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Magic Clarinet In unserer Zeitenwende, in der die meisten Musikhörer Musik bequem aus dem Netz herunterladen und auf Begleittexte verzichten, die auf den Original-CDs bisweilen ohnehin fehlen oder kaum mehr Substanz als Werbetexte hergeben, in einer Epoche, in der sich der Wissensdurstige lieber gleich bei Google und Wikipedia durchlinkt, statt haareraufend in seiner Bibliothek nach einem (zum gesuchten Thema meist ohnehin nicht vorhandenen) Buch zu fahnden, ja, in dieser Gegenwart müssen sich Buchverlage und Plattenfirmen schon etwas einfallen lassen, um die physische Exis-tenz ihrer Medien im 21. Jahrhundert zu sichern. Meine, vielleicht naive, Hoffnung auf ihren Erhalt richtet sich auf
Musik-Text-Kopplungen, die auf Grund ihrer Materialfülle so umfassend unterrichten, so
reich bebildert und so liebevoll gestaltet sind, dass man sie einfach
besitzen will. Sie werden noch als Schatz behütet werden, wenn längst
alle nach einmaligem Lesen aus dem Leim gehenden Taschenbücher und
alle CDs ohne Informationswert durch den Rechner ersetzt wurden. Genau
solche letztlich unkopierbare Editionen, die noch dazu preisgünstig
und platzsparend sind, beschert uns das kleine Label NoEthno, das sich
an das etwas waghalsige Projekt gemacht hat, eine Enzyklopädie „World
Music Instruments“ in einzelnen Digibooks vorzulegen. Aus Jazzsicht
war bislang vor allem das vor ein paar Jahren erschienene „Magic
Banjo“ sehr empfehlenswert. Nun lockt vorliegendes Werk sich mit
der Klarinette zu beschäftigen und dabei jene Musikfreunde, die
es nicht ohnehin tun, zugleich über den Tellerrand des Jazz hinauszusehen. Im modernen Jazz fristet die Klarinette ein Schattendasein, wird nur von begnadeten Virtuosen wie Buddy De Franco oder im übrigen auch in ihrer sonstigen musikalischen Charakteristik einzelgängerischen Persönlichkeiten wie Jimmy Giuffre oder Tony Scott gespielt. Die Avantgarde mit ihrer Vorliebe für ungewöhnliche Klangfarben wies der von Eric Dolphy radikal expressiv gespielten Bassklarinette einen Platz zu, im Übrigen aber ging es der Jazz-Klarinette seit langem nicht mehr so gut wie seit den 90erJahren. Ob ein Don Byron auf Klezmer zurückgreift, ein Gianluigi Trovesi
auf italienische Volksmusik, ein Paquito d’Rivera auf kubanische
Sounds, Michael Riessler auf so genannte Neue Musik oder ein Louis Sclavis
gleich seine „imaginäre Folklore“ gestaltet, immer wieder
sind es neben den „roots“ auch scheinbar jazzfernere Wurzeln,
die dem Instrument seine Vorrangstellung im Jazz zurückerobern. Wir begegnen Paulo Moura wieder, dem vor wenigen Monaten verstorbenen Brasilianer, wir erleben Alexandre Stellio aus Martinique, der die Beguine popularisierte, den überragenden Klezmer Naftule Brandwein, Benny Goodman mit einem Stück von Béla Bartók – nichts davon ist Jazz und doch hat das alles mit Jazz so viel zu tun. Obwohl die Anthologie wegen der Fülle des historischen Materials hier in „neues von gestern“ rezensiert wird, ist sie auf aktuellem Stand. Die dritte CD enthält das fast vollständige eines klarinettistischen Gipfeltreffens, das 2001 in Rudolstadt stattfand. Eine runde Sache, bei der kleinere Ausrutscher – De Franco mit Herman Foto – keine Rolle spielen. Am besten gefällt mir inzwischen etwas, das ich – vor dem Anhören – vermisst habe und mich vielleicht sogar vor einem Kauf abgeschreckt hätte: Die weder chronologischen, noch geographischen oder scheinbar keinen stilistischen Kriterien folgende Anordnung. In Wahrheit folgt die Abfolge einer ausgefuchsten musikalischen Logik. Es ist sinnvoll, Bechet, dessen Musik bisweilen einen spanish tinge aufwies und der übrigens auch karibische Stücke eingespielt hat, zwischen Eugène Delouch aus Martinique und Paquito d’Rivera aus Kuba zu hören. Es passt, auf den Klassik-Star Sabine Meyer mit Musik von Darius Milhaud,
der von brasilianischer Musik inspiriert wurde, einen von Moderna Tradiçao
geprägten brasilianischen Choro folgen zu lassen. Doch auch ohne diese Kenntnisse erfreut man sich immer wieder an den überraschenden, doch sich stets in Harmonie zusammenfügenden Kombinationen der Elemente. So wird von Stück zu Stück immer klarer: Was andere Instrumente von sich glauben machen wollen – egal – die Klarinette ist wirklich ein wahres Weltmusikinstrument. Zoot Sims: Zoot/Zoot Sims Plays Alto, Tenor And Baritone Mit immer neuem Entzücken möchte ich auf das Glücksgefühl hinweisen, das Zoot Sims Spiel dafür empfänglichen Gemütern bereiten kann. Manche Improvisatoren, darunter besonders viele heutige, scheinen ja einen kleinen Mann im Ohr zu haben, der ihnen einflüstert: „Mach es möglichst kompliziert, damit sie große Augen machen, spiel etwas noch nie Dagewesenes, um in die Schlagzeilen zu kommen.“ So einer Versuchung scheint er nie erlegen zu sein. Hätte er einen Einflüsterer gehabt, so hätte dieser gesagt: „Entspann Dich, halte es übersichtlich, swinge einfach zu deinem Vergnügen drauflos.“ Wir stehen dann, wie bei dieser Scheibe, vor einem Ergebnis absoluter Spontaneität und unprätentiöser Spielfreude: Jede Tonfolge fließt dabei in so natürlicher, swingend-zwingender Folgerichtigkeit dahin, dass man glaubt, nur dieser Verlauf sei in diesem Augenblick möglich und sinnvoll. Das Album „Zoot“, auf dem er 1956 vom Pianisten Johnny Williams, dem Bassisten Nabil „Knobby“ Totah und dem Drummer Gus Johnson assistiert wurde, brachte dem Meistertenoristen fünf Sterne im Downbeat ein. Das mit gleichem Rhythmusteam eingespielte Folgealbum „Zoot Sims Plays, Alto And Bariton“, erhielt nur vier. Vielleicht war es dem Kollegen wohl für einen echten Sims zu prätentiös, führt es Zoot doch mit ungewohnteren Instrumentarium, dank Playback im Satzspiel mit sich selbst und sogar als Sänger vor. |
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