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Die Aufgabe ist gewaltig, anspruchsvoll, eigentlich fast unlösbar.
Miles-Davis-Ehrung an einem einzigen Abend mit gerade mal drei Konzerten
bei einem einzigen Festival. Und das auch noch im altehrwürdigen
Leipziger Opernhaus. Mag ja alles noch gehen, wenn man zur einfachsten,
aber auch
finanziell aufwändigsten Lösung greifen würde: es einfach
die zeitnah durch Europa tourenden eins-
Also erst einmal die Spielvereinigung Süd mit dem ersten Programmteil anlässlich des 20. Todestages von Miles. Und das fast ganz von Anfang an, mit der ersten wichtigen Schaffensperiode des Trompeters. Die Tradition der Big Bands und die Arrangements von Gil Evans sollen aufgearbeitet werden, besser: neu belebt, 60 Jahre danach. Eine Geschichtsstunde fast für die zumeist jugendlichen Zuschauer. Und die gelingt mitreißend, weil eben jene Spielvereinigung nicht in die Falle tappt, einfach nur die Altmeister kopieren zu wollen. Frederik Köster, immerhin Echo-prämierter Trompeter der neuen Generation, spielt die zumindest in Ansätzen erkennbaren Miles-Originale, das aber mit eigener, schon erstaunlich gereifter und erprobter Stimme. Leicht, lebendig, mitreißend, modern. Die Zuschauer nehmen es dankbar auf, applaudieren. Erst zaghaft, dann immer lauter. Spätestens dann, als Köster und die Spielvereinigung Süd mit den ebenso selbstsicheren Saxophonisten Simon Bodensiek, Volker Dahms, Johannes Moritz oder Heiko von Roth endgültig die vorgegebene Miles-Schiene verlassen, eigene Stücke zum besten geben und sich schließlich sogar an Jefferson Airplane, der Kultband aus seligen Flower-Power-Zeiten, versuchen. Wagnis Teil eins ging auf: Leipzig kann stolz sein, hat mit der Spielvereinigung Süd eine Ausnahme-Big-Band. Geschichtsstunde Teil zwei ist dann die meistverkaufte Jazz-Platte aller Zeiten. Kind of Blue, der Geniestreich von Miles, eingespielt mit den Ausnahme-Saxophonisten Cannonball Adderley und John Coltrane. Und Martin Auers Quintett mit Florian Trübsbach (Saxophon), Jan Eschke (Piano), Andreas Kurz (Bass) und Bastian Jütte am Schlagzeug hält sich weitgehend an das Original, hat tatsächlich all die fünf Ohrwürmer der legendären Platte im Programm. So What, natürlich, überzeugt am weitesten. Mit knackigem Bass und einfühlsamem Piano. Alles andere lebt auch weitghend von Zitaten, bietet aber auch Raum für eine neue, zeitgemäße Sicht auf Vertrautes. Und dennoch: Bei allem erkennbaren eigenen Stil, irgendwie bleibt immer das Original im Hinterkopf, die Versuchung, am heimischen CD-Player den Startknopf zu drücken. Trotz allem: Auch Auer, der junge deutsche Trompeter und Lehrbeauftragte an der Leipziger Hochschule, hat die Chance genutzt und bestanden, plötzlich im Schaufenster zu stehen. Adam Holzman stand schon im Schaufenster als Keyboarder der Miles-Band im 1986 erschienenen Album, das dem südafrikanischen Bischof Desmond Tutu gewidmet war. Aber Holzman war da wohl mehr dabei als mittendrin. Allzu belanglos, irgendwie gebraucht, weil vorhersehbar, wirkt Holzman. Daran ändert auch Freddy Cash, der bemerkenswerte Bassist der Brave-New-World-Band nicht viel. Nun ja, zu einem beschwingten Ausklang eines geschichtsträchtigen Abends hat es allemal gereicht. Leipziger Jazztage, die inzwischen schon 35. Ausgabe, das war aber nicht mur Miles. Das war auch Gustav Mahler, das zweite große Thema des Festivals. Terje Rypdal, der norwegische Ausnahme-Gitarrist, sollte mit einer Auftragskomposition die Hauptrolle spielen, musste aber wegen einer schweren Erkrankung seines Trompeters Palle Mikkelborg absagen. So war die Bühne frei für einen ausgesprochenen Glücksfall. Leipzigs Hochschulprofessoren Pepe Berns, Werner Neumann und Heinrich Köbberling sprangen kurzfristig ein und schafften es tatsächlich, Mahlers fünfte Sinfonie in jazznahe Gefilde zu steuern. Leipzig, das war auch eine ganze Woche lang pralles Leben in den kleinen Clubs der Stadt. Die hinreißende SoKo Steidle war da, Johannes Enders und natürlich Brad Mehldau mit einem Soloprogramm im restlos ausverkauften Opernhaus. „ Wir waren selbst ein bisschen skeptisch, ob das alles so aufgeht“, gab nach der anstrengenden Festival-Woche Stefan Heilig entwaffnend ehrlich zu. „Aber es ging. Das Opernhaus war an drei Abenden hervorragend besucht. Die Zuschauer haben unser Konzept mitgetragen“, sagt Heilig dann nach einem Moment der Ruhe. Und das Konzept ist bewundernswert: Weg von den ausgefahrenen Gleisen mit großen Namen, die zum Selbstläufer eines Festivals werden. Von Brad Mehldau mal abgesehen. Die Spielvereinigung, weitgehend auch Martin Auer, haben den Ruf einer lebendigen Jazzszene weit über Leipzigs Grenzen hinaus getragen. Ein sicheres Pfand für die Zukunft. Und daran bastelt Heilig schon, an der 36. Auflage 2012. „Die Big Bands werden wieder eine zentrale Rolle spielen“, versichert er. Sein Traum: ein Gil-Evans-Projekt. Gespannt darf man darauf sein. Gottfried Schalow |
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