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Wolfgang Schorlau, Das brennende Klavier – Der Musiker Wolfgang Dauner, Edition Nautilus, Hamburg 2010, 191 Seiten In Frack und Fliege, auf dem Cover abgelichtet, steht er ernst vor einem brennenden Klavier. Im Kleinbus transportierte er einst von England aus über den Kanal einen sperrigen Synthesizer, den er nur mit einer Kaution des Konsuls durch den Zoll brachte; er scheuchte seinen nackten Schlagzeuger über die Bühne, zertrümmerte dortselbst eine Geige und rief zum „Urschrei“ auf, von der kuriosen Korrespondenz mit der nicht existierenden „Cowboy Texas Band“ ganz zu schweigen. Wolfgang Dauner liebt diese skurrilen Erlebnisse und Geschichten. Sie sind jetzt alle versammelt in einer neuen, gut lesbaren Biografie. Sie ist an diesen Geschichten, die nie aufgesetzt wirken, aufgehängt.
Sie verdichten sich vielmehr zur langsam Gestalt annehmenden Persönlichkeit
Wolfgang Dauners, der auch ausführlich zu Wort kommt. Er erklärt
seine Ästhetik, den Nutzen langer Haare und die Wirkung von Drogen,
erzählt von seinem Besuch in New Orleans und von der Trauerfeier
für Willy Brandt, wo er unbeteiligte und gleichgültige Politiker
ausmachte. Im tiefsten Schwabenland als Waise aufgewachsen hatte er schlechte Startchancen. Seine Tante bringt ihm früh das Klavierspiel bei, Bekanntschaft mit dem Jazz macht Dauner beim Soldatensender AFN. Kurz nach Kriegsende findet der 10-Jährige in einer verlassenen Kaserne eine Trompete, die ihm später den Weg in die Jazz-Szene öffnet. Nach Schlosser-Lehre und Musik-Studium übernimmt Dauner die Tourneebegleitung von Marika Rökk und Zarah Leander, was den Start seiner Profikarriere bedeutet. Nach dem Wechsel zum Klavier verdient er sich seinen Lebensunterhalt mit Unterhaltungsmusik und Club-Engagements. Im Jazz bleibt Dauner Autodidakt. Er schneidet die Musik auf seinem Tonbandgerät mit und transkribiert sie anschließend auf Notenpapier. 1963 gründet Dauner sein erstes eigenes Jazz-Trio, das lange Bestand hat. Es wird zu Beginn der siebziger Jahre mit der Erweiterung des musikalischen Spektrums auch personell ausgeweitet: Die Gruppe „Etcetera“ entsteht. Während Dauner damit dem damals geläufigen Jazz-Rock-Idiom huldigt und die Gruppe 1974 zur „Glotzmusik“ umformt, komponiert er Musik (im rockigen Gewand) für eine Serie des Kinderfernsehens, kommt aber stets auf die Ursprünge des Jazz zurück. Von 1969 bis 1989 leitet er die beim damaligen SDR angesiedelte Radio- Jazz-Group Stuttgart und tourt mit den German Allstars durch Südamerika und Asien. Mitte der siebziger Jahre entwickelt sich aus der „Glotzmusik“ das „United Jazz and Rock Ensemble“, die langlebigste Band der deutschen Jazzgeschichte. Auch ein Verdienst Dauners, der sich um die geschäftliche Seite kümmert und mit dem Musiker-Label „Mood“ Maßstäbe setzt. Auf eine einheitliche Linie ließ sich Dauner nie festlegen. Was auch diese Biografie deutlich macht. Der Autor politischer Kriminalromane hat sich ausführlich mit dem Künstler unterhalten, der ihm sogar seine persönlichen Notizen zur Verfügung stellte. Sie sind nahtlos eingeflochten in die Geschichte einer ein halbes Jahrhundert umspannenden Karriere. Sie macht bekannt mit einem kantigen Musiker und vermittelt einen Einblick in ein Kapitel deutscher Jazzgeschichte. Reiner Kobe |
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