Jahr dauerte. „Eine variable, klangfarbenprächtige Musik,
voller vielschichtiger Harmonien und überraschender Rhythmuswechsel,
die weit mehr sein will als nur Hintergrundtapete für die schönen
Worte“, urteilten die Nürnberger Nachrichten. Beate Sampson
vom Bayerischen Rundfunk hob hervor, dass die Sängerin „mit
ihrer Musik den Moment so fassen möchte, wie er nie wieder sein
wird“. Und der „Plärrer“ konstatierte kurz und
bündig: „Yara Linss – eine Ausnahmeerscheinung.“ Im Frühjahr des kommenden Jahres wird Yara Linss ihre Vielseitigkeit mit einem weiteren interessanten Projekt im Spannungsfeld von Jazz, Neuer Musik und Dichtung unter Beweis stellen: In der Kammeroper „Der starke Wanja“ von Peter Fulda und Horst Hawemann hat sie die Rolle der Zarentochter übernommen. Vielleicht nimmt ihre musikalische Entwicklung damit eine ganz neue Wendung. Es lohnt also, Yara Linns weiter im Blick zu behalten. Werner Kraus |
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