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Helene LaFaro-Fernández: Jade Visions – The life and music of Scott LaFaro, mit 32 Fotos, einigen Notenbeispielen und einer Diskografie, University of North Texas Press, Denton/USA, 322 Seiten Kein anderer Bassist hat in so kurzer Zeit die Spielweise seines Instruments so sehr erweitert wie Scott LaFaro. Die große Beweglichkeit aller Finger und die Umspielung des Beat, ohne ihn aufzugeben, schufen neue Möglichkeiten, die vor allem in der Zusammenarbeit mit Bill Evans und Paul Motian dem Klaviertrio neue Impulse gaben. Hinzu kamen sein sehr sicheres Timing, sein „singender“ Ton, sein ausgeprägtes Harmonieverständnis und seine überbordenden Improvisationen (Bill Evans: „Ideas were rolling on top of each other – he could barely handle it ...“, S.126). Die Platten dieses Trios wie „Portrait in Jazz“, „Explorations“ und „Sunday at the Village Vanguard“ gehören heute zu den Meilensteinen des Jazz. Geboren am 3. April 1936, wuchs er in der Nähe von New York auf. Er spielte Klavier, Bassklarinette, Tenorsaxophon und Klarinette (in dieser Reihenfolge), bevor er mit 18 Jahren (1954) zum Bass kam. Er entwickelte großen Ehrgeiz, übte täglich viele Stunden und war bereits Ende 1955 Mitglied des Buddy Morrow Orchesters, mit dem er 1956 nach Los Angeles kam. Dort spielte er etwa mit Chet Baker, Charles Lloyd, Victor Feldman, Stan Getz und Sonny Rollins. 1959 ging er nach New York. Mit nur 23 Jahren war er dort bereits ein berühmter und gefragter Musiker, auch bei der damaligen Avantgarde, wie Aufnahmen für Gunther Schuller und mit Ornette Coleman zeigen. Am 25. Juni 1961 entstanden die Aufnahmen mit dem Bill Evans Trio im „Village Vanguard“. Zwölf Tage später geschah das Unfassbare: Scott LaFaro, 25 Jahre alt, starb bei einem Autounfall. Seine Schwester, die ihm nahe stand, hat ein einfühlsames Buch geschrieben, in dem auch viele Musiker zu Wort kommen. Bruce A. MacLeod: Club Date Musicians – Playing the New York Party Circuit, University of Illinois Press/Urbana and Chicago, 215 Seiten In New York heißen sie club dates, in Los Angeles casuals, in Boston
G.B. (general business) und anderswo einfach jobs oder gigs. Gemeint
sind Privatveranstaltungen mit Live-Musik: Partys, Hochzeiten, Bar Mitzvahs
(jüdisches Fest, entfernt der Erstkommunion oder Konfirmation vergleichbar),
Bälle, Wohltätigkeitsveranstaltungen und anderes mehr. Viele
Musiker, die dort spielen, haupt- oder nebenberuflich, in festen oder
häufiger noch in ad hoc zusammengestellten Bands, sind dem Jazz
zuzurechnen, kommen von ihm her oder sind von ihm beeinflusst. Der Autor, selbst Musiker, erörtert anhand von Besuchen solcher Veranstaltungen und von Interviews mit Musikern und Bandleadern alle Aspekte dieser Musikszene - eine spannende und sehr aufschlussreiche Lektüre. Nur das einzige Notenbeispiel ist leider so fehlerhaft, dass es für die nächste Auflage dieses Buches nur eins gibt: weglassen! Leif Bo Petersen & Theo Rehak: The music and life of Theodore „Fats” Navarro,
mit 36 Fotos und 46 Notenbeispielen Kein anderes Blasinstrument außer dem Tenorsaxophon hat die Geschichte
des Jazz so nachhaltig geprägt wie die Trompete (bis ca. 1926 war
es das Kornett). Von Buddy Bolden über King Oliver, Louis Armstrong,
Bubber Miley, Roy Eldridge, Dizzy Gillespie, Miles Davis, Lee Morgan
und Woody Shaw bis Don Cherry, Lester Bowie und weiter – um nur
einige der wichtigsten zu nennen – reicht die Linie der großen
Musiker. Zugleich ein leuch-tendes Beispiel dafür, wie der Jazz,
mehr als jede andere Musikform, die Entwicklung dieses Instruments und
der speziellen Dämpfer geprägt hat. Interessant ist seine Herkunft. Die Eltern seiner Mutter stammen von den Bahamas, sein Vater wanderte aus Kuba ein. Er selbst wuchs in Key West am äußersten Ende von Florida auf. Über die Big Bands von Andy Kirk und Billy Eckstine kam er Ende 1945 endgültig nach New York. Die letzten Jahre seines Lebens strahlte sein Stern immer heller. Selbst mit Charlie Parker (in Live-Aufnahmen im „Birdland“ am 15./16.5.50) agierte er auf gleicher Höhe. Das Buch ist eine mustergültige Arbeit, auf sehr sorgfältigen Recherchen basierend. Sämtliche Aufnahmen, auch bisher unveröffentlichte, werden besprochen. Verschiedene nützliche Kapitel im Anhang ergänzen das Ganze. Robin D.G. Kelley: Thelonious Monk – The Life and Times of an American Original, Free Press, New York, 589 Seiten Thelonious Monks Bedeutung als eines der Genies des Jazz ist heute unbestritten. Aber es dauerte länger als bei den anderen, die diese Bezeichnung verdienen (Louis Armstrong bis John Coltrane), bis er die gebührende Anerkennung fand. Dabei schuf er eine eigene harmonische Welt, schrieb mehrere Dutzend großartiger Themen und fasziniert auf seinen Platten heute genauso wie damals mit seinem komplexen Klavierspiel. Manche seiner Solos gehören zum Besten der gesamten Jazzgeschichte, so etwa das aus zwei Tönen entwickelte im ersten Take von „Bag’s Groove“ (24.12.54), auf das der Autor merkwürdigerweise überhaupt nicht eingeht. Monks Einfluss auf Musiker, Arrangeure und Komponisten nimmt immer noch zu. Jetzt hat Robin D.G. Kelley (Historiker an der University of Southern California) eine wahrhaft monumentale Biografie geschrieben, die vor allem über die Zeit vor 1940 viel Neues enthält – für mich das Jazzbuch des Jahres. Zuviele Halbwahrheiten, Märchen und Fehleinschätzungen sind über Monk im Umlauf. Um Klarheit zu schaffen, hat der Autor mit großer Akribie unzählige Details zusammengetragen (der Anmerkungsapparat umfasst 100 Seiten!) und zu einem eindrucksvollen Portrait zusammengefasst, das uns den großen Pianisten sehr nahebringt. Dazu führte Kenny zahllose Interviews und Gespräche mit Familienmitgliedern, Freunden, Musikern und anderen über einen Zeitraum von wenigstens zehn Jahren. Monk war ein Individualist, aber kein Einzelgänger, ein Original, aber kein Spinner. Parker und Gillespie verdanken ihm mehr, als viele glauben. Mit Bud Powell und Elmo Hope war er eng befreundet, Duke Ellington war sein Idol. Wer mit ihm in engerem Kontakt stand, lernte ihn als witzig, mitunter sarkastisch kennen, aber auch als mitfühlend – Eigenschaften, die sich auch in seiner Musik finden. Manchen Musikern half er aus Notlagen, so Bud Powell, Hampton Hawes und Ernie Henry. Seine Familie bedeutete ihm sehr viel. Monks Verhaltensauffälligkeiten späterer Jahre sind vor allem auf eine manisch-depressive Krankheit zurückzuführen , an der auch sein Vater litt. Er schlug mit seinem feinen Ohr für Klangfarben eine Brücke vom Stride Piano zu Akkordklängen, die dem Jazz einen ganz neuen und bisher noch keineswegs voll erschlossenen Bereich an Möglichkeiten eröffneten. Er war – um einen Vergleich mit Bildender Kunst zu wählen – mehr Bildhauer als Maler. Seine Musik ist schwer zu spielen, was jeder weiß, der es schon einmal selbst versucht hat. Das Buch legt auch dar, dass es viele bisher unveröffentlichte Aufnahmen gibt, darunter auch welche, die ihn beim Ausarbeiten von Stücken zeigen, so eine (bei ihm zu Hause) von 84 Minuten Dauer (!), während der er an „I’m getting sentimental over you“ arbeitet und dieses Stück schrittweise in seine Musik verwandelt. Hoffentlich hört auch jetzt endlich die alte Leier auf, Monk habe eigentlich gar nicht Klavier spielen können. In Wirklichkeit hatte er genau die Technik, die er brauchte, um so zu spielen, wie er wollte. Seine Spielweise ist nicht das Resultat eines Defizits, sondern wohl kalkuliert. Oscar Peterson etwa benötigte eine ganz andere Technik – Mittel zum Zweck des Musikmachens – bestehend aus einer ganzen Reihe von Komponenten: Phrasierung, Artikulation, Tonbildung, Dynamik, Geläufigkeit und anderem mehr. Aber zwischen Peterson und Monk gab es noch einen wesentlichen Unterschied: Peterson war ein großer Musiker, aber kein Genie. Monk war beides. Joe Viera |
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