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Artenreich war die Welt des Jazz schon immer, weshalb die Macher des Festivals im österreichischen Saalfelden vielleicht auf die Idee kamen, Plakate und Flyer mit Darstellungen von Elefanten, Katzen, Walen und Dackeln drucken zu lassen. Während jedoch die Fauna durch Umwelteinflüsse und die Gier des Menschen immer weiter dezimiert wird, entdecken Musikologen eine neue Spezies nach der anderen, zeigen sich aber bei den Zuordnungen noch etwas hilflos. Früher war es viel einfacher: Da ließ sich die Jazzgeschichte prima in Dekadenabschnitte unterteilen und die Hauptströmungen des jeweiligen Jahrzehnts mit griffigen Stilbezeichnungen ausstatten. Heute, im Zeitalter der Information, geht das kaum mehr. Immer neue Bastarde und Unterarten machen den Jazz diffuser, aber auch so spannend wie schon lange nicht mehr. Wundersam gepimpten Jazz gab es an vier Tagen im Pinzgau zu hören. Austragungsorte waren der Congress, das Kunsthaus Nexus, die Alm und die „City-Stage“. Nach der Jubiläumsausgabe im letzten Jahr hatten die Intendanten Michaela Mayer und Mario Steidl weniger Etat zur Verfügung. Sie entschieden sich, auf Namen der 1. Liga zu verzichten und setzten ganz auf musikalisches Profil, das sie mit vielen unbekannten Namen gewannen. Sie können sich das mit den No Names auch erlauben. Die vielen Journalisten und Zuhörer, die aus aller Welt anreisten, vertrauen dem Team blind – und wurden nicht enttäuscht. Schöne Erkenntnis: Um den Nachwuchs im Jazz braucht man sich keine Gedanken zu machen. Cuong Vu, Trompeter und Professor in Seattle, brachte seine einstigen Studenten mit ans „Steinerne Meer“. Die Mittzwanziger haben sich unter dem Namen „Speak“ zusammen getan und spielen mit ihrem Ex-Dozenten eine Musik, die formbewusst, packend, unberechenbar, aber stets schlüssig war und die Zuhörer durch eine äußerst geschickte Dramaturgie mitriss. Einen frischen Eindruck hinterließ auch das vitale, aufgedrehte, von vielen Einflüssen angetriebene Quintett Led Bib aus Großbritannien. Frei fließende Improvisationen mit ganz unterschiedlichen Ansätzen
gab es in Saalfelden zu bestaunen: Während die Geigerin Carla Kihlstedt
und die Pianistin Satoko Fujii auf den Austausch von Feinstnuancen setzten,
zeigte die Gruppe XXL zu viel Muskelspiel und wusste zeitweise nicht
wohin mit dem offensichtlichen Energieüberschuss. Der Gitarrist
Raoul Björkenheim hingegen sorgte im Trio mit dem Bassisten William
Parker und dem Schlagzeuger Hamid Drake für ein munteres, spannendes,
dichtes Auf und Ab, Hin und Her. Und Viertelton-Trompeter Franz Hautzinger
ließ in seinem Projekt „Third Eye“ den wilden Geist
der 60er-Jahre aufsteigen. Für Abwechslung war jedenfalls gesorgt, Langeweile war nie zu spüren – dafür sorgten auch das „Show“-Programm der Jazz Passengers sowie der tiefschwarze Traditionen heraufbeschwörende Saxofonist Odean Pope. Der Jahrgang 2010 wird wohl als einer der gelungensten und erlebnisreichsten in die Geschichte des Jazzfestivals Saalfelden eingehen. Ssirus W. Pakzad 32. Internationales Jazzfestival Saalfelden: 25. bis 28.8.2011
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