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Jazzzeitung

2010/05  ::: seite 13

rezensionen

 

Inhalt 2010/05

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / break / Nachrichten aus der Jazzszene / kurz, aber wichtig Jazzlexikon: Dick Katz


TITEL - Gegensätze ziehen sich an
Newcomerin Mary Halvorson im Portrait


DOSSIER - Jazzfestivals
Gaume Jazz Festival // Jazzforum Budapest // Jazz-Festival in St. Moritz // Jazzfestival Saalfelden // Jazz Festival Willisau


Berichte

„Trio Elf“ mit neuer CD: „Elfland“ // 34. Leipziger Jazztage // Münchner Konzertreihe AllThatJazz@gasteig // > Vive le Jazz< 2010


Portraits

Aus der Welt des Bojan Z // Dave Brubeck wird 90 // Sängerin Jessica Gall // Yaron Herman // Kristina Kanders // Collectif LeBocal // Trombone Shorty


Jazz heute und Education
Der Jazz-Komponist Simon Scharf // Mediation im Kulturbereich // Dresdens Jazzclub Neue Tonne freut sich auf die Geburtstags-Saison Abgehört: Ein Solo für die Melodica: Larry Goldings: (I‘m Your) Jellyman
Larry Goldings: (I‘m Your) Jellyman

Rezensionen und mehr im Inhaltsverzeichnis

Nicht Gewalt antun, Streichelnd zum swingen bringen

Das Joe Kienemann Trio mit einer neuen CD bei Dooload.de

Siebeneinhalb Jahre, kaum zu glauben. Aber der Kalender bestätigt es. Im Mai 2003 übergab Joe Kienemann nach 32 Jahren am Mikrofon des Bayerischen Rundfunks die Jazzredaktion an die nächste Generation und wurde wieder Pianist. „Eigentlich ging das Eine nahtlos in das Andere über“, erinnert er sich aus der zeitlichen Distanz.

Es war ein großartiger Arbeitsplatz, bis auf eine Sache. Was mich immer gestresst hat, waren die Absagen. Künstlern sagen zu müssen, dass ich sie noch oder überhaupt nicht aufnehmen kann. Denn wie erklärt man jemandem, dass er noch nicht soweit ist? Oder es vielleicht niemals sein wird?“ Diese Gedanken müssen sich inzwischen andere machen. Joe Kienemann kann sich zurücklehnen und wieder ganz der musikalischen Leidenschaft widmen, die ihn zu Beginn der sechziger Jahre nicht nur von seiner Heimat Heilbronn nach München lotste, sondern auch dazu führte, dass er sein ursprünglich geplantes Jura-Examen zugunsten einer Laufbahn als Musiker aufgab. Dass er dann schließlich beim Funk landete, war auf lange Sicht ein Glücksfall. Denn auf diese Weise musste er sich als Künstler nicht dem harten Konkurrenzkampf um das tägliche Brot stellen, blieb aber auf der anderen Seite am Puls der Zeit und war sogar in der Lage, manches Zeichen zu setzen und manchen Trend anzuschieben. Er hatte die Möglichkeit, mit unendlich viel Erfahrung seinen eigenen Stil reifen zu lassen, ohne Zugeständnisse an Moden und Meinungen machen zu müssen: „Ich habe eine hohe ästhetische Vorstellung von Klang, sinnlich und sehr emotional auf der Basis des Sounds, klar und geplant auf der Struktur. Ich habe eine schwarze musikalische Seele, liebe Blue Notes und Bebop, wo sich große und kleine Terzen aneinander reiben.“

Er spricht es nicht aus, aber die Botschaft ist klar. Joe Kienemann ist old fashioned, ein Liebhaber der alten swingenden Schule, und das bedeutet für ihn nicht Einschränkung, sondern ein Plus an Freiheit. Es ginge im Jazz schließlich nicht darum, was man spiele, meint er weiter, sondern wie man es spielt. Und diese Haltung wiederum führt unmittelbar zu einem Album wie Pray Jazz – Melodien zum Niederknien, auf dem er Gregorianische Gesänge ebenso vereint wie Second Line Grooves, sensible Balladen ebenso wie Lieder aus dem evangelischen Gesangsbuch. „Es sind alles Melodien, die ich schon immer mochte, zum Teil von Kindesbeinen an, und die ich behutsam in das Jazzidiom übertragen wollte. Ich wollte ihnen nicht Gewalt antun, sondern sie quasi streichelnd zum Swingen bringen“, erzählt er über die Idee, die hinter dem Konzept der Aufnahmen steht: „Der direkte Anlass, die Stücke auch aufzunehmen, war aber ein Konzert in Neubrandenburg. Da hatte ein Kantor mein vorhergehendes Album mit Bearbeitungen von Volksliedern gehört, die ihm so gut gefielen, dass er uns zum Konzert einlud. Außerdem fragte er nach, ob wir denn auch ein paar geistliche Lieder hinzunehmen könnten. Zunächst waren wir unsicher, denn wir wollten niemanden brüskieren. Doch der Erfolg war überwältigend, ein nicht endender Applaus. Das hat uns beflügelt, das Programm auch auf CD aufzunehmen.“

Wir – das sind neben dem Bandleader am Flügel der Bassist Henning Sieverts und der Schlagzeuger Michael Keul, die neben Andi Kurz und Guido May zu den Lieblingsmusikern gehören, mit denen sich Kienemann umgibt. Es ist ein inspiriert harmonierendes Trio, das gleichermaßen rahmt wie Freiheiten eröffnet. Für den Pianisten ist es ein Dreamteam, das ihn bei seinem anspruchsvollen Job zwischen Offenheit der stilistischen Mittel und Herausforderung an die individuelle Gestaltungskraft moderierend unterstützt und zugleich selbstbewusst genug agiert, um Pray Jazz nicht zu Play Bach werden zu lassen. Denn auch das wird schnell deutlich: Die Musik ist eine Herzensangelegenheit für den Mann, der selbst aus einem Pfarrhaus stammt: „Ich wollte Musik mit spirituellen Melodien machen, die aus allen stilistischen Himmelsrichtungen kommen. Und es wurde zugleich ein Album, das mich zu vielen Liedern meiner Kindheit zurück geführt hat.“ Ein undogmatisches Bekenntnisalbum also – das gibt es nur bei Menschen, für die Jazz eine Lebenseinstellung ist.

Ralf Dombrowski

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