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Auch bei seinem zweiten Festival-Jahrgang hat Arno Troxler Spuren in Willisau hinterlassen. „Ich habe das Festival nicht umgepolt oder neu ausgerichtet“, versicherte der künstlerische Leiter im Vorfeld. „Es ist vielmehr eine Weiterentwicklung dessen, was ich im letzten Jahr begonnen habe.“ Tatsächlich wurde das Klangspektrum des 1975 von Niklaus Troxler
gegründeten Jazz Festivals Willisau erweitert, ohne den Boden des
Free Jazz zu verlassen. In diesem Jahr gab es wieder viele Entdeckungen
zu machen, ohne dass zahlreiche große Namen ins Luzerner Hinterland
geströmt sind. Und, nicht hoch genug einzuschätzen: Der seit
Jahren anhaltende Publikumsrückgang konnte gestoppt werden. Die
Festival-Halle präsentierte sich, um ein Drittel verkleinert, in
neuem Gewand mit ansteigender Tribüne und abgetrennter Bar, mit
mehr atmosphärischer Dichte insgesamt. Dass allein fünf quirlige Gitarristen die Willisauer Bühne betraten, war überraschend. Mit dem Jazz allerdings hatten sie nicht viel am Hut. Sie orientierten sich eher an Rock-Heroen wie Christy Doran mit seinem lärmenden New Bag, übten sich in gefälligen Dekonstruktionen wie einleitend Jonathan Pfeffers Quintett Capillary Action oder in wirkungsvollen Orchestrierungen, wie sie der profilierte Nels Cline mit seinen Singers exerzierte. Auch das dadaistische Gemisch wilder Attacken aus Lärm, Lust und Humor, geboten vom österreichischen Trio Weiße Wände, einer wahrhaften Festival-Entdeckung, ging in diese Richtung. Einzig Frank Möbus befand sich in einem vorzüglich kollektiv aufspielenden Quartett, das von Daniel Erdmann (sax) und Samuel Rohrer (dr) geleitet wurde. Mit klangmalerischer Raffinesse kamen kommunikative Prozesse in Gang, ähnlich wie bei Anemone. Das Quintett um die beiden überragenden Bläser Peter Evans (tp) und John Butcher (sax) bot eine frei improvisierte Performance der Extraklasse. Ins Freie strebte zuweilen auch Ellery Eskelin (sax), der sich mit den Europäern Christian Weber (b) und Michael Griener (dr) bestens verstand. Kein Festival hierzulande ohne Amerika, dem Ursprungsland des Jazz. Die nahezu unbekannte Schlagzeugerin Allison Miller mit ihrem Quartett Boom Tic Boom überzeugte mit liedhaft-bluesigen Stücken, bei denen Pianistin Myra Melford allseits Akzente setzte. Während Endangered Blood mit Chris Speed (ts) und Jim Black (dr) einen eindeutigen Höhepunkt markierte, enttäuschte Dave Douglas maßlos. In der Filmvertonung des Frankenstein-Themas, das sich sein Quintett Keystone vorgenommen hatte, gab es keine Berührungspunkte zwischen Bild und Ton. Die 37. Ausgabe des Jazz Festivals Willisau präsentierte höchst lebendige Musik und erfüllte alle Erwartungen. Ein starker Jahrgang. Reiner Kobe |
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