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Nie gab es in Nürnberg augenscheinlich so viel Jazz, so viele verschiedene Akteure, „Konzepte“, neue und alte Spielorte, die manchmal mehr, manchmal weniger professionell um die Gunst des überschaubaren Publikums buhlen wie im Moment. Nie war die Jazzszene in Nürnberg so dezentralisiert, reich an Initiativen und jungen viel versprechenden Musikern, allen voran die Sängerin Yara Linss (siehe auch unser Portrait auf S. 8 dieser Ausgabe), der zwischen Nürnberg und Berlin pendelnde Bassist Alex Bayer, der nicht nur in der Band von Multibläser Steffen Schorn für Furore sorgende Pianist Johannes Billich, die Sängerinnen Rayka Wehner, Olivia Solner, Agnes Lepp oder Sabine Müller und ihre Band Seide (Portrait in der JazzZeitung 4-11!) beziehungsweise Christina Jung und ihre Band Jungblut. Ebenso der Gitarrist Filip Wisniewski, die souverän zwischen Jazz, Hip Hop und Groove mäandernde Multikulti-Band Carlos Reisch um Rainer Pirzkall oder die Klarinettistin und Komponistin Rebecca Trescher. Würde man das hier frei flottierende kulturelle und ökonomische Kapital bündeln und es auf hohem Niveau in einem professionell aufgestellten Team zu einem schlüssigen Gesamtkonzept plus konzertanter Marketingstrategie konsequent und mit langem Atem entwickeln, dann könnte die ungeheure kreative Energie des Jazz in der Metropolregion, vor allem in Nürnberg, Erlangen und Fürth allerdings überhaupt erstmal weitläufig sichtbar werden – und mittelfristig über die Region hinausstrahlen und eine nachhaltige Jazzkultur etablieren. Aber dazu fehlt es im Moment an Weitblick, bündelnden professionellen Köpfen, strategischem Projektmanagement der Marke Jazz und mangelnder Vernetztheit so mancher überforderter oder uninspirierter (Freizeit-)Spieler der allzu sehr zersplitterten Szene. Denn In der Realität ist man leider weit entfernt davon, in der Stadt und für die Stadt Nürnberg Kapital aus dieser Überfülle an Aktionen und kreativen Energien zu schlagen, aber immerhin kann man seit etwa 18 Monaten von einer erdrückenden Überfülle von Jazzkonzerten, die jedoch noch keine breite Jazzkultur ausmachen, in großen Sälen und auf Club-ebene profitieren. Festivals und festival-ähnliche Formate gibt es dabei genauso wie spektakuläre Einzelkonzerte mit aufstrebenden Jazz-Stars oder Rising Stars. War bis Sommer 2009 noch das Jazzstudio Nürnberg (www.jazzstudio.de) der unangefochtene Tempel des Jazz in der Frankenmetropole, der die entscheidenden Akzente und Trends setzte, gibt es nun neben dem fleißigen Verein im historischen Kellergewölbe eine Reihe von anderen „Spielern“ in der Nürnberger Szene, darunter nach wie vor die Tafelhalle Nürnberg, in der nicht nur das Sunday Night Orchestra regelmäßig spielt, aber auch das DB-Museum mit seinen sonntäglichen Jazzmatinées, die Hochschule für Musik oder aber das Maritim-Hotel, wo Ex-„Kunst Kultur Karstadt“-Chef Heinrich Sager in stilvollem Ambiente in der Maritim nun bis zu 500 hochkarätige Jazzkonzerte veranstaltet. In die Kultur Lounge kommen zum Beispiel am 6. November Ex-Miles-Davis-Saxophonist Bill Evans oder im Mai nächsten Jahres Gitarren-Altmeister Al Di Meola. Gelegentlich setzt auch der im Moment vorwiegend im Klassik-Bereich tätige Großveranstalter NürnbergMusik ein Jazzhighlight, beispielsweise mit Manú Katché oder im Juni nächsten Jahres mit dem All-Star-Duo Bobby McFerrin und Chick Corea. Beinahe in die Bedeutungslosigkeit versunken ist leider die viele Jahre Maßstäbe setzende „Art of Jazz“-Reihe, die noch bis 2009 Maßstäbe setzte mit Konzerten von trendigen, auch international bedeutenden Künstlerin wie Nik Bärtschs Ronin oder spannenden Duos wie dem mit Aki Takase und der frisch gebackenen Jazzpreisträgerin der Nürnberger Nachrichten, nämlich der Berliner Saxophonistin Silke Eberhard. Immerhin setzt Tafelhallen-Leiter Michael Bader außerhalb der „Art of Jazz“-Reihe im einstigen Spielort der „Art of Jazz“-Reihe herausragende Akzente: So gastiert am 2. Dezember die umwerfende irische Sängerin Camille O’Sullivan und schon am 19. November gastiert dort der New Yorker Posaunist Roy Nathanson mit seinem „Sotto Voce“- Projekt. Neben dem Kunstverein Kohlenhof ist die Tafelhalle ebenfalls „Tatort“ der vielfältigen Aktivitäten des Vereins MetropolMusik und lädt am 12. November zum Konzert des MetropolMusik-Orchesters ein. Der Verein MetropolMusik e.V. (www.metropol-musik.de/) wurde insbesondere von Yara Linss und Peter Fulda gestartet. Man beschreibt sich selbst so: „Das MetropolMusik Kollektiv sieht seine Berufung und Erfüllung darin, ,metropolmusik‘, die Musik der in der Metropolregion Nürnberg–Fürth–Erlangen–Schwabach beheimateten schöpferischen Musiker aufzuführen und zu verbreiten. Kreativität und Qualität sind dabei ausschlaggebend, stilistische Kriterien spielen keine Rolle: Zeitgenössische Musik, aktuelle Klassik und Jazz sind für Konzerte des MetropolMusik e.V. ebenso interessant wie ambitionierte Popmusik, Rock, Folk oder Experimentelles.“ Ähnlich spannende Impulse wie aus dem Zirkel der MetropolMusik kommen aus dem DB-Museum. Im Schnittpunkt zwischen Jazz, Folk und modernen Pop-Musik-Stilen hat Rainer Mertens dort eine Jazz-Matineé-Reihe ins Leben gerufen, die sieben Mal im Jahr jeweils an Sonntagen Jazz und jazzverwandte Musik von überwiegend jungen Musikern vorstellt. Im Winter 2012 im Januar und März spielen dort unter anderem die Berliner Saxophonistin und Komponistin Susanne Folk, einmal mit ihrer Band So.Weiss (29.1.12) und zum anderen mit dem Folk/Tassignon Quartet (25.3.12). Mit avantgardistischer Besetzung und Kammerpopsound schafft es das Folk/Tassignon Quartet eine Welt zu kreieren, die einen nur in seinen Bann ziehen kann! Die Kompositionen der belgischen Sängerin Sophie Tassignon und der Deutsch-Amerikanischen Saxophonistin/Klarinettistin Susanne Folk beschreiben unvergessliche Momente, groteske Bilder, tiefe Sinnkrisen, das Geheimnis der Zeit und schaffen es damit, jegliche Emotionen zum Ausdruck zu bringen. Die für Gesang, zwei Holzblasinstrumente und Kontrabass liebevoll und raffiniert arrangierte Musik lotet die Soundmöglichkeiten der vier Soloinstrumente aus, wobei der Zuhörer vor die Wahl gestellt wird: Lässt er sich einfach fallen und lauscht dem Gesamtklang, verfolgt er die gesungenen Geschichten, kann er vielleicht die Melodien der Einzelstimmen heraushören, oder ertappt er sich, wie er manchmal zu dem vorhandenen Rhythmus innerlich das Schlagzeug hinzuaddiert? Der Zuhörer wird unterbewusst zum fünften Instrument gemacht und wird sich nicht nur durch Folks und Tassignons Vorliebe zum Crossover von Elementen aus Tango, Blues, sogar Reggae überrascht fühlen... Reinhold Horn |
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