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Jazzzeitung
2010/05 ::: seite 5
portrait
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Der israelische Pianist Yaron Herman legt mit „Follow the white
Rabbit“ nun sein Debüt bei ACT-Music vor und erschafft auf
diesem Album, passend zum Titel, eine neue musikalische Welt „hinter
den Spiegeln“ (die Anspielung zu Lewis Carrol ist gewollt): Genregrenzen
spielen in seiner Musik ebensowenig eine Rolle wie standardisierte pianistische
Ansätze. Seine ungewöhnliche musikalische Orientierung verdankt
Herman einem ungewöhnlichen Lehrer, Opher Brayer …
JazzZeitung: Yaron, du warst der erste Jazzpianist, der in Peking in
der „Verbotenen Stadt“ auftreten durfte. Was ist deine eindrucksvollste
Erinnerung daran?
Yaron Herman: Dass ich der erste war, das habe ich erst später erfahren!
Als Erfahrung war es überwältigend. Umgeben von dieser Historie
und diesem Anblick zu sein, das war wie im Traum.
JazzZeitung: Aber du bist ja nicht schon immer Pianist.
Deine erste Karriere war
die eines Profibasketballers und endete abrupt, als du dich mit sechzehn
am Knie verletzt hast. Erst danach hast du mit dem Klavierspiel begonnen.
Herman: Man muss einfach merken, wenn sich die eine
Tür schließt,
damit man sich eine andere öffnet! Man mag aber Hilfe brauchen,
um rechtzeitig den Schlüssel zu finden. Am besten, man kennt jemand,
der schon durch diese Tür gegangen ist. Allerdings, man muss erkennen,
dass man gefangen ist, um ausbrechen zu wollen. Es ist die Frage, ob
man sich seiner Situation immer entsprechend bewusst ist… JazzZeitung: Als du deine Richtung gewechselt
hast, gab es da eine Phase des Zweifels, vielleicht sogar der Angst?
Herman: Nein, ich hatte keine Angst. Ich war damals
zu jung – und,
um das Klischee voll zu machen, zu dumm – um Angst zu bekommen.
Alles schien sich einfach zu ergeben.
JazzZeitung: Betrachtest du das Leben eines
Musikers als Mission oder als Beruf?
Herman: Ich würde sagen, es kombiniert all die Vorteile einer Mission
mit all den Nachteilen eines Berufs! (lacht)
JazzZeitung: Wenn du es mit einer professionellen
Karriere im Sport vergleichst, wo gibt es Parallelen?
Herman: Der Leistungsgedanke, würde ich sagen! Wenn man auf die
Bühne geht, ist man konzentriert und gibt alles. Hundert Prozent.
Man versucht allerdings nicht, einen Gegner zu schlagen, sondern nur
den Sieg über sich selbst zu erringen. Das spielt sich innen ab.
Ich könnte jetzt auch die Disziplin anführen, die man braucht,
die Vorbereitung, die Übung. Dass man, wenn man in einer Gruppe
spielt, den Ball weitergibt. Dass man nicht versucht, immer selbst zu
punkten. Dass man im Team arbeitet…
JazzZeitung: Dein Lehrmeister, Opher Brayer,
hat er dir wirklichen Klavierunterricht erteilt? Oder hat er dir über seine Methoden „lediglich“ einen
persönlichen Zugang zum Instrument eröffnet?
Herman: Opher war „sozusagen“ mein Klavierlehrer. Aber wir
beschäftigten uns gar nicht mit dem Instrument, sondern damit, meine
Kreativität bezüglich Musik und Improvisation zu entwickeln.
Dafür hat er eine spezielle Methode erfunden, die auf Mathematik
und Psychologie basiert. Alles, was mit Musik und dem Instrument zu tun
hat, Klang, Spieltechnik, Einsatz der Pedale oder Musiktheorie, musste
ich mir selbst beibringen. Vieles lernte ich durch Beobachtung anderer
Pianisten. Aber es gibt auch ungeheuer viel klassische Literatur, die
spannend und nützlich ist.
JazzZeitung: Dein neues Album trägt den Titel „Follow The
White Rabbit“. Zufall, oder bewusste Anspielung auf Lewis Carrols „Alice
im Wunderland“?
Herman: Kein Zufall! Ich war seit einer Weile auf der
Suche nach einem Namen für die Platte gewesen. Der Titel kam auf den Vorschlag eines
Freundes von mir, nachdem wir am Vorabend eines Konzerts einige der Stücke
gespielt hatten. Er passt perfekt – wenn man das Album hört,
merkt, wie sich die Musik öffnet, entwickelt und entfaltet, dann
spürt man diesen „Fall in eine neue Welt“. Dazu gibt
es ja auch einige überraschende Wendungen in der Musik …
JazzZeitung: Ein Stück ist eine Komposition der Band „Radiohead“.
Hattest du etwas Jazziges darin bemerkt, das dich faszinierte?
Herman: Nein, was mich anzog, war, dass der Song so ganz und gar nicht
jazzig ist! Radiohead mag eine der faszinierendsten aktuellen Bands überhaupt
sein. Viele Jazzmusiker lieben ihre Musik und holen sich dort Anregungen.
Und „No Surprises“ ist ein sagenhaftes Stück voll emotionaler
Kraft. Letzteres ist mir sehr wichtig, wenn ich entscheide, ob ich einen
Song spielen will. Interview: Carina Prange
CD-Tipp
Yaron Herman: Follow The White Rabbitt“
ACT Music 9499-2
siehe auch Rezension S. 13!
www.yaron-herman.com |