Einen fulminanten Bühnenerfolg hatte das Collectif LeBocal bei
der jazz-ahead! 2010 in Bremen, die 2011 vom 28. April bis 1. Mai stattfindet.
Das dort servierte Zappa-Barbecue mit eigenen Zutaten aus dem Einmachglas
(bocal) der 1998 gegründeten Big Band aus dem Grenzgebiet Savoyen
(Schweiz–Frankreich) war ebenso delikat wie raffiniert. Ernie Odoom
und Cyril Moulas sprachen mit Hans-Dieter Grünefeld über typische
LeBocal-Rezepte.
JazzZeitung: Warum haben Sie sich für das Zappa-Projekt entschieden?
LeBocal: Nicht wir haben das Programm ausgewählt, sondern die Plattenfirma
Harmonia Mundi hat uns den Auftrag dazu erteilt. Man wollte Zappa-Songs
in Big-Band-Arrangements, und wir konnten sogar die Songs auswählen.
Dieser Vorschlag hat uns natürlich gefallen und wir haben ihn angenommen.
Wir haben diesen Songs nicht einfach ein neues Kostüm gegeben, wir
haben sie in gewisser Hinsicht re-komponiert. Damit haben wir eine große
Fangemeinde mobilisiert, denn unsere Interpretationen haben Furore gemacht.
Wir waren sogar bei der Zappanale in Bad Doberan. Einerseits hatte dieser
Auftrag Vorteile für uns, weil wir populär wurden, andererseits
wollen wir nicht nur mit Zappa-Arrangements identifiziert werden, sondern
unsere eigenen Sachen entwickeln.
JazzZeitung: Hatte dieser Auftrag Einfluss darauf, wie
Sie Ihre Originalkompositionen gestalten?
LeBocal: Ja, wir haben unsere Einstellung zu Klängen und Improvisation
geändert, wir sind da freier geworden. Wir haben auch Hard-Rock-
und Heavy-Metal-Sounds sowie Vokalartistik integriert. JazzZeitung: Die Besetzung von LeBocal ist
traditionell, nicht aber der Stil. Was ist der wesentliche Unterschied
zu anderen Big Bands?
LeBocal: Unser Konzept ist zwischen Jazz und Rock und
auch Avantgarde positioniert. Die Funktion der Instrumente ist unüblich. Unser Saxophonist
Guillaume
Perret verwendet elektronische Effektgeräte, die Gitarre wird nicht
so sehr im Jazz-, sondern im Rockidiom gespielt. Es kommt auf die Arrangements
an, also nicht die Instrumente zu wechseln, sondern die Methoden und
Möglichkeiten ihrer Kombination zu ändern. Wir machen alles
selbst. Der jeweilige Komponist ist gleichzeitig Arrangeur. Nur das Zappa-Projekt
ist anders, weil wir dafür ja bereits Material hatten, das wir nach
unserem Gusto für LeBocal angepasst haben.
JazzZeitung: Ist jemand von Ihnen für ein bestimmtes Klangkonzept
verantwortlich, also die originäre LeBocal-Sig-natur?
LeBocal: Das entscheiden wir von Fall zu Fall. Wir machen
niemandem Vorschriften, jeder im Collectif kann die Musik so gestalten,
wie er will. Doch bei
den Proben hat jeder das Recht auf Kommentare oder Kritik. Dann kann
es passieren, dass wir entweder das Arrangement oder sogar die Struktur
verändern. Wir arbeiten dabei wie eine Rockband.
JazzZeitung: Ein offenbar wichtiges Element
für LeBocal ist Unterhaltung
im professionellen Sinn, etwa wenn Sie dirigieren.
LeBocal: Das hat etwas mit mir (Cyril Moulas) zu tun,
denn ich mache komödiantische Intermezzi in anderen Bands und habe diese Gewohnheit
zu LeBocal gebracht. Ernie Odoom und unser Tenorsaxophonist Guillaume
Perret unterstützen mich dabei. Wir kennen uns schon seit unserer
Kindheit. Da gibt es viel Übereinstimmung. Und weil wir an der Frontlinie
sind, haben wir eine besondere Beziehung zum Publikum.
JazzZeitung: Solche Showsequenzen müssen doch vereinbart werden,
oder geschehen sie spontan?
LeBocal: Bei den Proben verabreden wir schon, welche
Parts dirigiert werden sollen. Das ist keine Theaterfarce, sondern die
Musik braucht
diese Aktion. Unser Jazz ist seriös. Einige Big Bands werden permanent
dirigiert. Wir machen das nur punktuell, wenn für Passagen ein striktes
Tempo erforderlich ist. Außerdem gibt es unorthodoxe Improvisationen,
die einen gewissen Spaßfaktor haben. Aber wir wollen keine Spaßband
sein, auch wenn Humor für uns essenziell ist und sich aus der Musik
entwickeln kann. Man sollte beim Jazz ruhig lachen dürfen, ist gut
für das Publikum.
JazzZeitung: Showelemente haben auch den Vorteil,
dass Jazz aus einem artistischen Kokon herauskommt, dadurch kommunikativer
wird. Ist Ihre
Musik deshalb nicht allzu kompliziert?
LeBocal: Wir sind keine Stars, sondern normale Musiker
mit der Mentalität
einer Rockband. Genau diese Attitüde fehlt im Jazz der Gegenwart.
Vor 40, 50 Jahren gab es noch Intentionen, das Publikum zu unterhalten.
Heute sind die Menschen oft gelangweilt von den vielen Soli und abstrakten
Ideen. Ja, Jazz sollte wie bei Basie und Ellington kommunikativer sein.
JazzZeitung: Was ist die Zukunft für Sie?
LeBocal: Wir möchten zeitgenössische Musik komponieren. Vieles
hängt von den Finanzen ab, ob wir Touren und Gigs organisieren und
CDs produzieren können. Im Moment sind wir glücklich. Hans-Dieter Grünefeld
Gesprächspartner:
Ernie Odoom (ts, ss, voc)& Cyril Moulas (g)
www.lebocal.com
www.ppa-plus.com
CD-Tipps
Lebocal: Ego
BeeJazz 013
www.abeillemusique.com
Lebocal: „Oh No!... Just Another Frank Zappa Memorial Barbecue
Le Chant du Monde CDM 035 (Harmonia Mundi) |