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Ein großes Hallo wird es wohl eher nicht geben, obwohl doch eine einzigartige bayerische Jazz-Institution einen runden Geburtstag feiert: 20 Jahre wird das Jazzinstitut Regensburg im kommenden Jahr, rein organisatorisch fällt das Gründungsdatum bereits auf das laufende Jahr. Doch potentieller Jubel wird immer noch von der Trauer überdeckt, denn wie so vieles in Regensburg und Bayern, das mit dem Jazz in Zusammenhang steht, ist auch diese Institution eng mit dem Namen Richard Wiedamann verbunden. Und der ist im Januar 2011 gestorben. Der Spross einer Regensburger Zinngießerfamilie, den ein Louis-Armstrong-Konzert 1952 – die Karte hatte er geschenkt bekommen – mit dem Jazz-Virus infizierte, ist als Reformator der Regensburger Musikschule in den achtziger Jahren, als Initiator der Landesarbeitsgemeinschaft Jazz, als Gründer des Bayerischen Jazzweekends (1982), des Landesjugendjazzorchesters (1987) und dann eben des Jazzinstituts zum vielleicht wichtigsten Netzwerker und Mentor des Jazz in Bayern geworden. Vor allem gelang es ihm, zur Administration des Freistaats vorzudringen, vom Verband der Bezirke bis zum Wissenschaftsministerium. Die hatte bis dahin Jazz zur Popularmusik gerechnet und dementsprechend buchstäblich auf keiner Rechnung. Heute ist die Musik im Referat B6 des 1998 in fast 60 Abteilungen reorganisierten Wissenschaftsministerium angesiedelt, gemeinsam mit Heimatpflege und Ballett-Nachwuchsförderung. Für den namentlich nicht erwähnten Jazz wendet das Ministerium (und damit der Freistaat) laut Auskunft seiner Pressesprecherin Christa Malessa 180 000 Euro pro Jahr auf. Davon werden – mit meist sehr kleinen Beträgen – einzelne Festivals gefördert, den größten Brocken bekommt das Landesjugendjazzorchester, gleich gefolgt vom Jazzinstitut mit einer „Grundfinanzierung“ von 75 000 Euro. Was vergleichsweise ordentlich ist: Vor zehn Jahren waren es nur 50 000 Euro, im Vergleich zu den Gesamtausgaben für die Kultur wie für den Jazz lässt sich der Freistaat hier nicht lumpen. Nochmal etwa ein Viertel dieser Summe bekommt das Institut von der Stadt Regensburg. Ein Kuratorium kontrolliert die Verwendung der Gelder am von der Landesarbeitsgemeinschaft getragenen Institut. Und doch erscheint der Etat kümmerlich, für ein Institut, das die „zentrale Beratungs-, Kommunikations- und Dokumentationsstelle für Jazzinteressierte und Musiker aus Bayern und weit darüber hinaus“ sein will. Dafür liegen in Archiv und Präsenzbibliothek mehr als 25 000 Medien (von Zeitschriften und Büchern bis zu Platten und Filmdokumenten), Nachlässe wie der der Sängerin Inge Brandenburg, des Jazzforschers Klaus Stratemann oder des Berliner Fotographen Ludwig Binder oder auch Geschäftsunterlagen wie die von Ernst Knauffs legendärem Münchner Jazzclub „Domicile“. Fans, Schüler, Studenten, Lehrer oder Forscher sollen davon profitieren, einige Erfolgsgeschichten gibt es: Den opulenten Graphikband „Jazz im New York der Wilden Zwanziger“ von Robert Nippoldt und Hans-Jürgen Schaal etwa, 2008 von der Stiftung Deutsche Buchkunst zum schönsten Buch des Jahres gekürt, hat man ebenso beratend unterstützt wie Marc Boettchers Dokumentarfilm „Sing, Sing, Sing – Das Schicksal der deutschen Jazzsängerin Inge Brandenburg“, der soeben in einigen deutschen Kinos angelaufen ist und im kommenden Jahr von Arte ausgestrahlt wird. Auf die Haben-Seite rechnet das Institut auch die fünfbändige Schriftenreihe (unter anderem mit einer Dusko-Goykovich-Biographie und den viel beachteten Bänden „Jazz in Bayern“ I und II), die in den neunziger Jahren beim ConBrio Verlag erschienen ist, und die seit 2002 bestehende lose Zusammenarbeit mit dem Label Bear Family Records. Die Aufzählung deutet aber bereits die Schattenseiten an: Wie die durch Gelegenheit und Zufall bestückte Sammlung wirkt die gesamte Arbeit des Instituts eher unstrukturiert, geschmäcklerisch und ohne eine Vision zukünftiger Aufgaben. Bestes Beispiel ist das „Musikerportal“ www.jazz-in-bayern.de, auf das man gerne vollmundig verweist: Nur ein unrepräsentatives Häuflein Musiker findet sich da; ist die Seite einmal eine Woche defekt, bemerkt es niemand. Sylke Merbold vom Jazzinstitut hält dagegen, indem sie auf die stark gestiegene Beratungstätigkeit per Email und Twitter verweist, auf Musiker- und Sponsorenvermittlung. Doch braucht man für flinke Kurznachrichten und Chat-Geplauder eines offensichtlich relativ kleinen Zirkels ein Jazzinstitut, das ein Drittes des kargen Jazz-Etats des Freistaates verschlingt? Täten es dafür nicht auch Bloggerseiten in Eigeninitiative? Seit langem – siehe die einst verdienstvolle Schriftenreihe - stagniert die Entwicklung, ist der Output überschaubar. Das zeigt sich vor allem im Vergleich mit dem nur ein Jahr älteren Jazzinstitut Darmstadt. Ein Vergleich, den Merbold nicht gelten lassen will: Darmstadt habe sich der Wissenschaft, Regensburg dem Service verschrieben, man ergänze sich. Was man auch anders sehen kann: Beide Institutionen begannen unter ganz ähnlichen Voraussetzungen, doch während die Regensburger selbst von der bayerischen Szene nur noch am Rande wahrgenommen wird, ist das Darmstädter Pendant inzwischen national wie international beachtet. Öffentlicher Zugang (statt Öffnung nach Voranmeldung), hochkarätige Konzerte und Ausstellungen, eine der größten und am besten geordneten Jazzsammlungen Europas mit einem einzigartigen Zeitschriftenbestand, regelmäßige eigene Forschungsprojekte, die weltweit einzige regelmäßige Jazzkonferenz (das „Darmstädter Jazzforum“ alle zwei Jahre) sowie der hierzulande umfangreichste und am besten gepflegte Internet-Auftritt – dies alles sind Posten, mit denen die hessische Einrichtung der bayerischen entscheidend voraus ist. Mit der Lippmann & Rau Stiftung in Eisenach ist seit fünf Jahren außerdem ein weiterer ernst zu nehmender bundesweiter Konkurrent um Archivalien und öffentliches Interesse auf den Plan getreten. Kommt hinzu, dass alte Empfindlichkeiten als Hemmschuh wirken. Zwar unterhält Sylke Merbold immer noch beste Kontakte zum Ministerium – so rechnet sie sich selbst ihren erfolgreichen Einsatz für die Weltmusik im Dritten Bayerischen Musikplan hoch an -, doch schon in Regensburg selbst ist die Stimmung frostig. Die Zusammenarbeit mit dem Jazzclub Leerer Beutel ist seit Jahren abgebrochen, dessen Vereinschef Winnie Freisleben wettert seit langem, die Mittel fürs Jazzinstitut wären direkt bei Clubs oder Musikern sinnvoller angelegt. Vom einst mit großen Hoffnungen gestarteten „Jazzfilmfest“ ist nichts geblieben, und auch zum ConBrio Verlag sind die Drähte mehr oder weniger gekappt. Kulturreferent Klemens Unger wiederum wirkt nach Turbulenzen um seine Wiederwahl mit der Moderatorenrolle überfordert. Das geplante „Haus der Musik“ am Bismarckplatz wird wohl bloß die erweiterte Sing- und Musikschule statt ein Zentrum der städtischen Musikeinrichtungen werden. Das Jazzinstitut schwimmt sowieso lieber weiter im eigenen Saft in der Brückstraße 4 - bezeichnenderweise das Geburts- und Wohnhaus von Richard Wiedamann. Wie notwendig neuer Schub für das Institut wäre, zeigt sich nicht zuletzt, wenn man bayerische Jazzer befragt. Sofern sie das Institut überhaupt kennen, wird es von den meisten zunächst mit dem „Jazzweekend“ verbunden, und zwar kritisch: Dass sich LAG und Jazzinstitut hier im Glanz der Musiker sonnen, die mit den Fahrtkosten abgespeist würden, lautet der Vorwurf vieler Auswärtiger. Ansonsten sind die Äußerungen zum Institut verdächtig diplomatisch: Prinzipiell eine gute Sache, aber in der Praxis stark verbesserungswürdig – das sagen die meisten auch über die herzlich unbeliebte Gema. Oliver Hochkeppel
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